Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

73

Balkanhalbinsel (wirtschaftliche Verhältnisse)

Zollgebiet etwa 33,000 qkm mit 980,000 Einw. Dies muß im Auge behalten werden, wenn man vernimmt, daß zwischen 1880 und 1889 die Einfuhr Bulgariens in das deutsche Zollgebiet um 198,14 Proz., die Ausfuhr nach Bulgarien aber sogar um 594,62 Proz. stieg. Der Wert des bulgarischen Gesamthandels bezifferte sich 1889 in der Einfuhr auf 58,295,200, in der Ausfuhr auf 64,464,800 Mk. Deutschland führte aus Bulgarien 1889 für 1,160,000 Mk. Waren ein, für 1,401,000 Mk. nach dorthin aus. Unsre Ausfuhr nach Bulgarien besteht in Eisen und Eisenwaren, Farben und Farbewaren, wollenen, leinenen, halbseidenen Waren, Handschuhleder, Instrumenten u. a., unsre Einfuhr in Weizen, Roggen, Gerste, Mais, während wir Rosenöl, die unübertrefflichen Walnüsse und andre hochklassige Bodenprodukte auf Umwegen empfangen. Der bei weitem größte Teil der Einfuhr dieses »gelobten Landes« kommt aber aus Österreich, dem es gelungen ist, die englischen und mehr noch die Produkte aller andern Länder durch seine eignen zu ersetzen. Seit März 1888 besteht in der Landeshauptstadt ein österreichisches Warenmusterlager, an dem die ersten Industriellen der Monarchie beteiligt sind. An der Einfuhr Griechenlands (1889: 106,122,400 Mk.) war Deutschland mit 1,922,000, an der Ausfuhr (86,221,600 Mk.) mit 2,803,000 Mk. beteiligt. Die Zunahme des Handelsverkehrs seit 1880 betrug im ersten Fall 3,80, im zweiten 122,34 Proz. Griechenland erweist sich einstweilen als nicht sehr aufnahmefähig, mit der Zunahme des Ausfuhrhandels wird aber auch der Import sich heben. Griechenland führt nach Deutschland namentlich Korinthen, dann Wein, Erze, Rosinen, Badeschwämme aus, es führt von dort ein Eisenbahnschienen, Lokomotiven und Lokomobilen, gewalzte und gezogene Röhren, wollene Tuch- und Zeugwaren, Chinin und Chininpräparate. Der nachgewiesene Gesamtverkehr der Staaten der B. mit Deutschland, aber ohne Bosnien und Herzegowina, welche als integrierender Teil der österreichisch-ungarischen Monarchie behandelt werden, bezifferte sich wie folgt:

Einfuhr aus Deutschland Ausfuhr nach Deutschland

1888 33635000 Mark 9961000 Mark

1889 58314000 27680000

wobei aber die deutsche Reichsregierung annimmt, daß nur der dritte Teil aller Transaktionen zur Anschreibung kommt, da die deutschen Waren ihren Weg in die betreffenden Gebiete teils durch andre Länder (und demnach als deren Provenienz erscheinend), teils in fremden Schiffen und dann mit demselben Resultat finden.

