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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Sahara

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Sahara (Pflanzen, Tiere, Mineralprodukte).

oder Steigen desselben um 20° im Lauf eines Tags ist zu jeder Jahreszeit das Gewöhnliche. So kann im Winter das Thermometer in Fezzan auf -3° C. fallen und noch an demselben Tag nachmittags auf +20° im Schatten steigen. Die stärkste in der S. vorkommende Kälte dürfte -3° bis -4° C. sein; dagegen steigt z. B. in Kauar während der heißen Jahreszeit das Thermometer nachmittags im Schatten auf mehr als +50° C. Lenz hatte in der Dünenregion mittags 45°, sonst durchschnittlich 28-30° C. im Schatten. Die Durchschnittstemperatur der ganzen S. läßt sich noch nicht ermitteln. Trotz der in einzelnen Gebieten herrschenden großen Hitze ist doch im allgemeinen das Klima ein gesundes. Die fast absolute Trockenheit der Luft übt keinen nachteiligen Einfluß auf die Gesundheit des Menschen aus, sie scheint vielmehr wohlthuend auf die Lungen zu wirken und sich sogar bei vorgeschrittener Tuberkulose als besonders heilsam zu erweisen.

[Naturerzeugnisse.] Die Meinung, daß die S. außerhalb ihrer Oasen des organischen Lebens fast ganz entbehre, hat zwar insofern guten Grund, als die Wüste wegen ihrer Wasserlosigkeit unbewohnbar ist und nur wenigen Tieren genügendes Futter bietet; aber man muß die Vorstellung zurückweisen, als ob es hier unermeßliche Räume gäbe, wo auch nicht ein Grashalm gedeihen könne. Allerdings zeigen die steinige Hamada und die Sanddünen des Areg oft weite Strecken, denen jeder Pflanzenwuchs fern bleibt; aber überall, wo Wadis einschneiden (und das ist so ziemlich durch die ganze S. der Fall), treten auch Gewächse auf, die freilich den armen Charakter der Wüstenflora zeigen. Vor allem ist aber die S. ausgezeichnet dadurch, daß sie (nach Grisebach) die Heimat der Dattelpalme ist, deren dicht geschlossene Wälder, Inseln im Ozean vergleichbar, allerdings durch die Kultur der Nomaden angepflanzt werden. Nur innerhalb des großen Wüstengebiets (Arabien und das Land bis zum Indus eingeschlossen) reift die Dattel. Neben ihr besitzt die Wüste auch eine Zwergpalme (Hyphaene Argun); von Bäumen werden sonst noch eingedrungene Mimosen und die vom Gestade des Mittelmeers eingewanderte, dem salzhaltigen Boden folgende Tamarix gallica bemerkt. Auf dem salzfreien Boden der Wüste sind es zuerst die blattlosen Sträucher der Spartium-Form (Retama, Calligonum, Epheda), welche hier in einer gewissen Mannigfaltigkeit des Wuchses und Blütenbaues auftreten. Durch die Trockenheit ihres Gewebes und die beschränkte Verdunstung der Oberfläche sind sie dem dürren Erdreich, in dem sie wurzeln, ganz entsprechend. Auf natriumhaltigem Boden zeigen sich die Halophyten. Einige unter diesen sind blattlose echte Sukkulenten (Halocnemum. Arthocnemum), wobei es bemerkenswert erscheint, daß nur solche Saftpflanzen, bei denen der Salzgehalt zu der Zurückhaltung des Wassers im Gewebe mitwirkt, das Klima der Wüste ertragen. Saftige Blätter an holzigen Achsenorganen gehören zu den häufigsten Erzeugnissen des Salzbodens der S., und die Salsoleen und Zygophylleen zeigen sich öfters. Die Reihe dieser Formen wird endlich durch verholzende Staticeen (Limoniastrum) und durch strauchartige Tamarisken geschlossen. Die Gräser der S. stimmen zum Teil mit jenen der asiatischen Steppen überein, und einige wachsen, wie dort, in großen, wenn auch vereinzelten Rasen (Pennisetum). Die starken Halme einer Stipacee (Aristida pungens) erreichen sogar eine Höhe von 2 m und sind als Kamelfutter eins der wichtigsten Wüstengräser. Die Austrocknungsfähigkeit, die schon bei den Gräsern, die selten befeuchtet werden, einen hohen Grad erreicht, hat bei zwei andern Erzeugnissen der S. allgemeine Aufmerksamkeit auf sich gezogen: es sind dies die sogen. Jerichorose (Anastatica hierochontica) und die eßbare Mannaflechte (Parmelia esculenta), welche, durch Stürme vom Boden losgerissen, als Mannaregen in kleinen erbsenähnlichen Stückchen niederfällt. Unter den Schutzmitteln der Pflanzen gegen das trockne Wüstenklima ist die häufige Bildung der Dornen und starke Bekleidung mit Haaren hervorzuheben. Dornig sind die meisten laubtragenden Sträucher (Zizyphus Alhagi) sowie auch einige Stauden (Cynareen). Die ungemein kurze Zeitdauer der vegetativen Prozesse, welche durch die Seltenheit der Niederschläge bedingt ist, gibt sich auch bei den Zwiebelgewächsen zu erkennen; sie sind in der S. selten und zeichnen sich auch durch die Kleinheit der unterirdischen Organe aus, deren Umfang von der Zeit abhängt, in welcher die Blätter thätig sind. Die Zwiebeln der für die S. charakteristischen Gattung Erythrostictus erreichen nur die Größe einer Kirsche. Einige Pflanzenformen der S. scheinen nur auf bestimmte Landschaften derselben beschränkt zu sein. Es sind dies zum Teil eingewanderte Gewächse aus dem Atlas und andern Grenzbezirken, wie die Oleanderform (Nerium, Rhus) und die Pistazien (Pistacia atlantica) der algerischen S. So wächst auch der Oschurstrauch des Sudân (Calotropis), allmählich an Häufigkeit abnehmend, längs der Karawanenstraße durch Fezzan bis Tripolis. Die einzigen annähernd vollständigen Pflanzenverzeichnisse aus der S. besitzt man von Ägypten und Algerien; aber nur die algerischen geben einen richtigen Maßstab für die Bestandteile der Flora, da der Nil zu viel Fremdartiges herbeiführt. Cosson schätzt die Zahl der in der algerischen S. einheimischen Gewächse auf 500 Arten.

