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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Sienaerde; Sienkiéwicz; Sierck; Sierenz; Sierra; Siérra Leone

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Sienaerde - Sierra Leone.

dem Alten und Neuen Testament). Von hoher Bedeutung für die Entwickelung der Skulptur ist die 1268 vollendete Kanzel von Niccolò Pisano. Bemerkenswert sind außerdem: das Bronzetabernakel im Chor, der Hochaltar, das Altarbild von Duccio (1310), mehrere reich geschmückte Kapellen, der schöne Saal der Libreria, welcher 10 ausgezeichnete Fresken Pinturicchios aus dem Leben Pius' II. und 29 reich ausgestattete Chorbücher mit schönen Miniaturen enthält. Unter dem Chor der Kirche befindet sich die Unterkirche San Giovanni mit berühmtem Taufbrunnen (von 1428). In der Dombauhütte (Casa dell' Opera) befinden sich die Originalskulpturen der Fonte Gaja, eine schöne antike Marmorgruppe der drei Grazien u. a. Mittelpunkt der Stadt ist der in der Form einer antiken Schaubühne angelegte Marktplatz (Piazza Vittorio Emmanuele), eine ehemals den republikanischen Volksversammlungen geweihte Gemeindearena (jetzt noch Schauplatz der Pferderennen), mit der Fonte Gaja (von Giacomo della Quercia), dem stattlichen Palazzo pubblico auf der Südseite (1297-1327, mit hohem Turm, im Innern mit schönen Fresken), der mit Statuen geschmückten Loggia dei Nobili, dem herrlichen Palazzo del Governo (mit bedeutendem Staatsarchiv) und der marmornen Loggia del Papa hinter letzterm. Andre kunstgeschichtlich interessante kirchliche Gebäude sind: die Kirche der in S. gebornen heil. Katharina mit schöner Frührenaissancefassade; San Domenico mit Gemälden von Soddoma, einem Marmorciborium u. a.; San Cristoforo mit vorzüglicher Madonna von Pacchia; die stattliche Kirche Madonna di Provenzano; Fontegiusta mit prachtvollem Marmortabernakel; Santo Spirito mit der schönen von Soddoma ausgemalten Cappella degli Spagnuoli u. a. Hervorragende Paläste sind außer den schon erwähnten: der Palazzo del Magnifico (von 1508) mit schönen bronzenen Fahnenhaltern an der Fassade; der Palazzo Tolomei (von 1205); die Paläste Saracini (14. Jahrh.), Buonsignori, Piccolomini. Endlich ist das nahe am westlichen Thor gelegene, durch Dante verherrlichte Brunnenhaus Fontebranda, eine offene Spitzbogenhalle mit Zinnen, zu erwähnen. Die Zahl der Einwohner beträgt (1881) 23,445, welche Seidenweberei, Tuch- und Hutfabrikation und Handel mit Wein und Öl betreiben. An wissenschaftlichen Anstalten besitzt S.: eine 1321 gegründete, aber schwach besuchte Universität (1883/84: 161 Studierende) mit juristischer und medizinischer Fakultät, ein königliches Lyceum, ein Gymnasium und eine technische Schule, ein Konviktkollegium, ein Seminar, ein Institut der schönen Künste (mit Gemäldesammlung, reich an Werken der alten Sieneser Schule), ein naturhistorisches Museum, eine Stadtbibliothek mit etwa 50,000 Bänden und 5000 Manuskripten; ferner mehrere Wohlthätigkeitsinstitute. S. ist der Sitz eines Erzbischofs, eines Präfekten, eines Tribunals, einer Finanzintendanz und einer Handelskammer. Der beliebteste Spaziergang von S. ist die am Nordende der Stadt befindliche Anlage La Lizza. - S. hieß bei den Römern Sena Julia und erhielt unter Augustus eine Kolonie (Colonia Senensis). Unter den Langobarden war S. Sitz eines obersten Beamten (Gastalden), im Mittelalter Hauptstadt eines ansehnlichen, aber durch Parteiungen vielfach zerrissenen Freistaats und das Haupt der ghibellinischen Städte in Mittelitalien; es zählte damals gegen 100,000 Einw. Am 3. Sept. 1260 erfochten die Sienesen über die Florentiner den glänzenden Sieg von Montaperto. Nachdem S. aber durch Cosimo I., Herzog von Florenz und nachmaligen Großherzog von Toscana, seiner republikanischen Freiheiten beraubt und 1557 mit Florenz vereinigt worden war, sank es so sehr herab, daß es kaum noch 10,000 Einw. zählte. Vgl. Romagnoli, Cenni storico-artistici di S. (2. Aufl. 1840); Andreucci, S. e la sua provincia (Siena 1886).

