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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Russisches Reich

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Russisches Reich (Industrie).

Dorf Briantsewka, Produktion 1886: 6 Mill. Pud) und Slawiansk (Gouvernement Charkow) gewonnen. Siedesalz (aus Salzteichen) liefern die Salinen in den Gouvernements Perm, Charkow (Slawiansk), Jekaterinoslaw, in geringerer Menge Wologda, Archangel und Sibirien. Seesalz wird an den Küsten des Schwarzen, Asowschen und Kaspischen Meers, in den Kirgisensteppen und in Sibirien gewonnen. Die gesamte Salzausbeute betrug 1884: 62½ Mill. Pud (davon 52 Proz. Seesalz, 32 Proz. Siedesalz, 15,4 Proz. Steinsalz). Andre mineralische Produkte sind: Granit, der besonders in Finnland gefunden wird, aber auch im Ural, wo es auch Porphyr, Jaspis, Malachit, Achat, Marienglas und Edelsteine gibt; Bernstein findet sich an der Westküste Kurlands, Kalk und Porzellanerde in mehreren Gouvernements. Im ganzen hat die Entwickelung der russischen Montanindustrie mit der andrer europäischer Staaten nicht Schritt gehalten. Man strebt aber danach, Raubbau zu vermeiden und den Unternehmern die Begründung großer Anlagen mit der Aussicht auf längere Dauer zu erleichtern. Was die Gewinnung von Torf anlangt, so ist man trotz der großartigen Lager in der Ausbeutung derselben noch sehr zurück. Von Mineralquellen wären zu nennen: nördlich vom Kaukasus Pjätigorsk im Stawropolschen Gouvernement, Lipezk im Gouvernement Tambow, die Troizkischen Quellen im Gouvernement Orenburg, die Schwefelquellen zu Kemmern in Livland und zu Baldohn in Kurland, die von Sergiewsk im Gouvernement Samara, die Solquellen zu Staraja-Russa im Gouvernement Nowgorod und die zu Slawiansk im Gouvernement Charkow.

Industrie.

Die Industrie gliedert sich in Handwerk, Großindustrie und Hausindustrie. Über die Ausdehnung des erstern ist nichts Sicheres bekannt. Die Großindustrie wurde im europäischen Rußland (inkl. Polen) 1884 in 33,815 Fabriken mit 932,094 Arbeitern, die einen Produktionswert von 1521 Mill. Rub. erzeugten, betrieben. Pro Kopf des Arbeiters werden für 1632 Rub. (1879: 1498 Rub.) industrielle Gegenstände hergestellt. Ein beträchtlicher Teil der gesamten industriellen Leistungen entfällt auf die polnischen Gouvernements. Diese besitzen 12½ Proz. aller Betriebe, stellen 11 Proz. aller Arbeiter und liefern etwa 19½ Proz. des ganzen Erzeugniswertes. Auf das europäische Rußland kommen 27,235 Betriebe mit 826,794 Arbeitern und einem Produktionswert von 1329 Mill. Rub.; auf Polen entfallen 6580 Betriebe mit 105,300 Arbeitern und einem Produktionswert von 192 Mill. Rub. Im europäischen Rußland ragen die Gouvernements Moskau und St. Petersburg durch die industrielle Thätigkeit ihrer Bewohner hervor. In ersterm erzeugen 1943 Fabriken für 218 Mill. Rub., in letzterm 793 Anstalten für 159 Mill. Rub. industrielle Gegenstände. Hoch stehen auch die Gouvernements Wladimir und Kiew; dieses mit einem Produktionswert von 84 Mill. Rub., jenes mit einem Wert von 89 Mill. Rub. Diesen beiden steht das polnische Gouvernement Piotrkow mit einem Produktionswert von 83,6 Mill. Rub. nahe. Im eigentlichen Rußland folgen auf die vier genannten die Gouvernements Podolien, Charkow und Livland, welche für je 50, 48 und 44 Mill. Rub. Industrieartikel erzeugen. Stärker als in diesen drei ist die Industrie im Gouvernement Warschau entwickelt, in welchem für nahezu 55 Mill. Rub. produziert wird. Das Gouvernement Cherson bringt für 36 Mill. Rub. industrielle Gegenstände hervor und bildet den Übergang zu allen denen, in welchen die gewerbliche Thätigkeit ein weniger lebhaftes Tempo anschlägt, d. h. der Wert der Jahresproduktion zwischen 20 und 30 Mill. Rub. schwankt. Es sind die Gouvernements Saratow, Esthland, Perm, Tula, Kostroma, Jaroslaw, Jekaterinoslaw, Tambow, Orel, Kursk, Tschernigow u. Woronesh. In allen übrigen Gouvernements erscheint die Industrie schwach entwickelt, d. h. bleibt der Wert der Erzeugung unter 20 Mill. Rub., oder ist ganz unbedeutend, wie im Gebiet der Donischen Kosaken, in den Gouvernements Olonez, Astrachan, Archangel, Ufa, Suwalki und Radom. Eine besonders starke Ausdehnung der Produktion weisen in den letzten 40 Jahren auf: die Maschinen- und Eisenbahnwaggonfabrikation, die Wollspinnerei, die Tuchweberei, die Baumwollweberei, die Lederindustrie, die Verfertigung wollener und halbwollener Waren, die Färberei und Druckerei, die Baumwollspinnerei.

