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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Hypnon - Hypnotismus
mancher Krankheitenauf: Nachtschweiße der Schwindsüchtigen, kritische Schweiße nach Lungenentzündung, Schweiß beim Malariaanfall, oder die H. ist eine partielle: z. B. Hand- oder Fußschweiße, der einseitige Schweiß, welcher nur eine Körperhälfte betrifft.
Diese krankhaften Vorgänge sind auf eine Störung im Nervensystem Zurückzuführen. Die Behandlung besteht in Bädern u. Waschungen mit adstringierenden Mitteln, Einpudern mit Tannin, Reismehl u.dgl.
Mpnön, s. Acetophenon (Bd. 17).
HypnotiSmus. Durch die Arbeiten zahlreicher Forscher über den H. ist zum großen Teil eine vollkommene Wandlung in der bisherigen Auffassung desselben eingetreten, wenn man auch eine vollkommene Übereinstimmung noch nicht erreicht hat. Man unterscheidet gegenwärtig drei größere Gruppen oder Schulen. 1) Die Schule von Nancy (Nernheim, Liebeault, Forel, Krafft-Ebing, Moll, Sperling, Max Dessoir); sie betrachtet sämtliche Erscheinungen des H. als Folgen der Suggestion, d. h. sämtliche Symptome des H. kommen nur dadurch zu stände, daß man in dem Hypnotischen die Vorstellung und die Überzeugung von deren Eintritt erweckt. 2) Die Schule Charcots; nach ihr gibt es einen Ainnä I^Motisink und einen petit k^pnoti Zine; doch wird nur der erstere, der bei Hysteroepileptischen vorkommt, von dieser Schule genau studiert. Bei ihm zeigen sich unabhängig von der Suggestion, also ohne jede psychische Beeinflussung, rein körperliche (somatische) Symptome, die sogar deutlich mehrere Stadien unterscheiden lassen: a) das kataleptische Stadium; es entsteht dadurch, daß ein lauter Schall oder ein plötzlicher heller Lichtstrahl die Person trifft. Die Augen sind starr geöffnet; die passiv leicht beweglichen Glieder behalten jede Stellung bei, die man ihnen gibt. d) Das lethargische Stadium; es entsteht primär durch längere Fixation eines Körpers, sekundär aus dem kataleptischen Stadium durch Schluß der Augen.
Das Individuum ist vollkommen bewußtlos; die Glieder nehmen nicht beliebige Stellungen an, fallen vielmehr stets wie gelähmt, den Gesetzen der Schwere folgend, herab; man beobachtet die sogen, neuromuskuläre Hyperexzitabilität, d. h. durch mechanische Reizung (Druck, Reibung) werden die Muskeln zur Kontraktion gebracht; die Reizung wird entweder auf den Muskel direkt ausgeübt, wobei diefer allein sich kontrahiert, oder auf den motorischen Nerv, wobei alle von ihm versorgten Muskeln sich zusammenziehen, c) Das somnambule Stadium; es entsteht aus dem lethargischen oder kataleptischen durch Reibung des Scheitels. Die Augen sind halb oder ganz geschlossen; auch in diesem Stadium können die Muskeln zur Kontraktion gebracht werden, nicht aber, wie im lethargischen, durch Reizung der Muskeln oder Nerven, sondern nur durch leichte Reizung der die Muskeln bedeckenden Haut. Das Individuum ist in diesem Stadium zahlreichen Suggestionen zugänglich.
3) Die Schule der modernen Mesmeristen; sie glauben, daß es einen persönlichen Einfluß gibt, den einzelne Personen vermöge einer ihnen innewohnenden Kraft auf andre ausüben, und der nicht durch die einfache Suggestion erklärt werden könne.
