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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Paraguay

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Paraguay (Geschichte).

deserzeugnisse aufkauften und auf ihren Schiffen ins Ausland verschickten. Von den Vereinigten Staaten von Nordamerika, Brasilien, Uruguay und den meisten europäischen Staaten wurde die Anerkennung der Selbständigkeit Paraguays erlangt. Die Argentinische Republik unter Rosas, welcher P. für eine Provinz derselben ansah, verweigerte sie, worauf ein Krieg ausbrach, in welchem die argentinischen Staaten Corrientes und Entre Rios P. unterstützte. Nach dem Sturz Rosas' erfolgte 15. Juli 1852 die Anerkennung der Unabhängigkeit Paraguays von seiten der Argentinischen Konföderation und von seiten Großbritannien durch den Traktat von Asuncion vom 4. Jan. 1853. Unter Lopez' weitern Verdiensten um das Land sind die Verbesserung des Gerichtswesens, die Gründung von Schulen, Regelung der Finanzen durch strengste Sparsamkeit, Vermehrung der Verkehrsmittel etc. namhaft zu machen. Gegen Ende 1856 ließ sich Lopez vom Kongreß wieder auf sieben Jahre zum Präsidenten ernennen, starb jedoch 10. Sept. 1862 nach 18jähriger beinahe unumschränkter Regierung, nachdem er testamentarisch die Präsidentschaft seinem Sohn Francisco Solano Lopez übertragen hatte, der auch vom Kongreß als Präsident anerkannt wurde.

P. befand sich damals in blühender Verfassung. Es hatte keine Schulden, dagegen lagen mehrere Millionen bar im Schatz; doch durch Lopez' Streben nach Machterweiterung, nach Gründung eines großen Guaranireichs ward P. nach kurzer Zeit in einen verhängnisvollen Krieg hineingezogen. In dem Nachbarstaat Uruguay standen Blancos und Colorados in heftigem Kampf einander gegenüber; Brasilien nahm für das Haupt der letztern, den Expräsidenten General Flores, Partei und drohte mit Gewaltmaßregeln und Besetzung des Landes. Dagegen erhob P. 30. Aug. 1864 Protest. Als die Brasilier dennoch in Uruguay eindrangen, eröffnete Lopez die Feindseligkeiten, indem er 16. Nov. 1864 das auf der Fahrt nach der Provinz Mato Grosso begriffene brasilische Postschiff Marquez de Olinda aufbringen ließ u. in die brasilische Provinz Mato Grosso einfiel. Da Lopez die militärischen Streitkräfte Paraguays, die sich auf 60,000 Mann mit 200 Geschützen beliefen, vortrefflich organisiert hatte und mit absoluter Gewalt über Person und Eigentum seiner Unterthanen gebot, so lagen die Dinge für P. nicht ungünstig. Jedoch gelang es den Brasiliern, in Uruguay Flores zur Herrschaft und dadurch diesen Staat auf ihre Seite zu bringen, und die Argentinische Republik wurde von Lopez selbst in frevelhaft leichtsinniger Weise zum Kriege gereizt. Im April 1865 erschienen plötzlich paraguayische Schiffe in dem Hafen von Corrientes, einer Stadt der Argentina, nahmen hier ankernde brasilische Schiffe weg und bemächtigten sich, ohne daß eine Kriegserklärung geschehen war, der Stadt. Die Folge war, daß sich 4. Mai 1865 Brasilien, die Argentina und Uruguay zu gemeinsamer Kriegführung wider P. verbündeten. Eine Unternehmung Lopez' gegen Uruguay schlug gänzlich fehl. Dennoch behauptete sich P. mit Erfolg gegen die Übermacht seiner Gegner, da Uruguay und Argentina durch innere Unruhen geschwächt wurden und der letztere Staat durch seinen Anspruch auf die Oberleitung der militärischen Operation sich mit Brasilien entzweite. 1865-66 hatte der Krieg daher gar keinen Fortgang, war aber dennoch äußerst verlustreich, zumal da im Mai 1867 die Cholera ausbrach. Im Juli 1867 begannen die Brasilier, denen fast allein die Last der Kriegführung zufiel, unter Caxias den Angriff auf Humaitá, den festesten Punkt Paraguays am Fluß P. Ende des Jahrs gelang ihnen, obwohl Lopez entschlossen und tapfer immer wieder Offensivstöße unternahm, die teilweise Einschließung der Festung. Im Februar 1868 wurde auch die brasilische Panzerflotte auf dem Paraguay aus der gefährlichen Lage befreit, in welche sie durch die Einschließung zwischen Curupaity und Humaitá geraten war, darauf die Estancia de Santa Anna, ein nördlich von Humaitá gelegenes Werk, erstürmt. Lopez gab jetzt Humaitá preis, dessen kleine, aber tapfere Besatzung sich erst 24. Juni, durch den Hunger bezwungen, ergab, und zog sich nach dem Norden zurück, wohin ihm im Oktober die brasilische Flotte auf dem Strom und das Landheer folgten. Lopez' befestigtes Lager bei Lomas-Valentinas wurde 15. Dez. nach sechstägigem Kampf erstürmt, Asuncion im Januar 1869 besetzt. Dennoch setzte der Diktator den Kampf mit verzweifelter Hartnäckigkeit fort und zwang durch grausame Unterdrückung jeder Opposition auch die Bevölkerung, ihre letzten Kräfte für seine verlorne Sache aufzuopfern. Anfang Mai 1869 übernahm der Graf d'Eu, Gemahl der Kronprinzessin von Brasilien, den Oberbefehl des brasilischen Heers, stürmte 12. Aug. die feste Position Lopez' bei Piriteba und schlug ihn 15. Aug. vollständig bei Curupaity. Lopez mußte sich nach den nordwestlichen Wäldern und Höhen von P. zurückziehen und führte noch den ungleichen Kampf fort, bis er 1. März 1870 ereilt und getötet wurde. Dies war der Schlußakt des fünf Jahre lang dauernden grausamen Kriegs, der P. furchtbar verwüstet zu den Füßen der Sieger legte. Der Hunger und epidemische Krankheiten wüteten unter dem Reste der Bevölkerung. Vier Fünftel der Einwohner gingen im Krieg und an seinen Folgen zu Grunde.

