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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Théâtre libre; Theben; Theologische Litteratur

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Théâtre libre - Theologische Litteratur.

gesichert sein sollen: ein Theater für das feinere Schau- und Lustspiel am Schiffbauerdamm und eine Spezialitätenbühne, die auch Ausstattungsstücke bringen will, auf einem großen Gebäudekomplex Unter den Linden. Neu begründet sind in den Jahren 1889 und 1890 das Parodietheater, das sowohl klassische Schauspiele und Opern als auch die erfolgreichsten Repertoirestücke andrer Theater zu tollen Burlesken travestiert, und das Bürgerliche Schauspielhaus, das seine Absicht, zu einem guten Volkstheater für den Mittelstand zu werden, jedoch aus Mangel an Teilnahme nicht durchführen konnte.

Unter den während der Jahre 1889 und 1890 neuerbauten und eröffneten Theatern im Deutschen Reich sind die hervorragendsten: das Stadttheater in Tübingen (eröffnet 1. Jan. 1889), das aus Beiträgen der Stadt und der Bürgerschaft nach den Plänen von O. March in Charlottenburg errichtete Spiel- und Festhaus in Worms (eröffnet 20. Nov. 1889), das einerseits zur Pflege des Volksschauspiels unter Mitwirkung der Einwohnerschaft bei festlichen Gelegenheiten dienen soll, anderseits für gewöhnlich nur an Sonntagen Vorstellungen von Mitgliedern des Hoftheaters in Darmstadt bietet, und das von Schnittger und Nierenheim erbaute Stadttheater in Göttingen (eröffnet 30. Sept. 1890).

Das Oberammergauer Passionsspiel kam 1890 zum 25. Male an 25 Tagen (vom 26. Mai bis 28. Sept.), denen sich an den folgenden Tagen noch häufig wegen des großen Andrangs Wiederholungen anschließen mußten, zur Aufführung, aber in einer Gestalt, die von der der frühern Aufführungen in vielen Punkten abwich und sich (im Gegensatz zu den in München gepflegten Bestrebungen nach Vereinfachung des Bühnenapparats) mehr dem modernen Bühnenprunk zuwandte, wodurch der naive Charakter des ursprünglichen Volksschauspiels stark beeinträchtigt wurde. Das alte Bühnenhaus wurde nicht nur von dem Münchener Obermaschinenmeister Lautenschläger völlig umgestaltet und mit neuen Maschinerien versehen, sondern es wurden auch neue Dekorationen und Kostüme angeschafft, wodurch ein Kostenaufwand von etwa 250,000 Mk. verursacht wurde, dem allerdings eine Einnahme von etwa 700,000 Mk. gegenübersteht. Das Passionsspiel rief wieder eine Flut von litterarischen Erzeugnissen hervor, von denen jedoch keins die vorhandene ältere Litteratur wesentlich bereichert. Auch im Übrigen Deutschland haben die auf Wiederbelebung des altdeutschen Volksschauspiels unter Mitwirkung von Dilettanten gerichteten Bestrebungen lebhaften Anklang gefunden. Nächst dem Lutherspiel von Hans Herrig, der auch für die Eröffnung des Wormser Spiel- und Festhauses ein Volksschauspiel unter dem Titel: »Drei Jahrhunderte am Rhein« verfaßt hat, haben die meisten Aufführungen erlebt: das Lutherspiel von Otto Devrient (138 von 1883 bis 1890, davon 70 in den Jahren 1889 und 1890) in 13 verschiedenen Städten, das Weihnachtsspiel »Christnacht« von Hans Herrig, das Volksschauspiel »Luther und seine Zeit« von Trümpelmann, das Hutten-Sickingen-Spiel von Bungert in Kreuznach und »Gustav Adolf« von Paul Kaiser.

