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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Arbeiterschutzkonferenz

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Arbeiterschutzkonferenz (Berlin 1890: jugendliche Arbeiter).

1873) 10 Jahre, hier liegt aber den Cortes ein Gesetzentwurf vor, der das Alter auf 9 Jahre herabsetzt. Der italienische Delegierte (Boccardo) führte aus, daß die Altersgrenze nicht für alle Staaten die gleiche sein könne. Italien habe 1886 den ersten Versuch mit der Regelung auf diesem Gebiet gemacht, das damals erlassene Gesetz habe aber mit Rücksicht auf die besondere Lage der Seidenspinnereien und -Zwirnereien nur teilweise durchgeführt werden können. Es sei augenblicklich nicht in der Lage, noch weiter in der Beschränkung zu gehen. Für Italien müsse mit Rücksicht darauf, daß seine Großindustrie erst im Entstehen sei und gegenüber den vorgeschrittenern Industrieländern eine geringere Konkurrenzfähigkeit habe, überdies seine Seidenindustrie die Konkurrenz asiatischer Länder (China, Japan), wo die Arbeitskräfte außergewöhnlich billig seien, zu bestehen habe, die Altersgrenze mindestens 2 Jahre niedriger sein als in andern Staaten. Die niedrigere Altersgrenze rechtfertige sich auch in sanitärer und humanitärer Hinsicht durch die Frühreife der südländischen Rassen, klimatische Verhältnisse etc. Die Kommission nahm einstimmig den Antrag Frankreichs an, daß die Altersgrenze auf 12 Jahre festgesetzt werde mit Ausnahme der südlichen Länder, für welche sie auf 10 Jahre herabzusetzen sei (bei der Abstimmung über die Ausnahme enthielten sich die Schweiz und Großbritannien der Stimmabgabe). Im Plenum stimmten für die Ausnahme 8 Staaten, dagegen 2 (Großbritannien, Schweiz), 5 (Belgien, Dänemark, Frankreich, Schweden, Norwegen) enthielten sich der Abstimmung, die übrigen Teile des Antrags wurden einstimmig mit Stimmenthaltung von Dänemark, Spanien, der Schweiz angenommen.

3) Einstimmig wurde in der Kommission und im Plenum angenommen: daß es wünschenswert sei, daß die für den Eintritt von Kindern in gewerbliche Anlagen beschlossene Altersgrenze für alle diese Anlagen die nämliche sei, und daß in dieser Beziehung eine Unterscheidung nicht zugelassen werde.

4) Ein weiterer Antrag Deutschlands: »Es ist wünschenswert, daß die in gewerblichen Anlagen zugelassenen Kinder den Vorschriften über den Elementarunterricht vorher Genüge geleistet haben«, wurde in der Kommission und im Plenum mit 11 Stimmen gegen 2 (Dänemark, Großbritannien) und Stimmenthaltung von Belgien und Holland angenommen. Großbritannien stimmte nur deshalb dagegen, weil eine solche Bestimmung in ein Schulgesetz, nicht in ein Gewerbegesetz gehöre, und Dänemark, weil dadurch seine Halbtagsschulen für in Fabriken beschäftigte Kinder von 12-14 Jahren, welche sich bewährt haben, gefährdet wurden. (In Dänemark ist der Elementarunterricht bis zum 13. Jahre obligatorisch und selbst bis zum 14., wenn das Kind die vorgeschriebene Prüfung nicht bestanden hat. Der dänische Delegierte erklärte, daß die Annahme des deutschen Antrags für Dänemark die Wirkung haben würde, das Minimum des Alters der Zulassung in Fabriken auf 13-14 Jahre zu erhöhen, während der Unterricht in Elementarschulen so geregelt ist, daß den Kindern für die Dauer eines halben Tags der Besuch der gewerblichen Anlagen gestattet ist, ohne die Erfüllung der Schulpflicht zu hemmen.)

5) Bezüglich der Sonntags- und Nachtarbeit wurde in der Kommission und im Plenum einstimmig mit Vorbehalten Hollands, Belgiens und Luxemburgs angenommen: daß Kinder, welche das 14. Jahr noch nicht vollendet haben, weder nachts noch Sonntags arbeiten dürfen.