Am 10. Dez. 1870 wurden von einer Nationalversammlung provisorisch C. A. Rivarola, ein früherer Sergeant in der Lopezschen Armee, zum Präsidenten und Cupo Miltos zum Vizepräsidenten von P. gewählt. Zugleich wurde die jetzige, sehr demokratische Verfassung vereinbart und darauf 12. Dez. 1871 definitiv Don Salvador Jovellanos auf drei Jahre zum Präsidenten gewählt. Nach dem Friedensvertrag zwischen Brasilien und P. (April 1872) wurde der nördlichste Teil der Republik an Brasilien abgetreten. Im Oktober schloß Argentinien einen Vertrag mit P., der den Pilcomayo als einstweilige Grenze im streitigen Chacogebiet festsetzte. Die Entscheidung des Streits ward dem Präsidenten der nordamerikanischen Union, Hayes, übertragen, der am 12. Nov. 1878 zu gunsten Paraguays entschied. Im Mai 1879 wurde der größere Teil des Gran Chaco an P. zurückgegeben. Erst im Juni 1876 verließen die letzten fremden Truppen das Gebiet von P. Das Heer von P. wurde auf 2000 Mann vermindert und durch eine Anleihe in London den dringendsten Finanznöten abgeholfen. Am 25. Nov. 1874 wurde J. Bautista Gill von der volkstümlichen Partei der Colorados zum Präsidenten der Republik erwählt, aber 12. April 1877 aus Privatrache ermordet. Nachdem der Vizepräsident Uriarte provisorisch die Regierung geführt, ward 25. Nov. 1878 Bareiro, ein ehrlicher, gebildeter Mann, zum Präsidenten gewählt. Derselbe bemühte sich, die Ruhe im Lande zu sichern und den Wohlstand zu fördern, starb aber schon im September 1880. Ihm folgte General Caballero und diesem 1886 Escobar. Vgl. Rengger, Reise nach P. 1818-26 (Aarau 1835); de Castelnau, Expédition dans les parties centrales de l'Amérique du Sud 1843-47 (Par. 1850-^[BINDESTRICH!]