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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Polarlicht

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Polarlicht (Entstehung).

Aufflackern des Polarlichts ein Ton gehört werden soll, so deutet diese Gleichzeitigkeit ebenso wie die Beschränkung der Empfindung auf gewisse Personen darauf hin, daß die Schallempfindungen als Phonismen aufzufassen sind. Manche Polarlichter werden nur auf verhältnismäßig kleinen Strecken beobachtet, während andre eine außerordentlich große Verbreitung haben. So war z. B. das schöne P. vom 7. Jun. 1831 im ganzen nördlichen und mittlern Europa sowie auch am Eriesee in Nordamerika sichtbar. In diesem Fall können nicht überall dieselben leuchtenden Strahlen gesehen sein, sondern am Eriesee wird man einen andern Teil des Phänomens wahrgenommen haben als in Europa. Wahrscheinlich hatte sich damals ein großer Strahlenkamm gebildet, welcher, ungefähr der Richtung eines magnetischen Parallelkreises folgend, vom Eriesee über den Atlantischen Ozean bis nach Norwegen und Schweden reichte. Eine bedeutsame Thatsache ist es, daß die Polarlichter am Nord- und Südpol sehr oft gleichzeitig erscheinen. Aus den vergleichenden Zusammenstellungen der Polarlichtserscheinungen durch Fritz und Loomis ergibt sich, daß das P. im allgemeinen zwar in den nördlichen Ländern der kalten und nördlichen gemäßigten Zone am häufigsten vorkommt, seltener in der südlichen oder wärmern gemäßigten Zone (von 45°-23½° nördl. Br.) und noch seltener in den tropischen Gegenden; aber keineswegs sind die Zonen gleich großer Häufigkeit der Nordlichter parallel dem Äquator, und noch viel weniger findet die größte Häufigkeit in der größern Nähe des geographischen Nordpols statt. Vielmehr liegen die Orte, wo man das P. am häufigsten und in seiner intensivsten Entfaltung sieht, in einer Zone von ovaler Form, welche sich von der Barrowspitze in Nordamerika über den Großen Bärensee nach der Hudsonbai hinzieht, diese unter 60° nördl. Br. schneidet und dann über Labrador, südlich vom Kap Farewell zwischen Island und den Färöern in die Nähe des Nordkaps nach dem Nördlichen Eismeer geht. Nach den weiter zu Gebote stehenden Beobachtungen soll die Linie um Nowaja Semlja und um das Kap Tscheljuskin gehen, sich im östlichen Sibirien der Küste nähern und von da zur Barrowspitze zurückkehren. Nördlich und südlich von dieser Zone nimmt die Häufigkeit und Intensität des Polarlichts ab, und zwar nach N. zu in stärkerm Grad als nach S. (s. Isochasmen). Südlich von dieser Zone sieht man das P. in der Regel im Norden (daher der Name Nordlicht); aber nördlich von ihr erscheint das P. gewöhnlich am südlichen Teil des Himmels. Innerhalb der jährlichen Periode ist das P. zur Zeit der Äquinoktien (s. d.) am häufigsten und zur Zeit der Solstitien (s. d.) am seltensten. Außerdem hat das P. eine Periode von ca. 11 Jahren, in welcher seine Häufigkeit gleichzeitig mit der Häufigkeit der Sonnenflecke zu- und abnimmt, so daß P.- und Sonnenflecken-Maxima und -Minima gleichzeitig eintreffen. Dabei drückt sich der periodische Wechsel in den Nordlichtern viel energischer aus als in den Sonnenflecken. Neben dieser einjährigen Periode zeigt sich noch eine Periode von 55½ Jahren und wahrscheinlich eine noch größere von 222 Jahren, die man in den Nordlichtsverzeichnungen verfolgen kann (vgl. H. Fritz, Verzeichnis beobachteter Polarlichter, Wien 1873, und Loomis in Sillimans "American Journal"). Die bisher vorliegenden Beobachtungen der Südlichter (1841-48 zu Hobarttown u. 1857-62 zu Melbourne) sprechen dafür, daß bei ihnen dieselbe Periodizität vorhanden ist wie bei den Nordlichtern.

