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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Beloch; Bender Abbas; Beniczty-Bajza; Berechtigungen höherer Lehranstalten; Berg; Bergbahnen

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Beloch - Bergbahnen

des Stimmrechts auf den Wohnsitz nach englischem Muster, wodurch 800,000 Wähler geschaffen würden. Zur Verstärkung der königlichen Macht wurde das königliche Referendum in Betracht gezogen, d. h. das Recht des Königs, bei wichtigen Gesetzen eine Volksabstimmung Zu fordern. Der Bericht der Zentralsektion, welchen der klerikale Abgeordnete de Smet de Naeyer verfaßte, wurde erst im August 1891 dem Zentralausschuß der Kammer vorgelegt und erklärte eine vorherige Einigung der Parteien als Bedingung der Revision; als Probe dieser Einigung forderte er vor der Abstimmung über die Verfassungsdurchsicht die Einführung eines kommunalen und provinzialen Wahlgesetzes auf Grundlage des Wohnsitzes. Dies englische System lag im Interesse der Klerikalen, da es vor allem die Zahl der ländlichen Wähler zu vermehren geeignet war. Die Altliberalen, an ihrer Spitze Frère-Orban, verteidigten dagegen das 1883 für die Gemeinde- und Provinzialwahlen eingeführte Kapazitätssystem, das eine Zahl von 550,000 Wählern ergeben würde, d. h., nur die lesen und schreiben könnten, sollten wählen dürfen. Damit war jedoch ein Teil der Liberalen ebensowenig einverstanden wie mit dem klerikalen Vorschlag, weil bei beiden Systemen die Fälschungen der Wählerlisten nicht zu verhindern wären, und verband sich mit den Radikalen zur Forderung des allgemeinen Wahlrechts, wenn auch mit einigen Einschränkungen. Diese Uneinigkeit der Liberalen verstärkte die Position der Klerikalen, die daher sehr selbstbewußt auftraten. Die Kammer beschloß im November auf Antrag der Regierung, die Beratung der Verfassungsrevision nach den Weihnachtsferien zu beginnen.

Die Finanzlage des Staates war günstig. Das definitive Budget für 1892 schloß mit einem Überschuß von 3 Mill., während die Jahresrechnung für 1889 einen Überschuß von 15¾ Mill. ergeben hatte. Beernaert konnte 8. Dez. in der Kammer rühmen, daß das Budget seit sechs Jahren mit Überschüssen abgeschlossen habe und 60 Mill. für außerordentliche Ausgaben verwandt worden seien; in keinem Lande außer in England sei der Kurs der Rente so hoch wie in B. Nachdem die Kammer im Januar 1892 den Handelsvertrag mit Deutschland genehmigt und die Regierung zu Verhandlungen mit den andern Staaten über die Neuregelung der Handelsverhältnisse ermächtigt hatte, begann 2. Febr. die Beratung der Verfassungsrevision. Der Ministerpräsident Beernaert schlug eine Anzahl Verfassungsänderungen vor, die außer dem Wahlrecht vorzunehmen seien, und drang zunächst auf eine Entscheidung der Kammern über die Grundzüge der Reform; die Kammern sollten erklären, daß gewisse Artikel des Grundgesetzes der Durchsicht bedürften, und dann, etwa im Mai, aufgelöst werden. Die Vorschläge der Regierung, namentlich der, welcher die Umgestaltung der Ersten Kammer betraf, fanden die Billigung der Mehrheit; auch der Einführung des königlichen Referendums, gegen welches Woeste Bedenken erhob, fügte man sich.

Beloch, Julius, Archäolog und Historiker, geb. 21. Jan. 1854 zu Nieder-Petschkendorf im schlesischen Kreis Lüben, erwarb 1875 in Heidelberg den philosophischen Doktorgrad und wurde 1879 Professor der alten Geschichte an der Universität Rom. Er schrieb: »Kampanien, Geschichte und Topographie des antiken Neapel und seiner Umgebung« (mit Atlas, Berl. 1879; 2. vermehrte Ausg. Bresl. 1890); »Der italische Bund unter Roms Hegemonie« (Leipz. 1880); »Die attische Politik seit Perikles« (das. 1884); »Die Bevölkerung der griechisch-römischen Welt« (das. 1886); »Storia Greca« (1. Teil: »La Grecia antichissima«, Rom 1891). Seit 1891 gibt er die »Studi di storia antica«, Arbeiten seiner Schüler enthaltend, heraus.