Sienaerde, s. Bolus.

Sienkiéwicz (spr. -witsch), Heinrich, der bedeutendste poln. Romanschriftsteller der Gegenwart, geb. 1845, studierte an der Warschauer Universität, trat schon 1872 mit seiner ersten humoristischen Novelle: "Niemand ist Prophet in seinem Vaterland", hervor und wurde 1876 durch seine unter dem Pseudonym Litwos in der Warschauer "Gazeta Polska" veröffentlichten, ungemein interessanten amerikanischen Reisebriefe in den weitesten Kreisen bekannt. Er veröffentlichte sodann eine Reihe von Novellen, welche ein ungewöhnliches Talent in realistischer Auffassung und Darstellung bekundeten und allgemeines Aufsehen erregten. Am bemerkenswertesten darunter sind: "Hania", "Kohlenzeichnungen", "Janko der Musikant", "Za chlebem", "Bartek zwycięzca" etc. Das Gebiet des historischen Romans betrat S. 1880 mit "Niewola tatarska", darauf errang er mit dem großen Roman "Mit Feuer und Schwert", der wie die meisten frühern Werke ins Deutsche, Französische, Russische etc. übersetzt wurde, einen außerordentlichen Erfolg und hat auch in den nachfolgenden: "Potop" ("Sintflut", 1886) und "Wołodyjowski" (1887) die hochgespannten Erwartungen vollkommen erfüllt. Alle drei Romane spielen im 17. Jahrh. auf dem blutigen Hintergrund der Kriege mit den Kosaken, Schweden und Türken und übertreffen an Kraft, Erfindungsgabe und glänzendem Stil alles, was bisher auf diesem Gebiet in der polnischen Litteratur geleistet wurde. S. lebt in Warschau und hat in den letzten Jahren weite Reisen nach Spanien, dem Orient etc. unternommen. In seiner neuesten Novelle: "Ta trzecia" (1888), ist S. wieder zu einem sozialen Stoff aus der Gegenwart zurückgekehrt.

Sierck, Kantonshauptstadt im deutschen Bezirk Lothringen, Kreis Diedenhofen, an der Mosel und der Eisenbahn Diedenhofen-S., hat eine kath. Kirche, eine Schloßruine, ein Amtsgericht, eine Oberförsterei, Leder- und Porzellanfabrikation, Obst- und Weinbau, Quarzitsteinbrüche und (1885) 1179 Einw.

Sierenz, Dorf im deutschen Bezirk Oberelsaß, Kreis Mülhausen, an der Eisenbahn Straßburg-Basel, hat eine kath. Kirche, ein Amtsgericht, Obst- und Weinbau und (1885) 1251 Einw.

Sierra (span., portugies. Serra, "Säge"), s. v. w. Gebirgskette.

Siérra Leone, brit. Kolonie in Oberguinea (Westafrika), zwischen dem 7. und 9.° nördl. Br., begrenzt im N. von der französischen Kolonie Rivières du Sud, im Süden von der Negerrepublik Liberia, während nach dem Innern zu die Grenzen unbestimmt sind, doch wird das Areal auf 2600 qkm (47 QM.) berechnet. Der Name kommt ursprünglich nur der Halbinsel zu, welche vor der Mündung des ziemlich weit aufwärts schiffbaren Rokelle sich ins Meer erstreckt. Im Süden ist der Bum Kittam eine benutzbare Wasserstraße. Vor seiner Mündung liegt die große Insel Sherboro, viel kleiner sind die Inseln Yellaboi, Matacong u. die Losinseln. Die Bevölkerung (1881: 60,546) besteht zum größten Teil aus den Nachkommen befreiter Sklaven (35,400), sodann aus den Angehörigen der verschiedensten Stämme Afrikas und sehr wenigen (163) Europäern, welche als Beamte, Offiziere einer 400 Mann starken westindischen Truppe