Die hauptsächlichsten Industriezweige sind gegenwärtig (a im europäischen Rußland, b in Polen):

Zahl der Fabriken Produktionswert in 1000 Rubel

a b a b

Baumwollenindustrie 661 240 171151 41075

Flachsindustrie 166 19 26347 3743

Seiden- und Stoffweberei 298 6 12205 442

Papierfabrikation 140 27 14697 1919

Chemische Industrie 610 37 21366 1516

Glasindustrie 206 30 9175 1135

Porzellan- u. Fayenceindustrie 42 8 3554 389

Wollenindustrie 789 362 76142 29356

Lederindustrie 3179 389 38098 6693

Färberei und Druckerei 658 65 57525 3727

Maschinenindustrie 261 66 39150 6910

Die industriellsten Gouvernements sind für Flachsspinnerei und Leinwandfabrikation: Kostroma, Wladimir, Jaroslaw, Petersburg, Polen, Twer, Wologda und Finnland; für Hanfspinnerei: Twer und Orel; für Seilerei und Taufabrikation: Petersburg, Jaroslaw und Cherson; für Baumwollspinnerei und Weberei: Moskau, Wladimir, Petersburg, Twer, Polen, Esthland und Livland; für Tuchfabrikation: Moskau, Grodno, Simbirsk, Livland, Polen, Esthland, Petersburg, Tschernigow und Pensa; für Seidenweberei: Moskau; für Papierfabriken, inkl. Tapeten und Dachpappen: Petersburg, Kaluga, Livland und Nowgorod; für Lederfabrikation: Wjatka, Kasan, Twer, Petersburg, Warschau, Orel, Tula, Moskau, Perm und Kaluga; für Stearinfabrikation: Petersburg, Kasan, Moskau und Warschau; für Rübenzuckerfabrikation: Kiew, Podolien, Charkow, Tschernigow und Polen; für Glasfabrikation: Wladimir. In den obigen Zahlen sind die der Entrichtung einer besondern Accise unterworfenen Fabriken nicht inbegriffen, nämlich die Branntweinbrennerei (im europ. Rußland 2033 Fabriken mit einer Produktion von 3½ Mill. hl Alkohol, in Polen 426 Fabriken und 320,000 hl), die Rübenzuckerindustrie (244 Fabriken in Rußland und Polen), die Tabaksindustrie (im europ. Rußland 413 Fabriken, in Polen 16) und die Bierbrauerei, über welche keine Angaben vorliegen.

Sehr rege entwickelt ist die Hausindustrie, worunter diejenige gewerbliche Thätigkeit zu verstehen ist, welche von den zugleich die Landwirtschaft pflegenden Personen nicht auf Bestellung von Kunden am Ort und für den lokalen Absatz, sondern für ein Geschäft oder für den Export, überhaupt für den Vertrieb im großen ausgeübt wird. Sie findet sich in allen Gouvernements, in welchen eine dichte Bevölkerung oder ein stark ausgesogener Boden den Bauern