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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Ausschlag; Außeretatmäßig; Ausspannvorrichtung für Wagenpferde

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Ausschlag - Ausspannvorrichtung für Wagenpferde

an wenig empfänglichen Stellen, Anwendung ungeeigneter Färbemethoden beim Nachweis. Jedenfalls ist der Eifer zu vervollkommten Übertragungsversuchen, welche den Beweis der kontagiösen Natur des Aussatzes liefern sollen, neu angefacht worden durch ein Experiment am Menschen (Arning). Mit Einwilligung der hawaischen Behörden wurde Ende 1885 ein zum Hängetod verurteilter Kanake methodisch mit Aussatzmaterial geimpft. Nach Ablauf von noch nicht drei Jahren wurde die knotige Form der Lepra an ihm behördlich und protokollarisch festgestellt. Völlig einwandsfrei ist diese Thatsache nicht, da die Versuchsperson einer Rasse angehörte, welche für den A. auch sonst (durch Erblichkeit) empfänglich und disponiert ist. Ein vermehrtes Gewicht erhält er jedoch durch gewisse gut beglaubigte Fälle, in denen Kinder europäischer Eltern durch humanisierte Lymphe (die von latent aussätzigen Kindern entnommen war) infolge der Schutzpockenimpfung ebenfalls aussätzig wurden; durch Fälle ferner, in denen durch sehr intimes Zusammenleben (auch abgesehen vom geschlechtlichen Verkehr) Ansteckungen erfolgten; durch Fälle endlich, in denen auf diesem Weg die Übertragung (anscheinend mit dem syphilitischen Gift gleichzeitig) bewirkt wurde mit dem Erfolg, daß zuerst Erscheinungen der Syphilis, später unverkennbare Merkmale des Aussatzes sich geltend machten.

Alle diese vielfach und besonders in der Pariser Akademie der Medizin (1886-88) erörterten Thatsachen haben die Lehre von der Erblichkeit des Aussatzes, welche auch Armauer Hansen nach seinen Untersuchungen über die Schicksale norwegischer Aussatzfamilien in Dakota und Wisconsin völlig fallen ließ, nahezu verdrängt. Die Mehrzahl der Forscher bekennt sich schon jetzt zu den Sätzen: der A. kommt ausschließlich vom Aussätzigen her; keine Rasse und kein Individuum ist gegen ihn völlig gesichert (immun), mögen auch gewisse Rassen, Klimate oder Gegenden die Entwickelung des Leprakeims begünstigen, andre ihm feindlich sein; ein ursachliches Verhältnis des Bacillus Hansen zum A. ist erwiesen, lepröse Menschen sind die Träger des handgreiflichen Krankheitsgifts, wenn auch die Fragen nach dem Wie der Übertragung, nach dem Weg der Ansteckung, noch ihre Schwierigkeiten haben. Alle Hergänge, welche sich auf die geographische Verbreitung des Aussatzes während der letzten zwei Jahrzehnte beziehen, scheinen sich nicht allein zur Unterstützung der Ansteckungshypothese zu eignen, sondern sie zeigen aufs klarste, daß der A. sich in beunruhigender Weise Terrain zu erobern beginnt, und dies dort am meisten, wo man an die aus der Ansteckungslehre abzuleitende Konsequenz: die Absonderung der Aussätzigen, nicht geglaubt oder nicht gedacht hat. Auf indirektem Weg dient hier Norwegen als Beweis, wo man seit 1869 auf Isolierung der Kranken gesetzlich drang und ein Fallen der Krankenzahl von 2689 (im I. 1868) auf 1433 (1882) erreichte. Im Distrikt Sandfjord, wo 70 Proz. der Aussätzigen in Asylen isoliert sind, war das Veränderungsverhältnis sogar 431:132, während im Distrikt Nordmar, wo nur ein Fünftel der Aussatzkranken isoliert ist, das Absinken der Ziffer ein entsprechend geringeres: von 106 auf 90, war. Eine sichtliche Vermehrung des Aussatzes zeigt sich zunächst in Amerika, wo längs der südlichen Pacificbahn eine Anzahl Kranker lebt; in San Francisco sind ihrer einige 20; im übrigen Kalifornien, in Louisiana und Florida gibt es bereits Kolonien von Aussätzigen. In Louisiana wurde der A. von den französischen Akadiern eingeschleppt, nach den

