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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Prag

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Prag (Geschichte).

legen, mit dem ehemaligen Jagdschloß "Stern"; das Prokopiusthal, Kuchelbad (reich an Petrefakten), Königsaal-Zawist, Wschenor, schöne Berg- und Waldpartien südlich von P. an der Moldau, der Kundratitzer Wald und Nußle östlich von P., an der Böhmischen Westbahn die merkwürdige Burg Karlstein (s. d.) u. a.

Geschichte.

Die Gründung von P. wird von der Sage der Libussa zugeschrieben. In Wirklichkeit ist es eine Gründung deutscher Ansiedler, die sich um 1100 am Fuß der Schwelle (prah) des Wyschehrad, des Fürstensitzes, niederließen. Sobieslaw II. erteilte 1178 den ersten Freiheitsbrief der Deutschen. Seine Größe und Blüte wurde aber vom Kaiser Karl IV. (1346 bis 1378) begründet. Dieser legte die jetzige Neustadt (anfangs Karlsstadt genannt) an, daher später die ältere Neustadt Kleinseite genannt ward. Derselbe zog eine feste Mauer um den Lorenzberg, Strahow und den Hradschin und baute die steinerne Moldaubrücke. Karl IV. machte P. zum Sammelplatz des Handels und Verkehrs, ordnete Messen an, verwilligte den Kaufleuten viele Freiheiten und zog dadurch sowie durch seine beständige Hofhaltung in P. eine Menge Fremde, besonders Deutsche und Welsche, dahin. Auch die Stiftung der Universität (1348) trug viel zum Aufblühen der Stadt bei. P. wurde daher der Mittelpunkt der lebhaften geistigen und politischen Bewegung, welche zu den hussitischen Unruhen führte. In P. brachen dieselben 30. Juli 1419 aus, und die Bürger von P. spielten in den Hussitenkriegen eine bedeutende Rolle. Vor P. scheiterte im Juli 1420 das erste deutsche Kreuzheer; hier wurden die vier Prager Artikel, das Glaubensbekenntnis der Hussiten, verfaßt. Doch litt P. auch sehr unter den Kriegen und den Parteikämpfen, und das deutsche Bürgertum der Altstadt wich immer mehr der tschechisch-hussitischen Bevölkerung, die an der Spitze einer eignen politischen Partei, die "Prager" genannt, meist im Hader mit den Taboriten lebte. 1436 unterwarf sich P. dem Kaiser Siegmund, der am 23. Aug. in P. gekrönt wurde. Seit den Jagellonen Wladislaw und Ludwig (1471-1526) kam die Kleinseite, jetzt der Hauptsitz deutscher Bevölkerung, empor. Die vereinigte Alt- und Neustadt, Kleinseite und Hradschin bildeten dann die "drei Städte" Prags. Eine Blütezeit hatte die Stadt wieder unter Kaiser Rudolf II. (1576-1612), der in P. auf dem Hradschin residierte, und unter dem zahlreiche Vornehme prächtige Paläste daselbst bauten. Große Drangsale erlitt P. im Dreißigjährigen Krieg, der am 23. Mai 1618 in P. seinen Anfang nahm und mit dem Sturz des Königtums Friedrichs V. in der Schlacht am Weißen Berg 8. Nov. 1620 auch die Bürgerschaft von P. in das Strafgericht verwickelte, welches Ferdinand II. über ganz Böhmen verhängte. Die evangelische Religion wurde unterdrückt, die Stadt durch zahlreiche Auswanderungen entvölkert. Am 15. Nov. 1631 ward sie durch die Sachsen besetzt, im Mai 1632 aber wieder von Wallenstein eingenommen. Am 30. Mai 1635 kam hier der Friede zwischen dem Kaiser und Kursachsen zu stande, und 5. Aug. 1648 überrumpelte der schwedische General Königsmark die Kleinseite von P. und räumte dieselbe erst nach geschlossenem Frieden. Während des österreichischen Erbfolgekriegs wurde P. 1741 durch die Bayern, Franzosen und Sachsen überrumpelt und 16. Sept. 1744 durch Kapitulation von Friedrich II. genommen, der es aber im November d. J. wieder räumte. Am 6. Mai 1757 lieferte Friedrich II. dem Prinzen Karl von Lothringen die Schlacht von P. (s. unten), mußte aber die Belagerung der Stadt infolge der Schlacht bei Kolin aufgeben. Im Juli und August 1813 fanden hier erfolglose Verhandlungen statt, um zwischen Österreich, Preußen und England einerseits und Frankreich anderseits den Frieden zu vermitteln. Ende Mai 1848 trat hier ein Slawenkongreß zusammen, welcher aber bei Dämpfung des am 11. Juni ausgebrochenen slawisch-demokratischen Aufstandes durch die bewaffnete Macht zerstob. Bei dieser Gelegenheit wurden die Alt- und die Neustadt von dem Fürsten Windischgrätz zwei Tage lang beschossen und dann der Belagerungszustand über die Stadt verhängt. Am 8. Juli 1866 wurde P. ohne Schwertstreich von den Preußen besetzt, und 23. Aug. wurde hier der Prager Friede unterzeichnet, welcher dem preußisch-österreichischen Krieg ein Ende machte. Tummelplatz der tschechischen Agitationen wurde P. wieder seit 1862, als der erste böhmische Landtag nach der neuen Verfassung zusammentrat und die Tschechen die Wiederherstellung der Wenzelskrone zum Ziel ihrer Bestrebungen machten. Die Gemeindeverwaltung von P. wurde aus Tschechen zusammengesetzt, welche die deutschen Bewohner nach Kräften terrorisieren, und der Übermut und die Streitlust der slawischen Bevölkerung machten sich bei jeder Gelegenheit in lärmenden Demonstrationen geltend. Vgl. Schottky, P., wie es war und ist (Prag 1831, 2 Bde.); Klutschak, Führer durch P. (13. Aufl., das. 1887); Tomek, Geschichte der Stadt P. (das. 1856 u. ff., noch nicht vollendet); Derselbe, Geschichte der Prager Universität (das. 1849); Frind, Gedenkbuch des 900jährigen Jubiläums des Bistums P. (das. 1874); "Statistisches, Handbuch der königl. Hauptstadt P." (das. 1882-86, 3 Bde.).

Die Schlacht bei P. 6. Mai 1757 war die zweite Schlacht im Siebenjährigen Krieg. Als Friedrich II. Ende April 1757 mit seinem Heer in Böhmen einrückte und seinen Marsch auf P. richtete, vereinigten die überraschten Österreicher unter dem Oberbefehl des Prinzen Karl von Lothringen rasch 60,000 Mann bei P. und nahmen auf der Ostseite der Stadt, auf dem Ziska- und dem Taborberg, eine nach ihrer Meinung unangreifbare Stellung, da sie im Norden in eine Schlucht steil abfiel und im Osten durch eine feuchte, von Bächen durchschnittene Niederung gedeckt wurde. Der König, der nach seiner Vereinigung mit Schwerin am Morgen des 6. Mai 64,000 Mann bei sich hatte, beschloß dennoch den sofortigen Angriff. Derselbe, von Schwerin befehligt, richtete sich vor allem gegen die rechte Flanke des Feindes. Zwar bot der sumpfige Boden dem Vordringen unerwartete Hindernisse; die österreichischen Batterien streckten die preußische Infanterie reihenweise zu Boden, und die-^[folgende Seite]

^[Abb.: Kärtchen zur Schlacht bei P. (6. Mai 1757)]