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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Portugal

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Portugal (Geschichte bis 1825).

1755) empfindlich geschädigt worden war. Bei dem Wiederaufbau der Stadt sorgte er für breite Straßen und für die Verschönerung durch prächtige öffentliche Gebäude, wie Börse, Kaufhaus und Arsenal. Dem Handel und Gewerbfleiß half er durch Aus- und Einfuhrverbote auf und förderte den Ackerbau durch Einführung neuer Kulturen; doch verfuhr er gleich andern Staatsmännern seiner Richtung hierbei vielfach übereilt und gewaltthätig, wie er denn eine Menge Weinberge zerstören ließ, um den Getreidebau zu vermehren. Durch Schriften, Verbesserung der Volksschulen und des höhern Unterrichtswesens, durch Herbeiziehung fremder Lehrer, Errichtung einer Akademie etc. wollte Pombal das Volk aus dem geistigen Schlaf aufrütteln und aufklären, rief aber dadurch den heftigsten Widerstand des bisher allmächtigen Klerus, besonders aber der Jesuiten, hervor. Nachdem in mehreren Vorstellungen an den Papst und in öffentlichen Aktenstücken auf die Entartung und Verweltlichung des Ordens, der sich mit Wucher und Sklavenhandel abgab und in Indien große Handelsunternehmungen betrieb, hingewiesen worden war, gab ein Mordversuch auf den König (3. Sept. 1758), der von dem Herzog von Aveiro und dem Marquis von Tavora ausging, an dem die Jesuiten aber beteiligt waren, Veranlassung, den Orden aufzuheben und aus dem Land zu verweisen (1759). Die zahlreichen von Johann V. der Kirche verliehenen Güter wurden zurückgefordert und die Gewalt des Papstes beschränkt. Als während des Siebenjährigen Kriegs das mit England verbündete P. von Spanien bedroht wurde und beim Einrücken eines spanischen Heers (Mai 1762) der erbärmliche Zustand des Heerwesens sich herausstellte, ernannte Pombal den Grafen Wilhelm zur Lippe zum portugiesischen Oberfeldherrn, der die Armee in kurzer Zeit reformierte und das Land gegen Spanien erfolgreich verteidigte. Trotz aller Aufwendungen für das öffentliche Wohl sammelte Pombal infolge seiner trefflichen Finanzverwaltung einen Barschatz von 78 Mill. Cruzados.

Josephs Tochter Maria (1777-1816) stand wieder ganz unter dem Einfluß der Geistlichkeit, entließ Pombal und hob die meisten Einrichtungen desselben wieder auf; nur die Verbannung der Jesuiten wurde nicht zurückgenommen. Da die schwache, abergläubische Königin 1792 in Wahnsinn verfiel, übernahm ihr Sohn Johann VI. die Regierung zuerst als Regent, erst nach Marias Tod (1816) als König (1816-26). Unter ihm wurde P. auch von den Stürmen berührt, welche nach der französischen Revolution Europa erschütterten. 1801 stellte Bonaparte durch Spanien an P. die Forderung, dem Bund mit England zu entsagen und den englischen. Schiffen die Häfen des Landes zu verschließen. Die Weigerung, diesem Verlangen nachzukommen, hatte das Einrücken eines spanischen Heers unter Godoy, dem allmächtigen Günstling des spanischen Königspaars, zur Folge (Pomeranzenkrieg), worauf P. im Frieden von Badajoz (6. Juni 1801) die Ausschließung der englischen Schiffe, die Abtretung von Olivenza an Spanien und die Zahlung von 25 Mill. Frank an Frankreich versprach. Als der Regent das weitere Ansinnen, der Kontinentalsperre beizutreten, alle Engländer in P. zu verhaften und alle englischen Güter und Waren einzuziehen, ablehnte, schickte Napoleon 1807 den Marschall Junot mit einem Heer durch Spanien nach P., mit der Aufgabe, dasselbe zu besetzen und gemäß dem mit Spanien abgeschlossenen Vertrag von Fontainebleau (27. Okt. 1807) so zu teilen, daß Godoy Algarve, der König Karl Ludwig von Etrurien den Norden erhalten, der mittlere Teil zur Verfügung Napoleons bleiben sollte. Der Hof wartete jedoch die Ankunft der Franzosen nicht ab, sondern verließ 26. Nov. 1807 das Land und begab sich unter englischem Geleit nach Brasilien, worauf Junot sich der Hauptstadt und des ganzen Landes bemächtigte und im Namen Napoleons erklärte, "das Haus Braganza habe durch seine Flucht der Herrschaft entsagt und zu regieren aufgehört".

