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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Wirklich - Wirth.

nämlich die eines Studierenden der Theologie in Cambridge, Namens William Lee, welcher 1589 den ersten Handkulierstuhl baute. In England zu wenig unterstützt, begab sich Lee nach Rouen und Paris, wo er mehrere Stühle einrichtete und der Gründer der dortigen Wirkindustrie wurde, welche hauptsächlich von Protestanten betrieben wurde. Viele von denselben flüchteten nach der Aufhebung des Edikts von Nantes nach Deutschland und führten hier die W. ein. Die spätern Erfindungen waren meist nur unwesentlich und hauptsächlich auf Herstellung neuer Muster und der sogen. Rund- oder Schlauchstühle gerichtet, auf welchen schlauchartige Wirkwaren ohne Naht erzeugt werden (s. Strickmaschine). Die Wirkwaren werden in großer Mannigfaltigkeit aus Wolle, Baumwolle, Leinen, Seide dargestellt. Fabrikmäßiger Betrieb für den Export ist in England, als dem ältesten Sitz der Industrie, sehr ausgebildet, und der Hauptfabrikort ist Nottingham. Frankreich liefert besonders seidene Strümpfe. In Deutschland ist die W. namentlich in und bei Chemnitz (baumwollene Strumpfwaren, baumwollene, wollene, leinene und seidene Handschuhe) konzentriert. Für wollene Ware ist Apolda Hauptsitz. Außerdem sind Zeulenroda, das nördliche Böhmen, die Umgegend von Nürnberg und Erlangen, Kalw, Reutlingen und Berlin zu nennen. Vgl. Willkomm, Technologie der W. (2. Aufl., Leipz. 1887, 2 Bde.).

Wirklich ist alles dasjenige, was wirkt, d. h. irgend eine Thätigkeit (Wirksamkeit) ausübt, weshalb Raum und Zeit, weil sie zwar die Bedingungen alles Wirkens sind, aber nicht selbst wirken, nicht wirklich genannt werden; der Inbegriff alles Wirklichen macht die Wirklichkeit aus.

Wirksworth, Stadt im Derbyshire (England), südl. von Matlock, mit Bleigruben und (1881) 3678 Einw.

Wirkung, s. Ursache.

Wirland, östlichster Kreis des russ. Gouvernements Esthland, fruchtbar und von vielen parallel laufenden Bächen bewässert, hat zur Ostgrenze die Narowa, an deren Wasserfall die 1857 errichtete großartige Kränholmer Spinnerei und Weberei liegt. Die Spinnerei hat (1884) 352,028 Spindeln, 2888 Arbeiter und produziert für 6,7 Mill. Rubel. Die Weberei hat 1956 Webstühle, 1365 Arbeiter und liefert für 2,2 Mill. Rub. Gewebe.

Wirnt von Gravenberg, mittelhochdeutscher Dichter, Verfasser des Ritterromans »Wigalois, oder der Ritter mit dem Rad«, welcher bald nach 1204 nach einer französischen Quelle, die jedoch der Dichter nur durch mündliche Erzählung kennen lernte, bearbeitet ist. Er gehört seinem Stoff nach zu dem bretonischen Sagenkreis von Artus und seiner Tafelrunde und schließt sich in der Darstellungsweise an Hartmann von Aue und Wolfram von Eschenbach an. Eine prosaische Bearbeitung erschien Straßburg 1519, Frankfurt 1564 und 1586. Herausgegeben ward das Gedicht von Benecke (mit Wörterbuch, Berl. 1819), am besten von Pfeiffer (Leipz. 1847). Übersetzt ist es von Baudissin (Leipz. 1848).

Wirrbosenspiel (wallonisch pantin), ein im belg. Hennegau beliebtes Volksspiel, welches von zwei Spielern gespielt wird, welche auf der Erde sitzen, und denen man einen Knebel in die Kniekehlen gesteckt hat, unter welchen die Arme gelegt werden, die dann mit einem Handtuch zusammengebunden werden. Die beiden Gegner bekämpfen einander mit den Fußsohlen, und wer von beiden den andern zum Fallen bringt, kann von dem Besiegten ein halbes Liter Branntwein beanspruchen.

