Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Säugetiere

815

Säugetiere (Stammesgeschichte).

roten und Tapiren im Wasatch- und Bridgerbed und enden mit dem White Riverbed, wo sie die Dimensionen von Elefanten erreichten. In ihrem Habitus erinnern diese Tiere am ehesten an das Nashorn. Sie hatten ebenfalls kräftige Hörner, doch standen dieselben nicht hinter-, sondern nebeneinander. Die Zehenzahl ist vorn vier, hinten drei. Die größten Tiere des Eocäns waren die Dinoceraten (Nashorngröße). Die Vorderextremität hat Ähnlichkeit mit Rhinozeros, die Hinterextremität mit Elefant, doch ist die Zehenzahl auch vorn fünf. Ein abenteuerliches Aussehen erlangten diese Tiere durch die Anwesenheit von drei Paar knöchernen Hornzapfen auf Nasenbein, Oberkiefer und Scheitelbeinen. Das Gehirn war im Verhältnis zum Schädel auffallend klein und dabei noch ganz reptilienähnlich (Hinterhirn vollkommen frei, Großhirn fast vollständig glatt). Die Backenzähne tragen nach innen konvergierende Joche. Die vordern Backenzähne sind zum großen Teil schon molarähnlich wie bei den geologisch jüngern Unpaarhufern. Die Dinoceraten stammen von den Pantolambda des Puercobed, welche eine Abteilung der Kondylarthren darstellen. Pantolambda hat den ursprünglichsten Zahnbau von allen Huftieren. Die obern Backenzähne bestehen aus zwei Außen- und einem Innenhöcker, die untern aus Vorder-, Außen- und Innenhöcker nebst einem niedrigen Absatz. Dieser Trituberkular-, resp. Tuberkularsektorialtypus ist unter den Raubtieren und Insektenfressern noch jetzt zu finden, und sein Vorkommen bei jenem alten Huftier beweist, daß auch die Huftiere von Fleischfressern abstammen, um so mehr, als auch das Skelett, namentlich die Gestalt der Endphalangen (Hufe), von dem der Fleischfresser nur wenig abweicht. Von Pantolambda geht auch Coryphodon aus, das jedoch im Gegensatz zu den Dinoceraten keine Hornzapfen trägt und auch noch einfach gebaute vordere Backenzähne (Prämolaren) besitzt. Die Paarhufer sind bis zum Obermiocän in Nordamerika fast bloß durch die gänzlich erloschene Gruppe der Oreodontiden und durch Tylopoden (Kamele und Lamas) repräsentiert. Die Oreodontiden beginnen im Uintabed mit dem Protoreodon, das auch noch an der Hand einen fünften Finger besitzt. Sonst ist die Zehenzahl vier. In der Größe sowie im Skelett stimmen die Oreodontiden so ziemlich mit den Schweinen überein, doch bestehen die Backenzähne nicht aus Höckern, sondern aus Halbmonden wie bei den Wiederkäuern. Auffallend ist bei den Oreodontiden die Verkürzung der Gesichtspartie. Im Johndaybed stirbt dieser Stamm aus, dessen ganze Organisation auf eine aquatile Lebensweise schließen läßt. Die Tylopoden erscheinen zuerst im Bridgerbed als vierzehiger Pantolestes und im Uintabed als Leptrotragulus mit vier Zehen vorn und zwei Zehen am Hinterfuß. Im White Riverbed (Poëbrotherium) sind zwar auch am Vorderfuß die Seitenzehen verschwunden, die Metapodien der mittlern bleiben aber noch immer getrennt. Im Loupforks (Procamelus, Protauchenia) und Johndaybed verschmelzen die Mittelfußknochen zu einem einfachen Rohr. Auch lassen sich bereits Kamele und Lamas voneinander unterscheiden, doch ist im Gegensatz zu den lebenden ihre Zahnzahl noch höher, somit ursprünglicher. Gegen Ende des Tertiärs wandern die Kamele nach der Alten Welt, die Auchenias nach Südamerika aus. Echte Hirsche sowie die Ahnen der lebenden Gabelantilope erscheinen erst etwa im Obermiocän oder Pliocän, die Rinder gar erst im Diluvium. Schweine fehlen während des Tertiärs in Nordamerika. Erst im Pliocän treten daselbst die noch jetzt in Amerika lebenden Nabelschweine (Dicotyles) aus. Sie werden bis dahin gewissermaßen ersetzt durch Achaenodon im Bridger- und Hyopotamus und Entelodon im White Riverbed. Alle drei zeichnen sich durch gewaltige Dimensionen aus und erinnern somit mehr an das Flußpferd. Die beiden letztern sind jedoch europäische Typen, der erstere erlischt sehr bald wieder vollständig. Seine Organisation, Gebiß und Kiefergelenk sprechen deutlich für seine Abstammung von Fleischfressern. Die Fleischfresser sind im ältern Tertiär von Nordamerika fast nur durch Kreodonten repräsentiert, die hier allerdings einen ansehnlichen Formenreichtum entfalten. Am wichtigsten von diesen Formen ist die langlebige Gattung Oxyaena. Neben den Kreodonten lebten von Fleischfressern nur die Gattungen Miacis und Ditymictis. Die letztere schließt sich im Zahnbau und der Zahnzahl an die Zibetkatzen, die erstere an die Hunde an. Im White Riverbed erscheint die bis dahin ausschließlich auf Europa beschränkte Kreodontengattung Hyaenodon; gleichzeitig treten daselbst auch zahlreiche katzen- und hundeähnliche Formen auf, welche bis dahin ebenfalls in Europa zu Hause waren. Unter den erstern sind namentlich die Dinictis, unter den letztern die Temnocyon, Amphicyon und Oligobunis bemerkenswert. Auch eine marderähnliche Form erscheint zu dieser Zeit in Nordamerika. Im Obermiocän finden sich die ältesten bekannten Vertreter des Hyänenstammes, Hyaenocyon; die Zahl der Zähne ist hier noch größer als bei Hyaena, auch haben die hintern Backenzähne noch einen viel kompliziertern Bau und zeigen somit, daß dieser Typus von Zibetkatzen ähnlichen Karnivoren abstammt. Die Bären und der größte Teil der Marder ist wohl erst zu Ende der Tertiärzeit nach Nordamerika gekommen. Fossile Fledermäuse und Insektenfresser kennt man nur ganz wenige aus Nordamerika. Unter den letztern sind nur die Iktopsiden nennenswert, insofern sie vermutlich auf die gleiche Stammform zurückgehen wie die Igel und die lebenden Gymnura. Doch haben sie selbst keine Nachkommen in der Gegenwart hinterlassen.