Aus der Chronik der deutschen Theater außerhalb des Deutschen Reiches ist der am 30. April 1890 erfolgte Schluß des deutschen kaiserlichen Hoftheaters in St. Petersburg nach etwa 80jährigem Bestehen besonders erwähnenswert. Obwohl diese Maßregel nicht ohne Zusammenhang mit den neuerdings mit großem Nachdruck betriebenen Russifizierungsbestrebungen sein mag, so ist doch der Verlust dieser Pflegstätte deutscher Schauspielkunst im Auslande deshalb nicht sehr zu beklagen, weil der letzte Leiter, vielleicht unter dem Druck ungünstiger Verhältnisse, weniger auf die Pflege der deutschen Bühnenlitteratur als auf leichte Reizungen des Unterhaltungsbedürfnisses durch Singspiele etc. bedacht war. Auch das deutsche Theater in Budapest ist, nachdem es 20. Dez. 1889 durch Brand zerstört worden, eingegangen. Vgl. auch Dramaturgische etc. Litteratur.

Théâtre libre, s. Freie Bühnen.

Theben in Böotien ist 1888 von E. Fabricius genauer untersucht worden, wobei derselbe den Lauf der Stadtmauern fast ringsum feststellen konnte. Letztere, aus dem Jahre 316 v. Chr., als Kassander T. wiederherstellte, stammend, bestanden aus Lehm und waren oben mit Dachziegeln gedeckt, welche sich vielfach an Ort und Stelle erhalten haben und so den Zug der Mauern verraten. Es ergab sich, daß dieselben viel weiter nach W. reichten und dort ein größeres Terrain einschlossen, als man bisher angenommen hat. Im S. fallen sie mit der Südmauer der Kadmeia zusammen, des Burghügels, welcher die heutige Stadt trägt und ebenso die älteste Ansiedelung getragen hat, welche aber schon in vorhistorischer Zeit durch Amphion und Zetos zum siebenthorigen T. erweitert wurde und diesen Umfang von 43 Stadien oder etwas über eine deutsche Meile stets beibehielt, auch bei der Wiederherstellung durch Kassander. Schon um 250 v. Chr. war aber T. bereits wieder auf die Kadmeia beschränkt, und zu Pausanias' Zeit (2. nachchristliches Jahrhundert) war auch die Mauer Kassanders schon verfallen. Von den Thoren setzt Fabricius eines, die Pylai Neïstai, in die Westmauer; eines, das Quellenthor, in die Nordmauer; zwei, die Pylai Proitides und die Pylai Homoloïdes, in die Ostmauer; und drei, die Pylai Hypsistai, Ogygiai und Elektrai (von W. nach O. gerechnet), in die Südmauer. Die ältere Agora ist in der nordöstlichen Ecke der Stadt zu suchen.

Theologische Litteratur. Vor schon 15 Jahren hat Adolf Hausrath sein ausgezeichnetes Werk »David Friedrich Strauß und die Theologie seiner Zeit« mit den Worten beschlossen: »Die Gegenwart ist nur der letzte Augenblick der Vergangenheit, und die Generation von heute findet die Arbeit da, wohin das Geschlecht von gestern sie geschoben. Hengstenberg, Hoffmann und Strauß sind im Laufe der letzten Jahre der Reihe nach abgerufen worden. Ihr Erbe haben wir angetreten. Es wird uns niemand um diese Erbschaft beneiden« (S. 398). Auf den ersten Anblick scheinen diese wenig ermutigenden Worte allerdings der heutigen Sachlage kaum zu entsprechen. Wenigstens finden wir im theologisch-kirchlichen Sprechsaal gemeinhin eine recht erbauliche Sicherheit und Selbstzufriedenheit an der Tagesordnung. Wer an frühere Tage zurückdenkt, sich etwa die Sachlage vor einem halben Jahrhundert vergegenwärtigt, wo die Mythologisierung des »Lebens Jesu« durch D. Fr. Strauß den angesehensten, auch gläubigsten und zugleich gelehrtesten Theologen schlaflose Nächte verursachte, wo es sich um die pantheistische oder theistische Fassung des Gottesbegriffs handelte, die persönliche Fortdauer in Frage stand und die Religion als die welthistorische Selbsttäuschung des krankhaften Menschenherzens entlarvt sein sollte, der wird aus den religionsphilosophischen und dogmatischen Debatten der Gegenwart zunächst nur den Eindruck empfangen, als seien alle jene kräftigen Probleme, darüber sich Väter und Großvater der heutigen Generation die Köpfe zerbrachen, zu gun-^[folgende Seite]