Wirsén, Karl David af, schwed. Dichter, geb. 9. Dez. 1842 zu Bellsta in Upland, studierte seit 1860 zu Upsala, machte 1862 das Kanzleiexamen, besuchte 1866-67 zu weiterer Ausbildung Frankreich und wurde 1868 zum Dozenten der Litteraturgeschichte an der Universität Upsala und 1870 zum Lektor der schwedischen und lateinischen Sprache am obern Gymnasium daselbst ernannt. Nachdem er 1871-72 zum Teil aus Gesundheitsrücksichten in Italien zugebracht, gab er 1875 seine Vorlesungen auf, um sich ausschließlich litterarischen Arbeiten zu widmen, und trat 1878 in die Redaktion der »Post- och Inrikes Tidning« ein. Außer zahlreichen Aufsätzen in Monatsschriften hat er als selbständige Arbeiten erscheinen lassen: »Vergleichung der Ansichten Vischers und Zeisings über das Humoristische« (Stockh. 1866); »Studien über die Reformen in Frankreichs schöner Litteratur im 16. und 19. Jahrhundert« (das. 1868); mehrere Biographien und Charakteristiken schwedischer Schriftsteller etc. Das Hauptgewicht seines litterarischen Schaffens liegt jedoch in seinen Gedichten (»Dikter«, 2. Aufl., Stockh. 1877), denen eine ernste, milde Stimmung, echte Religiosität, tiefe Vaterlandsliebe und dabei große Formvollendung ihr eigentümliches Gepräge geben. Ihnen folgten »Nya dikter« (1880) und »Sånger og bilder« (1884). 1879 wurde er in die Akademie der »Achtzehn« abgenommen.

Wirsing, s. Kohl.

Wirsitz, Kreisstadt im preuß. Regierungsbezirk Bromberg, an der Lobsonka, hat eine evangelische und eine kath. Kirche, ein Amtsgericht, eine Bierbrauerei, eine große Mahlmühle und (1885) 1428 Einw.

Wirtel, in der Botanik s. v. w. Quirl bei wirtel- oder quirlständigen Blättern; s. Blatt, S. 1012.

Wirtel (Wirtelstein, Wörtel), aus Stein- oder Thonmasse hergestellte runde, in der Mitte durchbohrte Scheiben, dazu bestimmt, der beim Spinnen sich um ihre Achse drehenden Handspindel größere Schwungkraft zu verleihen, werden in vorgeschichtlichen Ansiedelungen (schweizerischen Pfahlbauten, Hissarlik etc.) öfters angetroffen. Dieselben sind bisweilen mit symbolischen Zeichen verziert und wurden wohl auch der Gottheit als Weihgeschenke dargebracht. S. die Abbildungen auf Tafel »Pfahlbauten«.

Wirth, 1) Johann Georg August, polit. Schriftsteller, geb. 20. Nov. 1798 zu Hof in Bayern, studierte zu Erlangen die Rechte und praktizierte dann in Schwarzenbach a. S. und seit 1823 in Baireuth. 1831 begab er sich nach München und übernahm die Redaktion der Cottaschen Zeitschrift »Das Inland«, eines ministeriellen Organs, ging aber bald in das liberale Lager über und gründete die »Deutsche Tribüne«. Durch die Verfolgungen, denen er sich von jetzt an ausgesetzt sah, wurde er Schritt für Schritt nach der äußersten Linken gedrängt. Er ging nun nach Rheinbayern. Aber auch hier legte ihm die Zensur viele Hindernisse in den Weg, und im März 1832 ward seine Zeitung vom Bundestag verboten. W. selbst ward wegen einer beim Hambacher Fest 27. Mai d. J. gehaltenen Rede (neu hrsg. Kaisersl. 1872), worin er zur Bildung eines Bundes der Patrioten aufgefordert hatte, verhaftet und nach Zweibrücken abgeführt. Vom Gefängnis aus entwickelte er seine politischen Ideen in einer Flugschrift: »Die politische Reform Deutschlands« (Straßb. 1832). Im Juni 1833 in Landau vor die Geschwornen gestellt, ward er freigesprochen. Dagegen verurteilte ihn das Zuchtpolizeigericht wegen Beleidigung inländischer und ausländischer Behörden im November 1833 zu zweijähriger Gefängnisstrafe, die er zu Kaiserslautern