Bender Abbas, die Hafenstadt an der Straße von Ormus, in der pers. Landschaft Laristan, hatte 1889 eine Ausfuhr im Werte von 6,8 Mill. Mk. (besonders Opium, dann Früchte und Gemüse, Wolle, rohe Baumwolle, Datteln etc.) und eine Einfuhr im Werte von 7,2 Mill. Mk. (besonders Baumwollwaren, dann Thee, Zucker, Garn, Indigo, Metalle etc.). Die Ausfuhr ging hauptsächlich nach Britisch-Ostindien und China. Den Handelsverkehr vermittelten fast ausschließlich britische Dampfer, nämlich 77 mit 100,896 Ton. (der Tonnengehalt aller ausgelaufenen Schiffe betrug insgesamt 114,396 T.).

Beniczty-Bajza, Helene von, ungar. Romanschriftstellerin, geb. im Juni 1840 in Pest, als Tochter des ungar. Kritikers Josef Bajza, dessen Haus der Sammelpunkt der politischen und belletristischen Welt Ungarns war. Ihre vortreffliche Erziehung vollendete sie durch eine Reihe europäischer Reisen. Frühzeitig dem Drang zur Schriftstellerei nachgebend, veröffentlichte sie bereits 1858 eine Sammlung Novellen und Skizzen, seitdem brachte jedes Jahr einen oder mehrere Bände Romane und Erzählungen von ihr. Als die hervorragendsten davon nennen wir: »Vorurteil und Aufklärung« (1872, 4 Bde.); »Martha« (deutsch, Leipz. 1890); »Ruth« (1884); »Sie ist es!« (deutsch, Wien 1888); »Die Bergfee« (1890, 2 Bde.). Frau H. v. B., seit 1862 die Gattin des frühern Staatssekretärs und Theaterintendanten, jetzigen Pester Obergespans Franz v. B., ist eine ausgesprochene schriftstellerische Individualität, welche ihre Stoffe aus dem unmittelbaren Leben nimmt und die nationale Entwickelung mittels europäischer Tendenzen zu fördern sucht. Sie geißelt scharf alle Fehler der Aristokratie und tritt ein für die Arbeit, für die Gleichberechtigung des Talents und für das Naturrecht der Herzen.

Berechtigungen höherer Lehranstalten für Militär- und Zivildienst, s. Höhere Lehranstalten.

Berg, 5) Ehresten, dän. Politiker (s. Bd. 2 u. 17), Führer der Radikalen u. bis 1887 Präsident des Folkethings, starb 27. Nov. 1891 in Kopenhagen. Den Einfluß im Reichstag hatte er in den letzten Jahren verloren, nachdem es ihm nicht gelungen war, die Krone erst durch heftige Angriffe, dann durch Verweigerung des Budgets, endlich durch die Verdorrungspolitik zur Annahme des parlamentarischen Systems zu zwingen. Dennoch hatte er eine mächtige Einwirkung auf das politische Leben Dänemarks während zweier Jahrzehnte ausgeübt und wegen seines persönlich ehrenwerten Charakters allgemeine Achtung genossen, so daß ihm bei den Leichenfeierlichkeiten sowohl in Kopenhagen als in Kolding, wo er beigesetzt wurde, besondere Ehren erwiesen wurden.

Bergbahnen, Eisenbahnen zur Ersteigung größerer Höhen bei geringer Länge, also mit außergewöhnlich steiler Neigung; meist kurze Linien, welche auf der erstiegenen Höhe endigen und nur oder doch ganz vorwiegend dem Personenverkehr, vornehmlich demjenigen der Vergnügungsreisenden dienen, deshalb in der Regel nur in den Sommermonaten befahren werden und in der Mehrzahl besondere Betriebsarten aufweisen. Längere Schienenwege zur Überschreitung höherer Wasserscheiden mit ein- oder beiderseitigem unmittelbaren Anschluß an ein allgemeines Eisenbahnnetz und mit ständigem Durchgangsver-