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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Pädagogische Litteratur 1880-90

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Pädagogische Litteratur 1880-90 (Quellensammlungen etc.).

Schulwesen des Deutschen Reichs durch die Reichsschulkommission würden allein dem Rückblick dessen auf sein amtliches Leben, der bei diesen Dingen vor allen andern die Hand im Spiele gehabt hat, dauernden Wert verleihen. Er kann solchen aber auch wegen der innern geistigen Bedeutung des Mannes beanspruchen, mag man nun dessen persönlichen Standpunkt teilen oder nicht. Sehr glücklich reiht sich dieser Autobiographie das ansprechende Lebensbild an, das C. Varrentrapp von Wieses bedeutendstem Vorgänger und zeitweiligem Amtsgenossen entworfen hat: »Johannes Schulze und das höhere Unterrichtswesen in seiner Zeit« (Leipz. 1889). Der Mann, der die preußischen Gymnasien und Realschulen von 1818 an leitete, umgestaltete und mit Kortüm, Brüggemann, schließlich auch Wiese bis 1859 beeinflußte, der in unser höheres Unterrichtswesen die seiner lebhaften Natur tief eingeprägten Ideen eines Winckelmann, Wolf, Schleiermacher, Hegel einführte, in ihm das mit gleicher Liebe erfaßte Griechentum und Deutschtum in vielleicht nur zu buntem Gemisch auszugestalten bemüht war, tritt hier zuerst in einem liebevoll entworfenen abgerundeten Gemälde vor die Leserwelt. Daß beide Lebensbilder zeitlich mit der scharfen Kritik der neuern preußischen Schulgeschichte in Paulsens Geschichte des gelehrten Unterrichts hart aufeinander treffen, kann das Interesse für sie nur spannen, und die geschichtliche Erkenntnis wird auch in diesem Falle nur dabei gewinnen. Welche reiche und vielfach neue Schätze auch für die Geschichte der Pädagogik in der zweiten Auflage der Schmid-Schraders Encyklopädie aufgespeichert liegen, ist oben bereits angedeutet.

Quellen- und Urkundensammlungen, die Monumenta Germaniae paedagogica.