Die Nager sind im ältern Tertiär von Nordamerika bloß durch den murmeltierähnlichen Plesiarctomys vertreten. Im Miocän erscheinen Biber, Hasen, Stachelschweine, Mäuse und verschiedene Formen, welche sich dort, freilich zum Teil in veränderter Gestalt, auch bis zur Gegenwart erhalten haben.

Affen und Halbaffen spielen im ältern Tertiär von Nordamerika eine große Rolle. Die erstern (Hyopsodiden) dürfen als Ahnen der Paviane und Meerkatzen betrachtet werden; sie haben jedoch noch eine höhere Zahnzahl. Auch haben die Backenzähne derselben ganz die gleichen Veränderungen erlitten wie jene der ältern Paarhufer, nämlich Verschmelzung gewisser Höcker. Im Miöcän ^[richtig: Miocän] verschwinden die letzten Affen in Nordamerika.

Die älteste säugetierführende Ablagerung des europäischen Tertiärs, Gegend von Reims, enthält Multituberkulaten, eigenartige Insektivoren (Plesiadapis etc.) und mehrere Fleischfresser (Kreodonten), aber noch keine Huftiere. Solche erscheinen erst später in Europa und zwar im Londonthon, an einigen Orten in Frankreich (Soissons, Issel, Argenton) und in den Schweizer Bohnerzen. Die letztern schließen mehrere Formen ein, die allenfalls als Kondylarthren gedeutet werden dürfen, unter ihnen ist insbesondere ein Phenacodus (?) bemerkenswert. Das entschiedene Übergewicht haben die