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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Paraguay

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Paraguay (Staat: physische Verhältnisse, Bevölkerung).

Südamerika, entspringt in der brasilischen Provinz Mato Grosso in den Campos Parecis bei Diamantino, 309 m ü. M., aus 7 kleinen Seen und durchströmt nach dem Austritt aus dem Hügelland, südliche Hauptrichtung verfolgend, eine große Ebene, welche von ihm und den bedeutenden Nebenflüssen, die er von beiden Seiten erhält, während der Regenzeit (Januar bis März) vollständig überschwemmt und hierdurch unter andern der See und Sumpf de los Xarayes gebildet wird, der teils auf brasilischem, teils auf bolivianischem Gebiet eine Fläche von etwa 150 km Länge und 80 km Breite einnimmt. Von dieser weiten Überschwemmungsgegend an sind die Ufer des P. meist hoch und trocken. Der Fluß bildet nun streckenweise die Grenze zwischen Brasilien und Bolivia sowie zwischen dem Staat P. und der Argentinischen Republik. Er ist durchgehends schiffbar, hat nirgends Klippen und Stromschnellen, fließt an 450 m breit an Asuncion vorüber und vereinigt sich nach einem Stromlauf von 2200 km an der Südwestgrenze des Staats P. unter 27° südl. Br. oberhalb Corrientes mit dem Parana. Er enthält viele Inseln und nimmt zahlreiche Flüsse auf, die ihm meist von der östlichen Seite zufließen. Die größten derselben sind der Mondego, Taquary und São Lourenço mit dem Cuyaba, während von W. her der Pilcomayo und Rio Bermejo in ihn münden. Der P. wurde zuerst 1526 von Caboto beschifft. Jetzt gehen Dampfboote in seinem Gebiet bis Villa Maria (1900 km) und bis Cuyaba (am gleichnamigen Nebenfluß, in der Provinz Mato Grosso) aufwärts.

Paraguay (spr. -gwāi), ein Freistaat in Südamerika (s. Karte "Argentinische Republik"), besteht aus dem eigentlichen P., zwischen dem gleichnamigen Fluß und dem Parana, und einem Teil des Chaco, welcher durch Schiedsspruch des Präsidenten der Vereinigten Staaten P. im November 1878 zuerkannt wurde. Die Grenzen sind durch Verträge, welche nach fünfjährigem Krieg (1865-70) mit Brasilien und der Argentinischen Republik abgeschlossen wurden, und durch spätere Verträge mit der Argentinischen Republik (3. Febr. 1876) und mit Bolivia (Oktober 1879) geregelt. Demnach liegt P. zwischen 22° und 27° 30' südl. Br. und besteht aus dem eigentlichen P. (146,886 qkm oder 2667,6 QM.) und dem zwischen 22° südl. Br. und dem Pilcomayo gelegenen Teil des Chaco (91,404 qkm oder 1660 QM.). Das Gesamtareal beträgt demnach 238,290 qkm (4327,6 QM.).

