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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Walachei

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Walachei (Geschichte).

Ungarn und Moldauer, wurde Tzepesch gezwungen, ebenso wie früher die Gebiete der südlichen und der untern Donau von der W. aufgegeben worden waren, nun auch den Distrikt Putna am Milkow der Moldau abzutreten. Tzepesch erneuerte 1460 unter erschwerten Bedingungen den Vertrag von 1411 mit den Türken. Unter Radu Calugeru (1496) fällt der erste Versuch des Patriarchats zu Konstantinopel (Patriarch Nifon), die Kirche der W. sich unterthänig zu machen. Diese Bemühungen wurden fortgesetzt unter dem frommen Neagoe (1512), der die schöne (vom König Karl 1886 restaurierte) Kirche von Curtea de Argesch erbaute. Nach dem Tod seines Nachfolgers Radu von Afumatzi, der während seiner kurzen Regierung (1521-29) in 20 großen und kleinen Schlachten über Türken und Ungarn siegte, brach die Widerstandskraft der W. zusammen. In den folgenden 64 Jahren (1529-93) mischten sich die Türken zum erstenmal direkt in die innern Angelegenheiten der W. und setzten die Fürsten nach Gutdünken ab und ein.

Von 1593 bis 1714 sind fünf Fürsten: Michael der Tapfere (1593-1601), Matthias Basarab (1633 bis 1654), der letzte Basarab, Konstantin Scherban (1654-58), Scherban Kantakuzenos (1679-88) und Konstantin Brankowan (1688-1714) bemerkenswert. Michaels Anstrengungen, die Unabhängigkeit seines Vaterlandes nach allen Seiten zu wahren, machen ihn zum gefeiertsten Nationalhelden. Vom November 1594 bis Februar 1595 säuberte er die W. von Türken und Tataren, brachte 6. Sept. 1595 bei Calugareni dem weit überlegenen Heer Mohammeds III. eine schwere Niederlage bei und drang jenseit der Donau weit ins türkische Gebiet ein. Siegmund und Andreas Báthori von Siebenbürgen, Jeremias Movila von der Moldau und der kaiserliche Feldherr Basta waren ihm, ob seiner Heldenthaten und der mit Kaiser Rudolf II. angeknüpften Beziehungen (Vertrag vom 9. Juni 1598; Besuch in Prag vom 25. Dez. 1600), sehr feindlich gesinnt. Michael siegte 28. Okt. 1599 über Andreas Báthori auf dem Schellenberg bei Hermannstadt und Anfang 1600 über Jeremias von der Moldau in drei Schlachten, ließ sich 1. Juli 1600 zu Karlsburg als Fürst der W., der Moldau und Siebenbürgens ausrufen, verlor 16. Sept. d. J. gegen Basta die Schlacht bei Mirislau und errang mit Basta über Siegmund Báthori 3. Aug. 1601 den Sieg von Goroslau, ward aber 19. Aug. auf Bastas Befehl im Lager von Thorda meuchlings ermordet. Der letzte bedeutende Fürst der W. war Matthias Basarab. Tapfer verteidigte er das Land gegen innere Prätendenten, gegen Basilius Lupu der Moldau und gegen Türken. Er besserte die Verwaltung, verfaßte ein bürgerliches und ein peinliches Gesetzbuch, gründete Schulen, Kirchen und Klöster, druckte rumänische Kirchenbücher, nahm den Athosklöstern viele den inländischen Klöstern entrissene Ländereien ab, unterhielt die Armee auf dem Kriegsfuß und schloß mit dem deutschen Kaiser, dem König von Polen und dem Fürsten von Siebenbürgen geheime Verabredungen zur Bekämpfung der Türken ab. Scherban Kantakuzenos war im Türkenlager bei der Belagerung von Wien durch Kara Mustafa. Er ließ 1688 die von zwei Laien, den Brüdern Greceanu, ins Rumänische übersetzte Bibel drucken. Konstantin Brankowan büßte samt seinen vier Söhnen und seinem treuen Ratgeber Vacarescu mit dem Leben seine Beziehungen zum Wiener Hof und zum Zaren Peter d. Gr.