Die Beziehungen, welche zwischen dem P. und dem Erdmagnetismus bestehen, zeigen sich zunächst darin, daß während eines Polarlichts die Deklinationsnadel sehr starke und unregelmäßig Schwankungen zeigt, weshalb A. v. Humboldt die Nordlichter sehr bezeichnend magnetische Gewitter genannt hat. Diese magnetischen Störungen treten an den verschiedenen Orten gleichzeitig auf, wie die Polarlichter selbst, und sind um so stärker, je intensiver und je weiter verbreitet am Himmel das P. ist; sie zeigen sich auch an Orten, wo das P. selbst nicht sichtbar ist, so daß man aus einer solchen unruhigen Bewegung der Magnetnadel mit Sicherheit auf ein in entfernten Gegenden sichtbares P. schließen kann. Am unzweifelhaftesten aber ergibt sich die Beziehung des Polarlichts zum Erdmagnetismus aus der Bildung der Polarlichtkrone an dem Punkte des Himmels, nach welchem die magnetische Inklinations- (Neigungs-) Nadel hinweist. Der gewöhnliche Polarlichtbogen rührt nach der Ansicht Nordenskjölds von einem leuchtenden Ring her, der um den magnetischen Pol in beträchtlicher Höhe über der Erde schwebt, und welcher von einem zweiten größern konzentrisch umgeben ist, von dem die großen und prächtigen Polarlichter ausgehen. Je nach der Stellung des Beobachters zu diesen leuchtenden Ringen wird das P. eine verschiedene Form annehmen. An einem Punkte der Erdoberfläche, der weit südlich liegt, wird nur der äußere Ring sichtbar sein, von dem das prachtvolle Draperienlicht mit lebhaften Strahlen ausgeht. Befindet sich der Beobachter weiter nördlich, so wird der Polarlichtbogen die gewöhnliche Erscheinung sein, bei welcher man unter dem hellen Bogen den dunkeln Himmel oder das sogen. dunkle Segment erblickt. Unter den leuchtenden Ringen werden die meisten für den Beobachter sichtbaren Strahlen die Richtung der magnetischen Kraft am Beobachtungsort haben, d. h. einander parallel sein, und werden deshalb nach den Gesetzen der Perspektive in einem Punkte des Himmelsgewölbes zusammenzulaufen scheinen und die Polarlichtkrone an dem Punkte des Himmels bilden, nach welchem die magnetische Inklinationsnadel gerichtet ist. Ein Beobachter im Norden des Polarlichtrings sieht das P. selten, und da nach innen fast gar keine Strahlen ausgesendet werden, wird es hier meist nur als lichter Nebel am Horizont beobachtet werden. Nachdem schon früher die Ansicht ausgesprochen war, daß das P. elektrischer Natur sei, ging de la Rive davon aus, daß das Meerwasser beständig mit positiver Elektrizität geladen sei, daß diese positive Elektrizität durch die aufsteigenden Dämpfe in die höhern Schichten der Atmosphäre getragen und durch den obern Passat (s. d.) den Polen zugeführt werde, so daß sie eine positiv elektrische Hülle für die Erde bildet, welche selbst mit negativer Elektrizität geladen bleibt. Da sowohl die Erde als auch die verdünnte Luft in den höhern Regionen der Atmosphäre gute Leiter sind, so werden sich die verschiedenen Elektrizitäten besonders da verdichten, wo die positive Luftschicht und die negative Erde einander am nächsten sind, d. h. in der Nähe der Pole. Ein Ausgleich der entgegengesetzten Elektrizitäten wird wegen der schlechten Leistungsfähigkeit der untern Luftschichten, durch welche sie erfolgen muß, nur allmählich in successiven, mehr oder weniger kontinuierlichen Entladungen von veränderlicher Intensität stattfinden, und während einer solchen Entladung wird die negative Elektrizität auf der Erde vom Äquator nach den Polen und die positive umgekehrt von den Polen nach dem Äquator strömen. Durch diese Ströme wird die Deklinationsnadel nach