Wie immer man über die genannten Schulen denken mag, ob man der Schule Charcots und der der Mesmeristen jede Berechtigung für ihre Lehren abspricht oder für einzelne Fälle zugesteht, darüber kann ein Zweifel nicht bestehen, daß den Behauptungen der Nancyer Schule eine enorme praktische Bedeutung zukommt. Denn selbst wenn es gewisse Erscheinungen w der Hypnose gäbe, die nicht durch Suggestion
zu erklären sind (wofür exakte Beweise fehlen), so müßte man doch den durch Suggestion hervorgebrachten Symptomen schon wegen ihrer großen Ausdehnung die größte Wichtigkeit beimessen. Um nun über die mannigfachen hypnotischen Zustände einen Überblick zu gewinnen, versuchte man eine Einteilung derselben in mehrere Grade, und zwar bald in 9, bald in 6, bald in 3 Grade. Ganz vortrefflich und gerade wegen ihrer Einfachheit fehr praktisch ist die in neuester Zeit gegebene Einteilung Max Dessoirs, der nur2 Grade unterscheidet. Dex eine ist durch Herabsetzung oder Verlust der willkürlichen Bewegungen charakterisiert; auch in dem 2. Grad findet sich die gleiche Erscheinung, doch kommen hier zu den motorischen Störungen noch Abweichungen in der sensorischen Sphäre, die bei dem 1. Grad wenig oder gar nicht hervortreten, und die sich als Sinnestäuschungen zeigen.
Zur tzypnosi genese, d. h. zur Erzeugung der Hypnose, kann man sich zahlreicher und anscheinend ganz verschiedenartig wirkender Mittel bedienen, die man aus theoretischen Gründen am besten in somatische (körperliche) und psychische einteilt. Während man früher jene für notwendig und wesentlich hielt, ist man jetzt geneigt, den psychischen Mitteln die Hauptwirkung zuzuschreiben. Früher bediente man sich z. B. vielfach der längern Fixation eines glänzenden Punktes, um Hypnose herbeizuführen, oder man ließ die Versuchsperson längere Zeit auf ein monotones Geräusch horchen; heute erzeugt man die Hypnose gewöhnlich auf psychischem Weg, indem man die Vorstellung derselben möglichst lebhaft und intensiv der Versuchsperson einpflanzt, etwa durch Worte wie: »Denken Sie nur an den Schlaf, suchen Sie zu schlafen; Ihre Augen werden immer müder, die Augenlider schließen sich 2c.« Nach Ansicht vieler und besonders der Nancyer Schule erzeugen die somatischen Mittel die Hypnose nur dann, wenn sie, wie die monotonen Sinnesreize, eine Ermüdung und die Vorstellung von der Hypnose herbeiführen; dies ge^ schieht am leichtesten dann, wenn die Versuchsperson glaubt, daß sie durch jenes Mittel hypnotisierbar sei.
Es handelt sich alsdann nur scheinbar um eine bloße Einwirkung auf den Körper, während in Wirklichkeit in diesem Fall auch eine psychische Beeinflussung stattfindet. Daß übrigens eine lebhafte Vorstellung von dem Bilde der Hypnose deren Eintritt wesentlich begünstigt, dies gibt man allgemein zu; nur ist es noch fraglich, ob diese Vorstellung eine eonäitio sine ^un.
11011 ist. Das Erwecken aus der Hypnose geschieht entweder durch starke Sinnesreize, z. B. Anblasen, elektrische Reizung, oder durch den einfachen Befehl, zu erwachen. Erwähnt sei noch, daß zur Herbeiführung der Hypnose, resp. zu deren Beendigung nicht immer ein Experimentator notwendig ist, da manche Personen sich selbst in Hypnose versetzen (Auto Hypnose), ebenso wie auch viele spontan aus ihrerwachen.
Was die Empfänglichkeit für Hypnose anlangt, so wird der Prozentsatz der hypnotisierbaren Personen auffallend verschieden angegeben; man findet Schwankungen von 10-98 Proz. Sicher ist, daß unter günstigen Umständen, insbesondere bei mehrfacher Wiederholung der Versuche, bei normal entwickelter Intelligenz der Versuchspersonen, viel mehr als die Hälfte derselben in Hypnose versetzt werden kann.
Geistig beschränkte sowie geisteskranke Personen sind schwer, Kinder unter sieben Jahren fast gar nicht zu hypnotisieren; daß Nervöse oder Hysterische besonders empfänglich seien, ist ein vielfach verbreiteter Irrtum; Personen, die fest überzeugt sind, daß sie nicht hyvnotisicrbar seien, sowie solche, die ihren