Mit seinem Nachfolger Stephan Kantakuzenos (1714-16) verlor die W. den letzten Schimmer der Unabhängigkeit, denn die Pforte ernannte von nun an zum Fürsten der W. den Meistbietenden aus den griechischen, nach dem »Fener«-Quartier zu Stambul benannten Fanariotenfamilien. Die Periode von 1716 bis 1856 war für die W. wie für das Schwesterfürstentum der Moldau eine verhängnisvolle Zeit. Die Herrschaft der Fanarioten zeichnete sich durch Ränke, Habsucht und Vaterlandslosigkeit aus und war von materiell und sittlich verheerender Einwirkung. Sie merzte in 100 Jahren beinahe den ganzen inländischen Adel aus und ersetzte ihn durch bestechliche Emporkömmlinge aus Griechen, Armeniern und sonstigen Intriganten aus Stambul. In diese Zeit fallen 6 russisch-türkische Kriege und 6 russische Besitzergreifungen der Moldau und W. (1768-74 u. 1781-92 unter Katharina II.; 1805-12 unter Alexander I.; 1824-34, 1848-50, 1853-54 unter Nikolaus I.). Diese Besitzergreifungen sollten die russische Einverleibung der Fürstentümer vorbereiten. Im J. 1834 zweifelte der russische Gouverneur, General Kisselew, nicht, daß Rußlands Grenzen in kürzester Zeit bis an die Donau reichen würden. Der Fanarioten Ende bewirkten ihre Treulosigkeit gegen die Pforte und das Übermaß der Unterdrückung in den beiden Fürstentümern. Die griechische Hetärie von 1821 und der Aufstand des beherzten Tudor Vladimirescu gaben hierzu den Anlaß. Tudors Erhebung in der Kleinen W. galt Türken und Griechen und war von nationalen Motiven geleitet. Deswegen zog ihn auch Ypsilanti in seine Garne und ließ den mutigen, aber harmlosen Mann und seine Schar in Tergoviste 27. Mai 1821 meuchlings niedermetzeln. Die Pforte beschloß nun, bloß Inländer mit der Hospodarenwürde zu beschenken. Der erste einheimische Fürst der W. war Gregor Ghika. Im J. 1822 von der Pforte ernannt, mußte er der russischen Invasion von 1828 weichen. Der Vertrag von Kainardschi (1774) hatte den Grund zum russischen Protektorat in den Donaufürstentümern gelegt. Jeder spätere russisch-türkische Vertrag (1779 zu Konstantinopel, 1792 zu Jassy, 1812 zu Bukarest, 1826 zu Akjerman, 1829 zu Adrianopel, 1834 zu Petersburg) dehnte die Machtbefugnisse Rußlands immer mehr aus, während er die Rechte der Pforte einschränkte und diejenigen der Fürstentümer vernichtete. Im J. 1832 wurde das »Règlement Organique« als ein Verwaltungskodex durch den Machtspruch Rußlands oktroyiert, das nun auch die Hospodaren ernannte: Alexander Ghika (1834-1842) und Georg Bibesco (1842-48). Diese waren nichts andres als russische Statthalter, die selbst für innere Verwaltungsangelegenheiten ihre Befehle von St. Petersburg erhielten.

Trotzdem entwickelte sich unter dem ruhigern Gang der allgemeinen europäischen Verhältnisse der nationale Geist. Es entstand unter dem Einfluß der wiedererstandenen rumänischen Schulen eine litterarische und politische Bewegung, welche einerseits die Pflege der nationalen Sprache, Geschichte und Litteratur zum Ziel hatte, anderseits einen glühenden Haß gegen die Fremdherrschaft entwickelte. Die jüngere, in Westeuropa erzogene, aus dem Volk emporgewachsene Generation trat immer schärfer gegen die gräzisierten und russifizierten Bojaren auf: die Russen ließen aber kurz vor dem Jahr 1848 die Nationalschulen zu Jassy und Bukarest schließen. Als die französische Februarrevolution des Jahrs 1848 ganz Europa in Gärung versetzte, ging auch den Rumänen am Dimbowitzastrand die Geduld aus. Am 23. Juni zeichnete Fürst Bibesco unter dem Druck einer mächtigen Volksbewegung die neue Verfassung, dankte aber am 25. ab und verließ Bukarest, wo eine provisorische Regierung eingesetzt