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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Paul

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Paul (Päpste, weltliche Fürsten).

Reform des Kardinalkollegiums, der Berufung eines allgemeinen Konzils etc. hielt er nicht und förderte durch Prachtliebe und Verschwendung die Mißbräuche in der päpstlichen Kurie. Über den utraquistischen König Georg Podiebrad von Böhmen sprach er 1466 den Bann aus und verlieh Böhmen dem Ungarnkönig Matthias Corvinus. 1470 ordnete P. die Feier des allgemeinen Jubiläums für alle 25 Jahre an. Er starb 25. Juli 1471.

3) P. III., ein Römer, vorher Alexander Farnese, geb. 1468 zu Carino im Florentinischen, war zuerst verheiratet und hatte einen Sohn, Peter Aloysius, wurde dann Bischof von Ostia und Dekan des heiligen Kollegiums und folgte 13. Okt. 1534 als Papst auf Clemens VII. Er trat anfangs nicht schroff gegen die Reformation auf und setzte 1537 eine derselben geneigte Kommission zur Beseitigung der Mißbräuche ein, wenn er auch die Ketzer durch die Bulle In coena domini verdammte. 1540 bestätigte er jedoch den Jesuitenorden, ordnete 1542 eine Inquisition zur Unterdrückung des Protestantismus in Italien an und eröffnete 1545 das Konzil zu Trient, das er aber bald nach Mantua verlegte. Der von ihm 1538 gegen Heinrich VIII. von England ausgesprochene Bannfluch vollendete den Bruch der anglikanischen Kirche mit dem römischen Stuhl. Vergeblich bemühte sich P., die Kriege zwischen den christlichen Mächten Spanien und Frankreich zu verhindern, um einen Kreuzzug gegen die Türken zu ermöglichen. Seinen Sohn Peter Farnese setzte er 1545 zum Herzog von Parma und Piacenza ein. Er starb 10. Nov. 1549. P. war ein sein gebildeter Mann und kluger Diplomat; er beschützte Gelehrte und Künstler und ließ 1546 durch Michelangelo den Bau der Peterskirche wieder aufnehmen.

4) P. IV., ein Neapolitaner, vorher Giovanni Pietro Carafa, geb. 1476 zu Capriglio, ward 1507 Bischof von Chieti, 1518 Erzbischof von Brindisi, stiftete 1524 die Kongregation der Theatiner (s. d.) und ward selbst zu deren erstem Superior erwählt. Paul III. erhob ihn 1536 zum Kardinal; Julius III. gab ihm das Bistum Tusculum und zuletzt das von Ostia, und nach dem Tode des Papstes Marcellus bestieg P. 23. Mai 1555, 79 Jahre alt, den päpstlichen Stuhl. Er setzte sofort eine Kongregation zur Hebung der Kirchenzucht ein, schrieb dem Klerus eine besondere Ordnung für Kleidung und Lebensweise vor, erweiterte die Befugnisse der Inquisition und verpflichtete sie zur größten Strenge gegen die Ketzer, führte den Index librorum prohibitorum (s. d.) ein und ordnete 1558 die Wiederherstellung des Festes Petri Stuhlfeier (Cathedrae S. Petri Ap. Romae) für den 18. Jan. an. Seine anmaßenden Nepoten vertrieb er aus Rom, gebot den Bischöfen und Mönchen, in ihren Sprengeln und Klöstern zu bleiben, und verweigerte nach Karls V. Abdankung die Anerkennung Ferdinands I. wegen dessen zu großer Milde in Glaubenssachen; auch der Königin Elisabeth von England versagte er dieselbe und trieb sie in die Arme der Protestanten. Vergeblich versuchte er sich mit Frankreichs Hilfe von Spaniens Übermacht frei zu machen und diesem Neapel zu entreißen; 1557 wurde er von Alba gezwungen, jeder Verbindung gegen den spanischen König zu entsagen. Er starb 18. Aug. 1559. Durch seine Strenge hatte er sich so mißliebig gemacht, daß nach seinem Tode das Volk seine Bildsäule auf dem Kapitol zertrümmerte und in den Tiber warf. Er schrieb unter anderm: "Tractatus de Ecclesiae Vaticiniis et ejus sacerdotum principatu" und "Notae in Aristotelis ethicam".