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nordwestlichen Staaten haben ihn die Skandinavier gebracht, nach Florida ist er von Westindien, nach den Küsten des Stillen Meers von China gekommen. In Hawai, wo es gegenwärtig über 1100 Aussätzige gibt, und wohin die Seuche ebenfalls durch chinesische Kulis geschleppt wurde, steht man bestürzt vor der Entdeckung, daß es zu spät ist, sie auszurotten. Eine deutliche Vermehrung der Aussätzigen ist in Skutari und Konstantinopel bemerkbar, auch in Italien zwischen dem Val di Nervia und dem Val d'Argentina. In Spanien haben ernste Maßregeln unter Hinblick auf die Ansteckungslehre den A. aus seinen frühern Gebieten vertrieben, so aus Valencia, Alicante; wo solche Maßnahmen unterlassen wurden, breitet er sich auch dort (so in Parcent, Sunal, Valldegna) unaufhaltsam aus. Die bedrohlichsten Fortschritte hat er aber einerseits in Frankreich, anderseits in Rußland gemacht; in Paris hat es keine Schwierigkeiten, in Jahresfrist mindestens 80 Aussätzige zu sehen (Doyon, Diday); in Petersburg ermittelten Ärzte ein Mateterial von 43 Aussatzkranken in den verschiedenen Kliniken und Hospitälern, und die offiziellen Zählungen der Leprösen in den baltischen Provinzen erwiesen sich als derart unzuverlässig, daß statt einer (durch das Gouvernement veröffentlichten) Zahl von 171 bereits 1884 nicht weniger als 378, im J. 1888 aber 803 Aussatzfälle zur Ermittelung gelangen konnten (Petersen). Die Bedeutung dieser Thatsachen läßt sich leicht abschätzen an der Hand der Erwägung, wie außerordentlich Gesetze und Verordnungen, betreffend die Isolierung und den bürgerlichen Tod der Aussätzigen, in das Zivil- und Familienrecht eingreifen, und im Hinblick auf die völlig trostlosen Aussichten, welche die Unheilbarkeit des Aussatzes darbietet. Genau wie früher Bäder, aromatische und zerteilende Stoffe, balsamische und reizende Salben, Eisen und Leberthran sich als gänzlich unwirksam erwiesen, hat auch die neuere Therapie mit all ihren Hilfsmitteln: Gurjunöl, Ichthyol, Pyrogallol, Resorcin, Chrysorabin, ferner Salicyl und Jodkalium, hat die Stichelung und das Ausschneiden der erkrankten Partien sowie die Nervendehnung den Dienst bei der Heilung des Aussatzes regelmäßig versagt. - Zur Litteratur: Leloir, Traité pratiqueet théorique de le lèpre (Par. 1886).

Ausschlag *, s. v. w. Gutgewicht (s. d., Bd. 7).

Außeretatmäßig *, im Gegensatz zum Etatmäßigen das, was im Etat (Budget) nicht vorgesehen ist.

Ausspannvorrichtung für Wagenpferde. Bei dem von Kimmich erfundenen und von der Firma Georg Engler in Stuttgart hergestellten Momentausspanner werden die vier Stränge des Pferdegespanns durch das Gewicht eines Hebels, der sich an einer mit vier Haken versehenen Stahlwelle befindet, an die eiserne Wage angeschlossen. Ein Herabfallen der Stränge, ohne daß der Apparat in Thätigkeit versetzt wird, ist nicht möglich. Die Koppelung der Pferde geschieht mittels einer in einer Metallhülse am Vorderteil der Deichsel liegenden kräftigen Feder, welche einen Bolzen nach vorn treibt. Derselbe steht durch eine unter der Deichsel geführte Stahlstange mit dem erwähnten Hebel in Verbindung. Vom Hebel führt eine Kette oder ein Lederriemen zum Kutschersitz, bez. zu einer beliebigen Stelle im Innern des Wagens. Ein Zug an diesem Riemen bewirkt, daß die vier Haken in der Sprengwage sich senken und der Bolzen in der Hülse an der vordern Deichsel zurückgeht. Hierdurch fallen die Stränge und die Koppelung der Pferde durch ihr eignes Gewicht herab, so daß die Pferde augenblicklich von dem Wagen und der Deich- ^[folgende Seite]