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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Wind

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Wind (Dovesches Drehungsgesetz, tägliche Periode, Stürme).

kleinert. Die Wirkung dieser beiden Einflüsse und die Beziehung der Windrichtung zu dem Luftdruck läßt sich in folgender Regel (Buys-Ballotsche Windregel) darstellen: »Wendet man dem jeweilig wehenden W. den Rücken zu, so hat man auf der nördlichen Halbkugel den höchsten Luftdruck zur Rechten und etwas nach hinten, den niedrigsten zur Linken und etwas nach vorn; auf der südlichen Halbkugel aber den höchsten zur Linken und etwas nach hinten und den niedrigsten zur Rechten und etwas nach vorn«. Nach dieser Regel kann man also aus dem zu irgend einer Zeit an einem bestimmten Ort wehenden W. die Richtungen bestimmen, in welchen der zu derselben Zeit stattfindende höchste und niedrigste Luftdruck vorhanden ist. Die Luft, welche infolge der Druckdifferenzen aus den Gegenden mit höherm Luftdruck nach denen mit niedrigerm geführt wird, kann hier nicht angehäuft werden, sondern muß beständig abfließen und zwar auf einem andern Weg, als auf welchem sie zuströmte. Daher wird sich in den Gegenden eines barometrischen Minimums ein aufsteigender Luftstrom bilden, der in den obern Schichten der Atmosphäre ebenfalls zu Bewegungen der Luft Veranlassung gibt. Aus demselben Grund wird sich über einem barometrischen Maximum ein absteigender Luftstrom bilden. Das bekannte und durch langjährige Beobachtungen als sicher und richtig festgestellte Dovesche Drehungsgesetz der Winde (auch nur als Regel, wie die Buys-Ballotsche, aufzufassen), nach welchem der W. an einem bestimmten Orte der Erde und im regelmäßigen Verlauf sich im Sinn der Zeiger einer Uhr oder mit der Sonne dreht, also auf der nördlichen Halbkugel von N. durch O., S. und West bis wieder N., auf der südlichen Halbkugel von S. durch O., N. und West bis wieder S., läßt sich ebenso wie die zahlreichen von Dove selbst anerkannten Abweichungen von diesem Gesetz, nämlich das Zurückspringen oder Krimpen des Windes gegen die Richtung der regelmäßigen Drehung, durch die oben dargestellten Beziehungen zwischen Luftdruck und Windrichtung einfach als Folge derselben erklären, während Dove diese Drehung des Windes an einem Ort früher durch das gegenseitige Verdrängen und Zurückweichen der beiden hauptsächlichsten Luftströmungen, des warmen, feuchten Äquatorial- und des kalten, trocknen Polarstroms, zu erklären versucht hat. Gegenwärtig faßt man diese Erscheinung der zuerst von Dove als thatsächlich vorhanden erkannten Drehung des Windes als Folgen der Einwirkung der verschiedenen Verteilung des Luftdrucks auf.

Nicht nur die Windrichtung, sondern auch die Stärke des Windes hängt von den Differenzen im Luftdruck ab. Da, wo auf einem größern Flächenraum der Luftdruck sehr gleichmäßig ist, und wo die Unterschiede desselben nur sehr gering sind, ist die Luft wenig bewegt, und es herrschen dort Windstillen oder nur leichte Winde vor; je größer aber der Unterschied des Drucks (oder des Barometerstandes) zwischen zwei verschiedenen Stationen ist, desto stärker weht der W. an dem Ort mit dem niedrigern Luftdruck. Die kürzeste Entfernung eines Ortes mit höherm Luftdruck von der Isobare (Linie gleichen Luftdrucks) für einen niedrigern Luftdruck, also die Senkrechte auf diese Isobare, bezeichnet die Richtung, in welcher der größte Unterschied des Luftdrucks stattfindet; man nennt sie die Richtung des barometrischen Gradienten; die Größe desselben setzt man nach internationaler Übereinkunft gleich der in Millimetern gemessenen barometrischen Differenz auf einen Meridiangrad (60 Seemeilen oder 111 km) und läßt dann bei Angabe der Größe des Gradienten diese Einheit der Entfernung fort. Die Richtung des Gradienten bedingt die Richtung des Windes und die Größe des Gradienten die Stärke des Windes. Ist z. B. an irgend einem Orte der Gradient von N. nach S. gerichtet, wobei der höhere Luftdruck im S. liegt, so weht der W. an diesem Ort aus SW. oder WSW. bis West. Je größer der Gradient ist, desto stärker weht der W., und der bei einem Gradienten von 4,5 mm pro Meridiangrad entstehende W. kann durchschnittlich schon als Sturm bezeichnet werden.