In zoologischer Beziehung ist die S. nach Wallace ein strittiges Land, da dieselbe von N. wie von Süden her bevölkert wurde. Ihr nördlicher Teil gehört nämlich der Mittelmeerfauna an, während der südliche den Charakter der ostafrikanischen Fauna trägt. Die Grenzlinie zwischen den beiden zoologischen Provinzen verläuft etwa mit dem Wendekreis. Die Antilopenarten, welche die Savannen der südafrikanischen Hochflächen bevölkern, kommen hier nur in wenigen Arten und in kleinen Trupps vor, während im O. von Wiederkäuern die Giraffen am häufigsten sind. Größere Raubtiere, namentlich Löwen, sind nicht Bewohner des Innern der S., wo sie weder die zu ihrer Existenz nötige Fleischnahrung noch zureichend Wasser finden. Doch findet man den mähnenlosen Löwen häufig in Aïr. Von wilden Säugetieren gibt es außer den genannten Wiederkäuern nur wilde Esel, Hasen und Feneks (Wüstenfüchse), von Vögeln Strauße und in der Nähe der östlichen Oasen Krähen; von Amphibien in den dürren Strecken Vipern, an den flachern Stellen zunächst der Küste sehr viel Austern. In den Sümpfen des Ahaggargebirges fand v. Bary Krokodile, als letzte Überbleibsel aus den Zeiten einer größern Wasserverbreitung; von Insekten Heuschrecken, die den Nomaden überall zur Speise dienen, endlich zahllose lästige Fliegen. Von Mollusken erscheinen in manchen Strecken, am meisten im O. bei Siwah, unermeßliche Anhäufungen einer weißen, zur Gattung Helix gehörenden Landschnecke. Von gezähmten Tieren ist das Kamel das häufigste und zwar ausschließlich das einbucklige. Außerdem besitzt die Bevölkerung Rinder, vortreffliche Pferde und Ziegen, die Tuareg treffliche Schafe mit Fettschwänzen. An Mineralprodukten ist