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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Staatenbund; Staateninsel; Staatsadreßbuch; Staatsangehörigkeit; Staatsanleihen; Staatsanwalt

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Staatenbund - Staatsanwalt.

das Deutsche Reich bildet die Gesamtheit jener Rechtsgrundsätze das Reichsstaatsrecht. Das Staatsleben dagegen bildet den Gegenstand der Politik (s. d.), während die rechtlichen Beziehungen mehrerer selbständiger Staaten untereinander sich nach dem Völkerrecht (s. d.) bestimmen. Vgl. Waitz, Das Wesen des Bundesstaats (in seinen "Grundzügen der Politik", Kiel 1862); Jellinek, Die Lehre von den Staatenverbindungen (Wien 1882); Brie, Der Bundesstaat (Leipz. 1874); Derselbe, Theorie der Staatenverbindungen (Stuttg. 1886).

Staatenbund, Staatensystem, s. Staat.

Staateninsel, die östlichste Insel des Feuerlandes, von der Hauptinsel durch die 60 km breite Le Maire-Straße getrennt, hat steile, von Baien tief eingeschnittene Küsten, steigt bis 900 m an und ist fast das ganze Jahr durch mit Schnee bedeckt. Nahe ihrem Ostende liegt St. John's Hafen. Die Insel wurde 1616 von Schouten zu Ehren der "Staaten" (Stände) der Niederlande benannt.

Staatsadreßbuch, s. Staatshandbuch.

Staatsangehörigkeit (Heimatsrecht, Indigenat), die Eigenschaft als Unterthan in einem bestimmten Staatswesen. Im Bundesstaat ist der Staatsangehörige einer doppelten Herrschaft unterworfen; er steht unter der Staatsgewalt des Einzelstaats, welchem er angehört, und er ist der Bundes-(Reichs-) Gewalt untergeordnet, welche in dem Gesamtstaat besteht, welchem jener Einzelstaat zugehört. So ergibt sich für die Angehörigen des Deutschen Reichs eine S. oder ein Landesindigenat und eine Reichsangehörigkeit oder ein Bundesindigenat (s. d.). Die Reichsangehörigkeit setzt die S. in einem deutschen Einzelstaat voraus, sie wird mit der S. erworben und endigt mit derselben. Nach dem Bundes-(Reichs-) Gesetz vom 1. Juni 1870 über den Erwerb und Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit wird die S., mit welcher also die Reichsangehörigkeit von selbst verbunden ist, erworben durch Abstammung von einem inländischen Vater und für uneheliche Kinder durch die Geburt von einer dem betreffenden Staat angehörigen Mutter, auch durch die nachfolgende Legitimation seitens des natürlichen Vaters; sodann seitens einer Ehefrau durch deren Verheiratung mit einem Staatsangehörigen und endlich für den Angehörigen eines Bundesstaats durch dessen Aufnahme in einen andern (Überwanderung) und für Ausländer oder Nichtdeutsche durch die Naturalisation (Einwanderung) derselben. Beides, Aufnahme u. Naturalisation, erfolgt durch die höhere Verwaltungsbehörde des betreffenden Staats und zwar die Aufnahme kostenfrei. Der Hauptunterschied zwischen Aufnahme und Naturalisation besteht darin, daß die Aufnahme jedem Angehörigen eines andern Bundesstaats erteilt werden muß, wenn er darum nachsucht und zugleich nachweist, daß er in dem Bundesstaat, in welchem er um die Aufnahme nachsucht, sich niedergelassen habe; es müßte denn einer der Fälle vorliegen, in welchen nach dem Freizügigkeitsgesetz die Abweisung eines Neuanziehenden oder die Versagung der Fortsetzung des Aufenthalts als gerechtfertigt erscheint. Dagegen besteht keine Verpflichtung zur Naturalisation eines Ausländers, deren allgemeine Voraussetzungen Dispositionsfähigkeit, resp. Zustimmung des gesetzlichen Vertreters, Unbescholtenheit, Wohnung am Orte der Niederlassung und die Fähigkeit, sich und seine Angehörigen ernähren zu können, sind. Bei Staats-, Kirchen- und Gemeindedienern vertritt die Bestallung die Aufnahme- oder die Naturalisationsurkunde. Die S. geht verloren durch zehnjährigen ununterbrochenen Aufenthalt im Ausland, es sei denn, daß sich der Betreffende im Besitz eines Reisepapiers oder Heimatscheins befindet; durch Verheiratung einer Inländerin mit einem Ausländer oder mit einem Angehörigen eines andern Bundesstaats sowie bei dem unehelichen Kind einer inländischen Frauensperson durch die Legitimation seitens des ausländischen Vaters. Außerdem geht die S. verloren durch die Entlassung, welche unbedenklich zu erteilen ist, wenn der zu Entlassende in einem andern deutschen Staate die S. erworben hat. Die Entlassung ist gegenüber Wehrpflichtigen vom vollendeten 17. bis zum 25. Lebensjahr zu beanstanden, desgleichen Militärpersonen und den zum aktiven Dienst einberufenen Reservisten und Landwehrleuten gegenüber. Ferner kann ein Deutscher der S. und damit auch der Reichsangehörigkeit für verlustig erklärt werden, wenn er ohne Erlaubnis seiner Regierung in fremde Staatsdienste tritt, oder wenn er im Fall eines Kriegs oder einer Kriegsgefahr im Ausland sich aufhält und einer Aufforderung zur Rückkehr innerhalb der hierzu gesetzten Frist keine Folge leistet. Dagegen geht die S. nicht dadurch verloren, daß man in einem andern Staat naturalisiert wird, wie dies in Frankreich der Fall ist. Deutschen, welche ihre S. durch zehnjährigen Aufenhalt im Ausland verloren haben, kann die S. in dem frühern Heimatstaat wieder verliehen werden, auch wenn sie sich in diesem Heimatstaat nicht wiederum niederlassen, wofern sie keine anderweite S. erworben haben. Sie muß ihnen wieder verliehen werden, wenn sie sich dort wieder niederlassen, selbst wenn sie inzwischen eine anderweite S. erworben haben sollten. Übrigens wird jene zehnjährige Frist durch Eintrag in die Matrikel eines Reichskonsuls auf weitere zehn Jahre unterbrochen. Die Bescheinigung über die S. heißt Staatsangehörigkeits-Ausweis (Heimatschein). Vgl. v. Martitz, Das Recht der S. im internationalen Verkehr (Leipz. 1875); Folleville, Traité de la naturalisation (Par. 1880); Cahn, Das Reichsgesetz über die Erwerbung und den Verlust der Reichs- und S. (Berl. 1889).

