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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Soda

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Soda (Darstellung der Rohsoda).

peratur der Inhalt sich vollständig in Sulfat verwandelt, während Salzsäuredämpfe entweichen. Die schweflige Säure durchströmt einen Cylinder nach dem andern, welche in derselben Reihenfolge fertig und neu beschickt werden. Bei diesem Verfahren wird also die Schwefelsäurefabrikation vollständig erspart, und die Kondensation der sehr gleichmäßig sich entwickelnden Salzsäure gelingt nicht schwieriger als bei Anwendung von Flammöfen.

Das Sulfat besteht aus 96-97 Proz. schwefelsaurem Natron, 1,5-2 Proz. Schwefelsäure, 0,5-1 Proz. Kochsalz und etwas Eisenoxyd. Um es in S. zu verwandeln, schmelzt man es mit 90-120 Proz. gröblich zerkleinertem Kalkstein (Kreide etc.) und 40-75 Proz. Steinkohlenklein im Flammofen. Dieser hat stets zwei Arbeitssohlen (Herde), von denen die eine, von der Feuerbrücke entferntere etwas höher liegt. Die Herde sind verhältnismäßig klein und nur auf eine Beschickung von ca. 400 kg eingerichtet. In dem Sodaofen (Fig. 3-5) ist a der Feuerraum mit den Rosten, b die hohle Feuerbrücke mit dem Luftkanal c; die Beschickung wird durch den Füllrumpf f auf den Herd e gebracht, von welchem sie später nach d gelangt. Jeder Herd besitzt eine Arbeitsthür mit abbalancierter Verschlußplatte. An den Ofen schließt sich eine Verdampfpfanne g an, welche durch Oberfeuer geheizt wird. Sie besitzt zwei oder mehr Arbeitsthüren zum Ausräumen, und vor denselben steht das Salzfilter h mit Siebboden i. In einer Aussackung des Filters steht die Mutterlaugenpumpe k. Die Beschickung wird 40 bis 50 Minuten auf dem Herd e vorgewärmt, dann in etwa gleicher Zeit auf dem Herde d zu ziemlich heftiger Weißglut gebracht und fleißig durchgearbeitet. Zuerst entwickelt sich aus der Masse Kohlensäure, dann brechen Kohlenoxydflammen hervor, und sobald diese reichlicher auftreten und die Masse steifer geworden ist, wird sie in eiserne Wagen gezogen und nach dem Erstarren aus diesen herausgestürzt. Die erhaltenen Brote (Bälle) bilden die Rohsoda. Durch eine Abänderung in der Beschickung vermeidet man die Bildung von Cyanverbindungen, welche als Ferrocyannatrium in die S. übergehen und dieselbe beim Kalcinieren durch Ausscheidung von Eisenoxyd rot färben. Ebenso läßt sich durch Zusatz von etwas Kalksteinstaub im letzten Augenblick das in der Schmelze vorhandene Schwefelnatrium zerstören, so daß man sehr reine Laugen gewinnt.

Große Vorteile gewähren die rotierenden Sodaöfen, welche die Bewältigung größerer Massen gestatten und eine vollständigere Zersetzung des Sulfats sichern. Einen solchen Ofen zeigen Fig. 6-7, die Vorderansicht desselben nebenstehende Textfigur. a ist der Feuerraum, aus welchem die Flamme in den rotierenden Cylinder b schlägt. Dieser läuft mit Gußstahlbandagen cc auf den Scheiben dd. Auf ein Zahnrad e, welches den Cylinder umgibt, wirkt das Vorgelege der Dampfmaschine f und versetzt dadurch den Cylinder in Rotation. Innen ist der Cylinder mit feuerfesten Steinen ausgekleidet. An die Austrittsöffnung des Cylinders schließt sich die Flugstaubkammer g, von welcher aus die Flamme zwei Abdampfpfannen hh bestreichen kann, und vor dieser stehen die Salzfilter ii mit der Mutterlaugenpumpe k. Über dem Ofen befindet sich eine Eisenbahn, und auf dieser laufen Wagen, aus welchen die Beschickung in den Cylinder gestürzt wird. Eine Eisenbahn unter dem Ofen dient zur Entleerung des Cylinders. Ein rotierender Ofen leistet soviel wie 3-4 Handöfen.

Die erhaltene Rohsoda bildet eine blasige, schlackenartige, steinharte, blaugraue Masse mit eingesprengten Koksstückchen und ist im wesentlichen ein Gemenge aus (36-40 Proz.) kohlensaurem Natron, Schwefelcalcium u. Kalk. Über den Sodabildungsprozeß sind sehr zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen angestellt worden, ohne daß bis jetzt vollkommene Einsicht erlangt worden wäre. Man kann annehmen, daß das schwefelsaure Natron durch die Kohle unter Bildung von Kohlensäure in Schwefelnatrium, der kohlensaure Kalk durch die Kohle unter Bildung von Kohlenoxyd in Kalk verwandelt wird. Kalk und Kohlensäure setzen sich dann mit dem Schwefelnatrium zu kohlensaurem Natron und Schwefelcalcium um. Die Rohsoda enthält aber auch Natriumoxyd, Calciumoxyd, Reste von unzersetztem Sulfat, Chlornatrium und kohlensaurem Kalk, Verunreinigungen der Rohmaterialien, wie Kieselsäure, Thonerde, Magnesia etc., dann auch Cyan- und Schwefelcyanverbindungen, Ammoniakverbindungen, Schwefeleisen, Schwefelnatrium, unterschwefligsaures Natron etc. Sie nimmt an der Luft Feuchtigkeit auf und zerfällt unter Bildung von Ätzkalk und kohlensaurem Kalk. Das Schwefelcalcium zersetzt sich in kohlensauren Kalk und Schwefelwasserstoff, auch bildet sich Calciumsulfhydrat, welches beim Auslaugen Schwefelnatrium erzeugt. Gleichzeitig wird schwefelsaures Natron gebildet. Man läßt deshalb die Rohsoda nur zwei Tage an der Luft liegen, zerschlägt sie in handliche Stücke und laugt sie kalt in solcher Weise aus, daß man möglichst konzentrierte Laugen erhält. Das Auslaugen geschieht systematisch in einer Reihe von Kasten, und das Wasser tritt stets zunächst zu schon fast vollständig erschöpfter, zuletzt aber zu ganz frischer Masse, um sich möglichst vollständig zu sättigen. Der völlig erschöpfte erste Kasten wird neu beschickt und reiht sich nun dem letzten an, während das Wasser zunächst in den zweiten Kasten tritt, bis auch dieser erschöpft ist, etc. Eine Dampfleitung gestattet, die Lauge auf etwa 40° zu erwärmen. Aus dem letzten Kasten fließt Lauge von 27° B. ab, welche neben kohlensaurem Natron viel Ätznatron, außerdem Schwefelnatrium u. Schwefeleisennatrium, schwefligsaures, unterschwefligsaures u. schwefelsaures Natron, Chlornatrium, Natriumeisencyanür und Schwefelcyannatrium etc. enthält. Man verdampft sie in den erwähnten Pfannen mit Oberfeuerung unter Zufluß von

^[Abb.: Vorderansicht des rotierenden Sodaofens.]