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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Liquidationsbüreau; Liske; Litoralformation; Livland

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Liquidationsbüreau - Livland.

Derselbe ist jedoch seit 1871 geisteskrank und deshalb regierungsunfähig; er lebt seit 1872 in der Heilanstalt Gilgenberg bei Baireuth. Das Pactum tutorium von 1667 berücksichtigt aber nur die Vormundschaft für einen unmündigen, nicht die Regentschaft für einen kranken Inhaber des Throns. Der Gesetzentwurf bestimmte daher: »Der Fürst ist befugt, im voraus für den Fall einen Regenten, dem das ganze Domanialeinkommen zufallen soll, aus der Zahl der successionsberechtigten volljährigen Agnaten des Fürstenhauses zu ernennen, daß der Thronerbe Prinz Alexander zur Lippe zur Zeit des Anfalls der Regierung an deren eigner Übernahme durch körperliche oder geistige Schwäche verhindert sein sollte.« Die fernere Streitfrage, ob nun die erbherrliche Linie Lippe-Biesterfeld oder Schaumburg-Lippe als nächstberechtigt anzusehen sei, wurde hierbei nicht entschieden und nur gegen die erstere von seiten der Regierung der Umstand geltend gemacht, daß in ihr wiederholt nicht ebenbürtige Ehen geschlossen worden seien. Es war offenbar, daß die Regierung dem Fürsten das Recht sichern wollte, aus dem fürstlichen Hause Schaumburg-Lippe den Regenten zu ernennen und dadurch in der Erbfolgefrage eine Art Vorentscheidung zu fällen. Der Landtag war aber mit dieser Lösung keineswegs einverstanden und verlangte, daß dem Pactum tutorium gemäß dem Landtag durch Bestellung von Kontutoren ein Anteil an der Regentschaft eingeräumt und die Domanialfrage neu geregelt, mindestens dem Regenten nicht das ganze Einkommen aus den Domänen überlassen werde. Als demgemäß der Landtag 11. Okt. beschloß: »Eintretenden Falls ernennt der Landtag nach Analogie des § 5 der Verfassung von 1836 zwei Deputierte zur Regentschaft. Der Umfang ihrer Befugnisse bleibt gesetzlicher Feststellung vorbehalten«, zog die Staatsregierung die ganze Gesetzvorlage zurück. Darauf nahm der Landtag ohne weitere Erörterung die Erklärung an, daß noch dringender als die Vereinbarung neuer Regentschaftsbestimmungen die verfassungsmäßige Fürsorge für den Fall erscheine, »daß nach dem Ausscheiden der jetzt regierenden Linie des Regentenhauses infolge eines länger dauernden Thronstreits zwischen den Seitenlinien der Thron thatsächlich eine Zeitlang erledigt bleibt und damit die Thätigkeit der öffentlichen Organe lahmgelegt, der ganze Staatsorganismus in seiner Existenz zeitweilig gefährdet wird«. Die Regierung beschloß dagegen, von allen weitern Schritten zur gesetzlichen Lösung der Regentschafts-, bez. Thronfolgefrage abzusehen. Dies veranlaßte die Opposition im Landtag, der Regierung im Januar 1891 ausdrücklich ihre Mißbilligung darüber auszusprechen, daß es ihr bis jetzt nicht gelungen sei, geordnete und friedliche Zustände im Lande herzustellen.