5) P. V., vorher Camillo Borghese, geb. 1552 zu Rom, studierte Philosophie und Jurisprudenz, ward Vizelegat in Bologna, wurde unter Clemens VIII. zum Kardinal ernannt und bestieg 16. Mai 1605 als Leos XI. Nachfolger den päpstlichen Stuhl. Als strenger Kanonist wollte er der weltlichen Macht durchaus keinen Einfluß auf die kirchlichen Angelegenheiten gestatten, fand aber damit an der Republik Venedig, die den modernen Staatsbegriff Paolo Sarpis festhielt, eine zähe Gegnerin, die sich durch Bann und Interdikt nicht einschüchtern ließ. 1613 gründete er auf dem Quirinal ein Seminar zur Bildung von Missionsgeistlichen für alle Länder und Völker. Überhaupt beförderte er alle Einrichtungen, die auf Erweckung eines kirchlichen Sinnes abzielten. Auch für die Verschönerung Roms und die Ausschmückung des Vatikans that er viel. Er starb 28. Jan. 1621.

Paul, weltliche Fürsten, 1) P. I. Petrowitsch, Kaiser von Rußland, geb. 1. Okt. 1754, Sohn des Großfürsten Peter, nachmaligen Zaren Peter III., und seiner Gemahlin Katharina, bekundete in seiner frühern Jugend eine gewinnende Offenheit und Geradheit des Charakters; doch schlugen diese Eigenschaften durch die despotische Erziehung, die ihm seine Mutter Katharina II., seit ihres Gatten Ermordung (17. Juli 1762) Kaiserin, zu teil werden ließ, allmählich in eine gewisse Härte und Verschlossenheit um, welche durch die Erinnerung an den gewaltsamen Tod seines Vaters noch verschafft wurden. 1773 vermählte ihn seine Mutter mit der Prinzessin Wilhelmine Natalia Alexejewna von Hessen-Darmstadt und nach deren Ableben 1776 mit der Prinzessin Dorothea Auguste Sophie Maria Feodorowna von Württemberg. Zwar ernannte ihn Katharina II. zum Großadmiral des Reichs, aber er durfte nicht einmal die Kronstädter Flotte besuchen. 1781 machte er mit seiner Gemahlin unter dem Namen eines Grafen von Norden eine anderthalbjährige Reise durch Europa. Nach der Rückkehr lebte er von neuem in gezwungener Unthätigkeit zu Gatschina bei Petersburg. Eben damit umgehend, ihren Sohn zu gunsten ihres Enkels Alexander testamentarisch von der Thronfolge auszuschließen, starb Katharina 17. Nov. 1796. P. bezeichnete die ersten Tage seiner Regierung mit mannigfache Beweisen einer natürlichen Gutmütigkeit und Gerechtigkeitsliebe. Bald jedoch äußerten sich die Folgen des Drucks, den P. fast 40 Jahre lang ausgestanden. Die Furcht vor der französischen Revolution und das ihm anerzogene Mißtrauen wurden die Ursache zu einer furchtbaren geheimen Polizei, zu scharfen Zensurverordnungen, zum Verbot der Einfuhr fremder Bücher und des Eintritts fremder Reisenden und zu der peinlichen und grausam strengen Disziplin im Heer. Pauls Gereiztheit und Willkür kannten keine Grenzen, das geringste Wort der Mißbilligung hatte Verbannung zur Folge. Ebenso launenhaft wie in der innern Politik zeigte er sich in seiner äußern. Die durch die Franzosen vertriebenen Malteserritter fanden Aufnahme in Rußland; ja, P. ließ sich 16. Dez. 1798 selbst zum Großmeister derselben wählen, ohne den Widerspruch des Papstes und mehrerer Mächte zu beachten. Nur die dringendsten Vorstellungen der österreichischen und englischen Diplomaten, die sowohl seine Ruhmbegierde als seine Furcht vor dem Jakobinismus aufzustacheln wußten, bestimmten ihn bald nach dem Frieden von Campo Formio 1798 zur Teilnahme am Kriege gegen Frankreich. Bald aber faßte P. wieder Mißtrauen gegen den Kaiser Franz II. und besonders gegen Pitt, und da nach manchen errungenen Siegen das Kriegsglück