6) Über die gesetzliche Maximalarbeitszeit der Kinder gingen die Ansichten auseinander. Gegen den Antrag Deutschlands, dieselbe auf 6 Stunden zu bestimmen mit mindestens einer halbstündigen Pause, erklärten sich Ungarn, Italien, Belgien und Holland. (In Ungarn und Italien beträgt die Maximalarbeitszeit für Kinder unter 14 Jahren 8 Stunden, in Holland 11, in Belgien 12.) Gegen diese Stimmen wurde in der Kommission der Antrag angenommen: daß die effektive Arbeit der Kinder die Dauer von 6 Stunden nicht überschreite und durch eine Pause von mindestens einer halben Stunde unterbrochen werde. Im Plenum stimmten dafür 11 Staaten, dagegen 3 (Belgien, Italien, Holland); Ungarn enthielt sich der Abstimmung.

7) Einstimmig, ohne Diskussion, wurde in der Kommission und im Plenum der Antrag angenommen: daß Kinder unter 14 Jahren von ungesunden oder gefährlichen Beschäftigungen ausgeschlossen oder mindestens nur unter gewissen schützenden Bedingungen dabei zugelassen werden.

IV. Die Regelung der Arbeit jugendlicher Arbeiter.

Die Kommission unterschied zwei Grade des Schutzes, je nachdem es sich um jugendliche Arbeiter beiderlei Geschlechts von 14-16 Jahren oder um jugendliche männliche Arbeiter von 16-18 Jahren handelt, und beschloß, die Schutzbestimmungen der jugendlichen weiblichen Arbeiter von 16-18 Jahren bei der Erörterung der Arbeit der Frauen mitzuberaten.

I. Bezüglich der jugendlichen Arbeiter beiderlei Geschlechts von 14-16 Jahren wurden folgende, von Deutschland ausgegangene Anträge angenommen: Es ist wünschenswert, 1) daß die jugendlichen Arbeiter beiderlei Geschlechts von 14 bis 16 Jahren weder nachts noch am Sonntag arbeiten; 2) daß ihre effektive Arbeit 10 Stunden täglich nicht überschreite und durch Ruhepausen in einer Gesamtdauer von mindestens anderthalb Stunden unterbrochen werde; 3) daß für einzelne Industrien Ausnahmen zugelassen werden; 4) daß für besonders ungesunde oder gefährliche Arbeiten Beschränkungen vorgesehen werden.

Der Antrag 1 wurde in der Kommission einstimmig angenommen mit Vorbehalten Luxemburgs und Belgiens wegen der Sonntagsruhe und der Erklärung Italiens wegen des Altersunterschieds von zwei Jahren für die südlichen Länder. Im Plenum stimmten 14 Staaten dafür, Italien dagegen.

Der Antrag 2 wurde in der Kommission mit 10 Stimmen gegen 2 (Belgien, Holland) und 3 Stimmenthaltungen (Österreich, Spanien, Italien), im Plenum mit 10 Stimmen gegen 3 (Belgien, Holland, Italien) und 2 Stimmenthaltungen (Österreich, Ungarn) angenommen. Österreich enthielt sich aus folgenden Gründen der Abstimmung: »In Österreich verbietet das Gesetz jedem minderjährigen oder erwachsenen Arbeiter, länger als 11 Stunden in gewerblichen Anlagen zu arbeiten. Es scheint ihm nicht zulässig, daß der jugendliche Arbeiter verpflichtet werde, kürzere Zeit als der erwachsene zu arbeiten, weil seiner Ansicht nach eine so enge Verbindung zwischen der Arbeit des jugendlichen Arbeiters und der des erwachsenen besteht, daß der eine wie der andre notwendigerweise in der nämlichen Stunde anfangen und aufhören müsse zu arbeiten. Die österreichische Delegation könne daher keinen Unterschied zwischen jugendlichen und erwachsenen Arbeitern zulassen.« Belgien und Holland erklärten, nur für einen Arbeitstag von 12, bez. 11 Stunden stimmen zu kön-^[folgende Seite]