Der gewaltige Aufschwung des Verkehrs auf der Halbinsel ist nicht allein dem immer kräftiger sich entfaltenden Seehandel in den großen Seehäfen Konstantinopel und Saloniki wie an der Donaumündung beizumessen, auch der zwar nach 1873 ins Stocken geratene, aber dann wieder aufgenommene Eisenbahnbau in dem in Bezug auf Kommunikationen arg vernachlässigten Lande hat das Seinige zu dieser Entwickelung gethan. Heute entspricht das vorhandene Eisenbahnnetz bereits den internationalen wirtschaftlichen Ansprüchen und bedarf nur noch auf Grund lokaler ökonomischer Interessen da und dort der Ausgestaltung. Von dem rumänischen Eisenbahnnetz, das Ende 1891 eine Länge von 2505,8 km hatte, gehört nur die 64 km lange, das Plateau der Dobrudscha an seiner schmalsten Stelle zwischen der Donau und dem Schwarzen Meer durchschneidende Bahnlinie Tschernawoda-Küstendsche der B. an. Diese Bahn ist wichtig für den rumänischen Getreideexport, weil sie die kürzeste Verbindung zwischen der östlichen Walachei und dem Meere herstellt. Sie wird noch bedeutend gewinnen durch den bereits in Angriff genommenen Bau von Brücken über die Donau bei Tschernawoda, über das Überschwemmungsgebiet zwischen der Donau und ihrem linken Seitenarm, der Bortschea, sowie über die letzte selber. Dadurch wird die jetzt noch bestehende Lücke zwischen Tschernawoda und Futeschti ausgefüllt sein. In Bulgarien waren 1890 im Betrieb 490 km Staats- und 312 km Privatbahnen, zusammen 802 km, im Bau 553 km. Ende 1888 hatte das eigentliche Bulgarien 338, Ostrumelien 353, das Fürstentum also 691 km, nämlich die vier Linien Rustschuk-Warna (225 km), Zaribrod-Vakareb-Mustafa Pascha, ein Teil der so wichtigen direkten Verbindung Westeuropas mit Konstantinopel (361 km), Tirnowa-Jamboli (106km) und die Militärbahn Kaspidschan-Schumla (15 km); 27. Mai 1890 wurde die Südbulgariens Entwickelung mächtig fördernde Bahn Burgas-Jamboli (108 km) eröffnet, eine Bahn von Philippopel über Stora-Saghra, Nova-Saghra und Sliwno nach Jamboli (130 km) ist bereits in Bau genommen, während eine andre von Kaspidschan über Schumla, Tirnowa, Plewna, Roman und Sofia nach Köstendil (450 km) geplant ist. Die Eisenbahnen von Serbien haben eine Länge von 526km, welche sich auf vier Linien verteilen. Die Linie Belgrad-Nisch-Zaribrod (341 km) schließt sich bei der Grenzstation Zaribrod an die bulgarische Linie an und bildet ein Glied der großen Überlandlinie nach Konstantinopel. Bei Nisch zweigt sich eine Linie nach der Grenzstation Wranja (111 km) ab und setzt sich dann auf türkischem Boden nach Saloniki fort, die Flügelbahn Welika-Plana-Semendria (45 km) stellt eine direkte Verbindung zwischen der Donau und dem Thal der Morawa her, während eine zweite Flügelbahn, die Militärbahn Lepowo-Kragujewatz (29 km), die durch ihre Waffenfabriken wichtige alte Hauptstadt von Serbien mit der Hauptbahn verbindet. Bosnien hat gegenwärtig 547 km Eisenbahnen, nämlich die bosnisch-herzegowinischen Staatsbahnen Doboj-Siminhan (67 km), Mostar-Metkowitsch (43 km) und Mostar-Ostrazac (66 km), die bereits früher angelegte, von der österreichisch-ungarischen Verwaltung übernommene Linie (k. k. Militärbahn) Doberlin-Banjaluka (102 km) und die fast ganz Bosnien durchziehende Schmalspurbahn (k. k. Bosnabahn) Bosnischbrod-Serajewo (269km). In technischer Beziehung waren beim Bau der bosnischen Bahnen wenig Schwierigkeiten zu überwinden, doch kommen dieselben in erhöhtem Maße bei dem noch fertig zu stellenden Zwischenglied Serajewo-Mostar zur Geltung. Die türkischen Bahnen haben eine Gesamtlänge von 820km; sie zerfallen in vier Linien. Von der Bahn Wranja-Üsküb-Saloniki (243 km) liegen die zehn ersten Kilometer noch auf serbischem Gebiet. Die Bahn ist eine Abzweigung der großen Linie Hamburg-Berlin-Breslau-Budapest-Belgrad-Nisch-Konstantinopel. Unter allen türkischen Häfen am europäischen Ufer hat Saloniki nächst Konstantinopel den bedeutendsten Schiffahrtsverkehr; 1889 - 90 verkehrten im Hafen 4493 Schiffe von 702,843 Ton., darunter 642 Dampfer von 633,115 T. Leider ist der von der Natur ungemein begünstigte Hafen in der Nähe des prächtigen Kais arg verschlickt. Der Ausbau desselben ist zwar längst der Verwaltung der Zivilliste des Sultans überwiesen worden, doch wird dieselbe die Konzession zum Bau wahrscheinlich