Endlich muß hier noch eines für die Geschichte der Erziehung und des Unterrichts überaus wichtigen Zweiges der Litteratur gedacht werden: der Quellen- und Urkundensammlungen und der ihnen sich unmittelbar anschließenden Einleitungen, Übersichten etc. Im einzelnen sind natürlich die Grenzen fließende; im ganzen aber unterscheiden sich diese wertvollen Beiträge auch äußerlich von der allgemeinen Litteratur der Schulgeschichte durch ihr geschlossenes Auftreten in der Gestalt von Sammel- und Gesamtwerken. Ein Vorbild für diese ganze Art hat schon vor einem Menschenalter Vormbaum mit seiner Sammlung evangelischer Schulordnungen aus dem Zeitalter der Reformation gegeben. Aus dem achten und neunten Jahrzehnt des Jahrhunderts ist eine ganze Reihe von Sammlungen pädagogischer Klassiker ehrenhalber zu erwähnen, die bei Beyer in Langensalza, Siegismund und Volkening in Leipzig, Pichler in Wien und Leipzig erscheinen. Diese Sammelwerke bilden bereits stattliche Bibliotheken und haben die Kenntnis der Vorgeschichte unsers Erziehungs- und Unterrichtswesens in weitere Kreise tragen helfen. Noch neue Sammlungen sind hinzugetreten, wie die »Klassiker der Pädagogik«, die unter Mitwirkung bewährter Kräfte G. Fröhlich herausgibt (Langens., seit 1888), und die im katholischen Sinne von B. Schulz, H. Gansen und A. Keller unternommene »Sammlung der bedeutendsten pädagogischen Schriften« (Paderb. und Münster, seit 1885). Wenn bei allen diesen Sammlungen die Rücksicht auf einen weitern Leserkreis vorwaltet und daher das fremdländische verdeutscht, auch manches verkürzt und zusammengezogen auftritt, so ist bei der von Israel unternommenen »Sammlung selten gewordener pädagogischer Schriften des 16. und 17. Jahrh.« (Zschopau, seit 1879) und den von J. ^[Johannes] Müller herausgegebenen »Vor- und frühreformatorischen Schulordnungen und Schulverträgen in deutscher und niederländischer Sprache« (das. 1886 ff.) urkundlich treue Wiedergabe als wesentliches Merkmal vorangestellt. Man kann dem Bestreben, durch Urdrucke alter handschriftlicher und durch Neudrucke alter, selten gewordener Schätze die Quellen der Schul und Erziehungsgeschichte allgemein zugänglich zu machen, nur den besten Fortgang wünschen. Dieser Wunsch gilt ganz besonders dem bedeutendsten aller dieser Unternehmen: dem von K. Kehrbach herausgegebenen Sammelwerk der »Monumenta Germaniae paedagogica« (Berl., seit 1886). Der verdiente Urheber und Leiter dieses großartig angelegten Urkundenwerkes wünscht darin die gesamte Entwickelung des deutschen Erziehungs- und Unterrichtswesens in ihren wesentlichen litterarischen Manifestationen ohne Vorzug einer besondern Schulart, eines besondern Zeitraums oder Bekenntnisses, überhaupt ohne jeden Parteistandpunkt vorzuführen. Als Gegenstände der Veröffentlichung bezeichnet er in erster Linie: 1) Schulordnungen, kirchliche, staatliche, gemeindliche etc.; 2) Schulbücher, soweit sie eine Zeit und ihren Geist besonders deutlich ausprägen; 3) theoretische pädagogische Aufsätze der Schulmänner eines bestimmten Zeitalters; 4) sonstige Urkunden pädagogischer Art und Selbstbiographien, Schulkomödien, Schulreden, Tagebücher, allerlei Akten. In zweiter Linie richtet er sein Absehen auf allerhand gelegentliche Notizen, bildliche Darstellungen sowie Gesetze, Urkunden, Inschriften, die mittelbar mit dem Schulwesen in Beziehung stehen. Auf Grund dieses kühnen, weitschichtigen Planes haben Herausgeber und Verleger mit Hilfe einer Anzahl tüchtiger Gelehrter bereits 10 stattliche Bände ins Leben gerufen, die, von ungleichem Werte, doch als ein durchaus würdiger und vielversprechender Anfang anerkannt werden müssen; eine weit größere Zahl von selbständigen Teilen des Ganzen ist in Vorbereitung begriffen. Die bisher erschienenen Bände haben folgenden Inhalt: Band 1 und 8: »Braunschweigische Schulordnungen von den ältesten Zeiten bis zum Jahre 1828« (hrsg. von Fr. Koldewey, 1886 u. 1890); Band 2, 5 und 9: »Ratio studiorum et Institutiones scholasticae Societatis Jesu per Germaniam olim vigentes, collectae, concinnatae, dilucidatae« von G. M. Pachtler, S. J. (1887-1890); Band 3: »Geschichte des mathematischen Unterrichts im deutschen Mittelalter bis 1525« von S. Günther (1887); Band 4: »Die deutschen Katechismen der Böhmischen Brüder; kritische Textausgabe mit kirchen- und dogmengeschichtlichen Untersuchungen und einer Abhandlung über das Schulwesen der Böhmischen Brüder« von J. Müller (1887); Band 6: »Die siebenbürgisch-sächsischen Schulordnungen« (hrsg. von Fr. Teutsch, 1. Bd., 1888); Band 7: »Philipp Melanchthon als Praeceptor Germaniae« von K. Hartfelder (1889); Band 10: »Geschichte des Militärerziehungs- und Bildungswesens in den Landen deutscher Zunge« von B. Poten (1. Bd., 1889). Bei der großartigen Anlage des ganzen Unternehmens lag die Sorge nahe, ob die Kräfte eines einzelnen Verfassers und Verlegers dessen Gedeihen dauernd sichern könnten. Schon die Philologenversammlung zu Gießen (1885) beschäftigte sich daher mit der Angelegenheit und erbat durch ihren Ausschuß vom Reichskanzler eine Beihilfe zu den Kosten der Monumente. Diese ward aus formellen Bedenken leider nicht bewilligt. Daher beschloß die folgende Versammlung zu Zürich (1887) die Gründung einer