Thron- und Verfassungsstreitigkeiten.

Nach der Erhebung Spaniens 1808 schickten die Engländer Wellington mit Truppen, Geld und Waffen nach P., um die Franzosen zu vertreiben. Derselbe schlug, verstärkt durch portugiesische Freiwillige, Junot bei Vimeiro (21. Aug.) und zwang ihn zur Kapitulation von Cintra (30. Aug.), in der er sich zur Räumung Portugals verpflichtete. Anfang 1809 drangen die Franzosen unter Soult von neuem in P. ein, besiegten die Portugiesen bei Braga und Porto, mußten sich aber aus Mangel an Munition und Lebensmitteln im Mai nach Galicien zurückziehen. Ein dritter Einfall Massénas 1810 scheiterte an dem Widerstand Wellingtons in den Linien von Torres-Vedras. Unter fortwährenden Gefechten mit der ihm folgenden englisch-portugiesischen Armee ging Masséna nach Spanien zurück, und P. war seitdem von den Franzosen befreit. Da jedoch Johann in Brasilien blieb, auch nachdem er durch den Tod seiner Mutter Maria 1816 König geworden war, so stand P. fortan ganz unter der Gewalt der Engländer. An die Spitze der Regentschaft trat dem Namen nach der Patriarch von Lissabon, in Wirklichkeit der englische General Lord Beresford, der zugleich Oberbefehlshaber des portugiesischen Heers war. Ein Drittel der Offizierstellen war mit Engländern besetzt, englische Beamte wurden ins Land gezogen, der Handel befand sich ganz in englischen Händen und wurde nur zum Vorteil Englands ausgebeutet. Dagegen geschah nichts, um das Land zu heben sowie das Bedürfnis nach Freiheit und politischen Rechten zu befriedigen. Eine Verschwörung gegen die englische Herrschaft, an deren Spitze der General Dom Gomez Freyre und angesehene Edelleute standen, wurde rechtzeitig entdeckt und die Häupter derselben auf schimpfliche Weise hingerichtet (19. Okt. 1817). Während Beresford nach Brasilien abgereist war, ermutigte die Revolution in Spanien 1820 die Portugiesen zu einer Erhebung, und 24. Aug. brach der Aufstand in Porto aus; andre Städte, auch Lissabon, schlossen sich an, die Soldaten verweigerten den englischen Offizieren den Gehorsam, und die Landung des aus Rio de Janeiro zurückgekehrten Beresford wurde verhindert. In Lissabon wurde Mitte September eine der spanischen nachgebildete radikale Konstitution ausgerufen und eine Generaljunta eingesetzt, welche sofort für Anfang 1821 die Cortes einberief; diese genehmigten die Septemberkonstitution 9. März 1821.

Im April 1821 schiffte sich König Johann in Rio de Janeiro zur Rückkehr nach P. ein, wo er im Juli landete. Dieser Schritt des Königs hatte die Losreißung Brasiliens zur Folge, indem die Brasilier, welche sich P. nicht wieder unterordnen wollten, den als Regenten zurückgelassenen Sohn Johanns, Dom Pedro, 12. Okt. 1822 zum konstitutionellen Kaiser von Brasilien ausriefen. Mit leichter Mühe wurden die portugiesischen Garnisonen und Schiffe aus Brasilien vertrieben, und 29. Aug. 1825 kam unter englischer Vermittelung zwischen P. und Brasilien ein Vertrag zu stande, kraft dessen letzteres eine Schuld