Sowohl in Bezug auf die Richtung des Windes als auch in Bezug auf seine Stärke haben die neuern Untersuchungen eine tägliche Periode nachgewiesen. In Bezug auf die Windrichtung hat sich ergeben, daß, außer dem bekannten Wechsel von Land- und Seewinden sowie von Berg- und Thalwinden, in Gegenden, in welchen die Windverhältnisse weder durch zu große Nähe des Meers noch durch Gebirge beeinflußt werden, eine entschiedene Tendenz des Windes vorherrscht, sich von 9 Uhr vormittags bis 2 Uhr nachmittags mit der Sonne, also in der Richtung NOSW. zu drehen und dann bis zum Abend wieder in seine ursprüngliche Richtung zurückzukehren. Auf hohen Berggipfeln ist die tägliche Periode in der Winddrehung in umgekehrter Weise beobachtet. Die Größe dieser Schwankung ist bei östlichen Winden und klarem Himmel bedeutender als bei trüber Witterung und westlichen Winden. In Bezug auf die tägliche Periode der Windstärke hat sich gezeigt, daß sie auf dem Meer nur schwach auftritt und sich vorzugsweise auf Landstationen zeigt. Auf diesen ist die Windstärke am schwächsten in der Nacht und am größten zur Zeit der größten Tageswärme. Auf Berggipfeln ist die Windstärke ebenso wie auf dem Meer am geringsten um Mittag und am größten in der Nacht oder in den Morgenstunden.

Stürme.

Jeden W., dessen Geschwindigkeit 25 m in der Sekunde oder darüber beträgt (9-12 der Beauforts Skala), nennen wir Sturm. Stürme treten auf, wenn der barometrische Gradient groß ist, wenn also der Luftdruck an nahe bei einander liegenden Orten große Unterschiede darbietet. Um die barometrischen Maxima sind die Gradienten meistens klein, während um die barometrischen Minima häufig große Gradienten auftreten und deshalb die Stürme viel häufiger um ein barometrisches Minimum als um ein Maximum wehen. Ein Sturm bildet immer wenigstens einen Teil eines Wirbels, welcher das barometrische Minimum in spiralförmiger Bewegung (s. oben) umkreist. In manchen Fällen, z. B. bei den Stürmen, welche man in der heißen Zone findet, begegnet man auf allen Seiten des Wirbels Sturmwinden. Solche Stürme nennt man Wirbelstürme oder Cyklone. Die Stürme in den gemäßigten und kalten Zonen sind gewöhnlich nicht vollständige Wirbelstürme, da meistens nur ein Teil des Luftwirbels Winde von Sturmesstärke aufzuweisen hat, während in den übrigen Teilen des Wirbels schwächere Winde auftreten. Die Richtung, in welcher ein W. als Sturm weht, ist ebenso wie bei jedem andern W. von der Richtung und Größe des Gradienten und von der Ablenkung der Windbahn durch die Rotation der Erde und die Zentrifugalkraft abhängig. Da ein Sturm immer einen Teil eines Wirbels oder einen völligen Wirbel ausmacht, muß man bei demselben zwischen der drehenden Bewegung des Windes um das Wirbel- oder Sturmzentrum und der über die