Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Vereinigte Staaten von N.-A.

113

Vereinigte Staaten von N.-A. (Handel).

geworden sind, so hat sich thatsächlich die Lage des Arbeiters verschlimmert, und infolgedessen ist auch Amerika von sozialkommunistischen Bewegungen nicht befreit geblieben.

In den meisten Fabrikzweigen wird Vorzügliches geleistet, und die Erfindungsgabe der Amerikaner, seit 1790 durch ein Patentgesetz aufgemuntert, hat ihrer Industrie wesentliche Dienste geleistet, indem sie amerikanische Fabrikanten trotz der höhern Löhne in den Stand setzte, ihren europäischen Konkurrenten wenigstens in einigen Branchen die Spitze zu bieten. Rühmlich bekannt sind amerikanische Waffen, landwirtschaftliche Geräte, Nähmaschinen und die Produkte der Presse. Die 1005 Eisen- und Stahlwerkebeschäftigten 1880: 140,978 Arbeiter und produzierten 3,781,021 Ton. Roheisen und 1,058,314 T. Stahl, aber 1887 (bei 582 Hochöfen) 7,187,206 T. Roheisen und 3,258,605 T. Stahl. Auch Panzerplatten, die man früher von England bezog, werden jetzt in Pennsylvanien hergestellt. Eisengießereien und Maschinenbauwerkstätten beschäftigten 1880: 145,351 Arbeiter. Außerdem fanden Beschäftigung 34,526 Grobschmiede, 26,248 Weißschmiede, 16,801 Arbeiter in Kurzwaren, 11,319 Messing- und Kupferschmiede und 10,519 Messerschmiede. Die 3071 Baumwoll- und Wollfabriken beschäftigten 292,894 Arbeiter, waren mit 12,710,547 Spindeln und 279,719 Webstühlen ausgestattet und lieferten Waren im Wert von 405 Mill. Doll. (Wollwaren 194 Mill.). In beiden Zweigen nimmt Massachusetts den ersten Rang ein, bei der Wollindustrie ist aber außerdem Pennsylvanien stark beteiligt. Dazu kamen 382 Seidenfabriken (31,337 Arbeiter), 470 Fabriken für gemischte Stoffe (43,373 Arbeiter), 359 Strumpfwebereien (28,875 Arbeiter), 195 Teppichfabriken (20,371 Arbeiter) und 191 Druck- und Appreturwerke (16,688 Arbeiter). Insgesamt beschäftigten demnach die genannten Textilfabriken 433,538 Arbeiter und lieferten Waren im Wert von 606 Mill. Doll. Die chemischen Fabriken (29,520 Arbeiter, Produkte 117 Mill. Doll.) waren am zahlreichsten in New York. Was Lebensmittel und Artikel des Konsums betrifft, so waren am wichtigsten die Mahlprodukte (505 Mill. Doll.), Fleischwaren (304 Mill. Doll.), Zucker (156 Mill. Doll.), Tabak (117 Mill. Doll.), Bier (111 Mill. Doll. in 2191 Brauereien), Spirituosen (41 Mill. Doll.), Käse und Butter (26 Mill. Doll.), eingemachte Früchte (18 Mill. Doll.). Die von 186,005 Arbeitern, namentlich in New York, hergestellten Kleider hatten einen Wert von 242 Mill. Doll., die Schuhe von 197 Mill. Doll. Wichtig sind ferner noch folgende Industriezweige, sämtlich mit Produkten von über 25 Mill. Doll. im Wert: Säge- und Hobelmühlen (270 Mill. Doll.), Lederfabrikation (185 Mill. Doll.), Schreinerei, Druckerei, Wagenbau, Bäckerei, Möbelschreinerei, Papierfabrikation, Schiffbau, Sattlerei, Faßbinderei, Steinmetzarbeiten, Backsteinbrennerei, Seife- und Lichtefabrikation. Geringer im Wert, aber immerhin von Bedeutung sind die Glasindustrie und der Bau von Nähmaschinen, Pianos und Orgeln.

Handel.