Staatsanleihen, s. Staatsschulden.

Staatsanwalt, der zur Wahrnehmung des öffentlichen Interesses in Rechtssachen und insbesondere in Untersuchungssachen bestellte Staatsbeamte; Staatsanwaltschaft (ministère public), die hierzu geordnete ständige Behörde. Dem Altertum war das Institut der Staatsanwaltschaft fremd. Man überließ es dem Verletzten oder seinen Familiengenossen, gerichtliche Genugthuung zu suchen, und nur zuweilen traten Redner mit einer öffentlichen Anklage hervor, ohne daß sie von Staats wegen dazu veranlaßt waren. Der Ursprung der S. ist in Frankreich zu suchen, woselbst die heutigen Staatsanwalte aus den fiskalischen Beamten (gens du roi, avocats généraux, procureurs du roi) hervorgingen, welche die königlichen Gerechtsame bei den Gerichten wahrnahmen und die fiskalischen Interessen zu vertreten hatten. Aber schon im Mittelalter wurde diesen Beamten auch die Wahrnehmung der öffentlichen Interessen verbrecherischen Handlungen gegenüber übertragen, und so entwickelte sich in Frankreich die strafprozessualische Thätigkeit der Staatsanwaltschaft als die hauptsächlichste, wenn auch nicht ausschließliche Berufssphäre derselben. Nach heutigem französischen Recht, wie dasselbe namentlich durch das Organisationsgesetz Napoleons I. vom 20. April 1810 normiert ist, gilt nämlich der S. überhaupt als Wächter des Gesetzes. Er tritt daher auch in bürgerlichen Rechts-^[folgende Seite]