Liquidationsbüreau (in Hamburg Effektenliquidationsbüreau, in Frankfurt a. M. Kollektivskontro genannt), eine von dem Liquidationsverein für Zeitgeschäfte an der Berliner Börse zu dem Zwecke geschaffene und jeweilig von der Bank des Berliner Kassenvereins nach Vereinbarung mit dem Vorstand jenes Vereins nach Art einer Zentralabrechnungsstelle organisierte Einrichtung, um die Abwickelung der am Ultimo zu erfüllenden Engagements zu erleichtern. Dem Verein gehören als Mitglieder alle Börsenbesucher an, welche Zeitgeschäfte abzuschließen pflegen, während andre, welche nur gelegentlich sich mit solchen Geschäften befassen, sich unmittelbar mit ihren Kontrahenten zu verständigen haben. Die Mitglieder des Vereins geben am Nachmittag des vorletzten Börsentags vor Ultimo an dem Büreau die von ihnen per ultimo abgeschlossenen Käufe und Verkäufe auf besondern Abrechnungsbogen (Skontrobogen) auf, diese Bogen, von denen für jedes Effekt ein besonderes Formular ausgegeben wird, enthalten die vollständige Liste der Mitglieder des Vereins. Da mitunter zwischen zwei Spekulanten während des Monats Käufe und Verkäufe abgeschlossen werden, so ergeben sich Saldi für den Einzelnamen. Aus den Saldi des ganzen Bogens, bez. aus der Gesamtsumme der zu liefernden und zu beziehenden Beträge ergibt sich der Betrag, welchen das Mitglied netto zu beziehen oder zu liefern hat (der Saldo). Diejenigen, welche mehr Stücke zu beziehen als zu liefern haben, fügen ihrem Skontro Empfangsbeläge über den Nettobetrag der zu erhaltenden Stücke bei. Diese Beläge werden am nächsten Morgen als Lieferzettel an diejenigen ausgegeben, welche nach Ausweis ihrer Skontri zu liefern haben. Sind die Skontri alle rechtzeitig eingeliefert und richtig aufgestellt, so muß die Gesamtsumme aller zu liefernden Stücke ebenso groß sein wie diejenige der zu empfangenden Stücke. Das Büreau steht alsdann glatt. Ergibt sich jedoch für dasselbe ein Saldo, so liegt ein Fehler vor, für welchen der schuldige Teil eine Konventionalstrafe zu zahlen hat. Kann aber der Fehler bis zu der der Einlieferung der Skontri nächstfolgenden Börse nicht ermittelt werden, so hat das Büreau das Recht, im Falle ein Saldo abzunehmen bleibt, Lieferzettel an den Verein selbst auszugeben.

Liske, Xaver, poln. Geschichtsforscher, starb 27. Febr. 1891 in Lemberg.

Litoralformation, s. Strandpflanzen.

Livland. Die Maßregeln der russischen Regierung zur Unterdrückung der lutherischen Kirche und der deutschen Kultur in den baltischen Provinzen wurden 1890 fortgesetzt. Die Konsistorien und Superintendenturen von Riga, Reval und der Insel Ösel wurden 23. März 1890 aufgehoben, den übrigen Konsistorien befohlen, ihre gesamte Korrespondenz nur in russischer Sprache zu führen. Auch wurden die Konsistorien unter die Beschlüsse des heiligen russischen Synods gestellt. Der russischen Kirche wurde das Enteignungsrecht zum Bau russischer Gotteshäuser und Schulen verliehen und die »baltische Brüderschaft«, welche sich die Bekehrung des lettischen und esthnischen Landvolks zum Ziel ihrer Bestrebungen machte, auf jede Weise begünstigt. Unter diesen Umständen waren die Erfolge der Proselytenmachereien nicht unbedeutend. 1887 traten in den drei baltischen Gouvernements 2360 Personen von der lutherischen zur russischen Kirche über. Dagegen waren von den in den 40er Jahren bekehrten viele (120,000), namentlich seit 1864, wieder zum Luthertum zurückgekehrt, und gegen diese richtete sich namentlich der Zorn der russischen Popen und Beamten. Die Erteilung des Abendmahls an dieselben durch lutherische Geistliche wurde streng geahndet. Ferner wurden zahlreiche lutherische Geistliche mit Gefängnis oder Verbannung bestraft, weil sie gemischte Ehen eingesegnet oder ihre Gemeindemitglieder verhindert hätten, sich freiwillig der griechisch-orthodoxen Kirche anzuschließen u. dgl. m. Besonders stachelten die Russen die Landleute auf, ihre Geistlichen der Schmähung der orthodoxen Kirche zu beschuldigen, und auf solche Zeugnisse hin wurden mehrere Pastoren zu schweren Strafen verurteilt. In Mitau wurde am Gymnasium die evangelische Schulandacht ohne weiteres vom Direktor, einem zur orthodoxen Kirche übergetretenen Tschechen, durch eine griechisch-orthodoxe Gebetsfeier ersetzt, obwohl von