Wie schon oben angedeutet, hängt diese Entwickelung der Industrie innig mit dem Handelssystem, das von jeher als politische Interessenfrage behandelt wurde, zusammen. Bis zum Jahr 1846 walteten die Grundsätze des Freihandels, die dem fast nur Rohstoffe produzierenden Süden und dem Westen am vorteilhaftesten erschienen. Von da an bis 1860 hielten sich die Plantagenbauer und die Fabrikanten des Nordens so ziemlich das Gleichgewicht; ein Vergleich zwischen ihnen kam indes zu stande, und mäßige Eingangszölle wurden eingeführt. Als aber der Süden dem Norden unterlegen war, benutzten die Fabrikanten des Nordens seine Ohnmacht und führten, nur mit Rücksicht auf ihre eignen Interessen, ein System des Schutzzolls ein, wie es schroffer in keinem Staate der Welt existiert. Der 1861 eingeführte Zolltarif besteuert nicht nur Manufakturwaren, sondern auch die Mehrzahl der Rohstoffe, so daß selbst manchen Zweigen der eignen Industrie, so namentlich dem Schiffbau, tiefe Wunden geschlagen wurden. Bis 1866 ließen sich diese Schutzzölle einigermaßen durch die fast sämtlichen einheimischen Gewerben auferlegten Gewerbesteuern rechtfertigen; seit jener Zeit aber sind nur noch Tabak und Spirituosen einer Gewerbesteuer unterworfen, und es sind bloß einige Tausende von Industriellen, die den Löwenanteil des Vorteils aus denselben ziehen. Zollfrei sind nur Thee und Kaffee, Chemikalien, Früchte, Häute, Rohseide, Gummi, Zinn und einige andre unbedeutende Artikel.

Der Handel und namentlich der Binnenhandel spielt in einem Land von der Ausdehnung der Vereinigten Staaten eine ungemein wichtige Rolle und wird gefördert durch natürliche und künstliche Verkehrswege. Zu erstern gehört der Vater der Ströme, der Mississippi, nebst einer stattlichen Reihe von Flüssen, auf denen lebhafter Verkehr stattfindet, sodann das System der Kanadischen Seen; zu letztern ein großartig entwickeltes System von Eisenbahnen und eine Reihe von Kanälen. Über den Wert der Ein- und Ausfuhr gibt die folgende Tabelle für die letzten 13 Jahre Aufschluß (Wert in Dollars):

Jahr Einfuhr Waren Einfuhr Gold u. Silber Ausfuhr Waren Ausfuhr Gold u. Silber

1875 533005100 20901000 513443000 92132000

1880 667953302 93034310 823946353 9347893

1885 577527329 43242323 726682946 24376110

1886 635436036 38593656 665964529 51924117

1887 692319768 60170792 703022923 22710340

1888 723957114 59337986 683862104 33195504

Warenein- und Ausfuhr setzten sich 1887/88 wie folgt zusammen:

Einfuhr Dollar

Lebensmittel und Tiere 220786451

Rohstoffe 174270070

Fabrikwaren 232920867

Luxusartikel 95979726

Zusammen: 723957114

.

Ausfuhr Dollar

Landwirtschaftliche Produkte 500840086

Fabrikwaren 130300087

Bergbauprodukte 17993895

Waldprodukte 23991092

Fischereiprodukte 5518552

Alles andre 5218392

Zusammen: 683862104

Aus dieser Zusammenstellung geht recht deutlich hervor, daß bei der Ausfuhr die landwirtschaftlichen Erzeugnisse eine hervorragende Rolle spielen, aber wenn wir auf eine Reihe von Jahren zurückgehen, dann finden wir, daß sie immer mehr von den Fabrikwaren verdrängt werden. Im J. 1880 bildeten sie noch 83 Proz. der Ausfuhr, 1887/88 aber nur 73 Proz.

Bei der Einfuhr 1887/88 spielen die wichtigste Rolle: Zucker (79,760,891 Doll.), Kaffee (60,507,630 Doll.), Eisen- und Stahlwaren (48,992,757 Doll.), Wollwaren (47,719,393 Doll.), Flachs, Hanf, Jute und Fabrikate daraus (41,605,493 Doll.), Chemikalien (39,015,949 Doll.), Seidenwaren (33,350,999 Doll.), Häute und Pelzwerk (30,674,683 Doll.), Baumwollwaren (28,917,799 Doll.), Früchte und Nüsse (20,502,223 Doll.), Rohseide (19,931,682 Doll.), Gummi und Guttapercha (16,067,262 Doll.), Wolle, Tabak, Holz und Holzwaren, Thee u. Juwelierwaren.