[Physische Verhältnisse.] Das eigentliche P. durchzieht von N. nach S. eine mäßig hohe Bergkette, welche gegen O. und W. in Plateau- und Hügelland übergeht, wahrscheinlich nirgends die Höhe von 600 m erreicht und die Zuflüsse des Parana und Paraguay scheidet. Sie führt die Namen Sierra Amambaya und Cordillera d'Urucuty, heißt aber gewöhnlich nur Cordillera de los Montes ("Waldgebirge"). Im S. löst sie sich in zahlreiche, aber unbedeutende Anhöhen auf. Längs des Paraguay und im S. des Landes längs des Parana breiten sich weite, oft sumpfige, seenreiche Tiefebenen aus, aus denen sich hin und wieder vereinzelte Hügel erheben. Die mittlere Erhebung des Landes ist sehr gering. Von vulkanischer Thätigkeit bietet dasselbe keine Zeichen. Von Metallen kommen Eisen, Gold und Kupfer vor. Die Gewässer gehören den beiden Hauptflüssen, Parana und Paraguay, an, welche auf zwei Seiten das Land umgeben, alle in demselben entspringenden kleinern Flüsse aufnehmen und an der südlichsten Grenze sich vereinigen. Der Boden ist überall mit Salz in gebundener Form geschwängert, daher sind auch salzige Quellen und salzige Seen im ganzen Land häufig. Das Klima von P. ist gemäßigter, als man seiner Lage nach erwarten sollte. Hart neben dem Wendekreis und in geringer Erhöhung über dem Meer sinkt das Quecksilber im Juli und August des Nachts nicht selten bis auf den Nullpunkt, die gewöhnliche Temperatur jener Jahreszeit ist 15-19° C. am Tag und um die Hälfte weniger des Nachts. In den entgegengesetzten Monaten tritt das tropische Verhältnis reiner hervor; neun Monate hindurch steht mittags das Quecksilber selten unter 25° C., gewöhnlich 30-31°, in den nördlichsten Gegenden sogar 37°. In den Stand der Temperatur werden durch die Winde große Veränderungen gebracht; besonders steigert der Nordwind, welcher über die wärmsten Teile Südamerikas herüberstreicht, die Wärme in den Sommermonaten außerordentlich. Der Charakter der Jahreszeiten ist in P. zwar nicht so scharf getrennt wie in dem südlichern Buenos Ayres, aber deutlicher ausgesprochen als in den Äquatorialgegenden. P. bietet an allen Naturerzeugnissen den reichsten Überfluß dar. Man findet eine unendliche Mannigfaltigkeit von Nutz- und Zierhölzern, von Pflanzen, Sträuchern, Früchten und Blumen; herrliche Waldungen bieten Brenn- und Schiffbauholz in Menge sowie Gummiarten und Harze, welche auf den europäischen Märkten noch ganz unbekannt sind. Das Tierreich entspricht dem Reichtum der Vegetation und der eigentümlichen Bildung des Bodens. Neben großen Herden verwilderter Rinder und Schafe finden sich Jaguare und kleinere Raubtiere aus dem Katzengeschlecht; zahlreiche, meist prächtig gefärbte Vögel, namentlich Papageien, beleben die Wälder; auch Amphibien hat das teilweise dicht bewaldete und sehr feuchte Land in Menge. Die Sümpfe sind mit Alligatoren angefüllt, und in den östlichen Gebirgswäldern haust die Boa; einzelne Landstriche sind durch Giftschlangen besonders berüchtigt. Der Fang der artenreichen Fische, welche nach Überschwemmungen in den austrocknenden Lachen in großer Menge zurückbleiben, ist die Nahrungsquelle der noch nicht unterjochten Stämme der Ureingebornen und beschäftigt in minderm Grad auch die Weißen. Unter den zahllosen lästigen Insekten nehmen verschiedene Arten von Ameisen und die Moskitos eine hervorragende Stelle ein. Verwüstungen durch wandernde Heuschrecken kommen aber hier weniger als in den westlichen und südlichen Nachbarländern vor.

[Bevölkerung.] Die Einwohnerzahl wurde 1857 zu 1,337,441 Seelen angenommen, aber der furchtbare Krieg von 1865-70 richtete solche Verheerungen an, daß dieselbe 1873 auf 221,079 Seelen zusammengeschmolzen war, wovon nur 28,746 männliche Einwohner von über 15 Jahren waren. Dagegen will man 1879 wieder 346,048 Einw. gezählt haben, wogegen ein Zensus von 1887 bloß 231,878 Seelen ergab, unter denen nur 94,868 männlichen Geschlechts waren. Außerdem aber leben im Gebiet der Republik noch 60,000 halbzivilisierte und 70,000 wilde Indianer. Unter der ansässigen Bevölkerung gab es 1887: 825 Italiener, 478 Deutsche, 300 Spanier und 40 Engländer. Die eingeborne Bevölkerung besteht vorwiegend aus Mestizen. Hervorgegangen aus einer Mischung von Spaniern mit den Guarani, neigt sie sich von Geschlecht zu Geschlecht immer mehr den Vorfahren weißer Farbe zu. Die Paraguanos sind von schönem Körperbau, lebhaftem Geist, gastfrei und edelmütig, aber auch sehr leichtsinnig. Ihre Vaterlandsliebe und Tapferkeit haben sie im Krieg mit Brasilien und seinen Ver-^[folgende Seite]