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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Dezimalmaß (internationale Regelung)

daß dieses in absehbarer Zeit zu allgemeiner Einführung gelangen wird. Das Meter, der zehnmillionte Teil des Erdquadranten, wurde bisher durch den geradlinigen Abstand dargestellt, welcher bei der Temperatur von O° zwischen der Mitte der Endflächen des im Conservatoire des arts et métiers zu Paris aufbewahrten Platinstabes von rechteckigem Querschnitt enthalten ist. Dies Mètre des archives bildete das Prototyp für alle bei den verschiedenen Nationen im Gebrauch befindlichen Meterstäbe. In Preußen bewahrte die Normaleichungskommission in Berlin als Urnormallängenmaß einen Platinstab auf, dessen wahre Länge bei 0° durch eine preußisch-französische Kommission 1863 gleich 1,000,003,01 des Mètre des archives gefunden worden war. Die Meterkonvention vom 20. Mai 1875 gründete dann auf gemeinsame Kosten ein permanentes wissenschaftliches Institut, das Internationale Büreau für Maß und Gewicht in Paris, welches unter Zugrundelegung der in den französischen Archiven aufbewahrten metrischen Prototype neue vervollkommte, aber mit jenen identische gemeinsame Urnormale (internationale Prototype) sowie genaue, für die einzelnen Staaten der Meterkonvention bestimmte Kopien derselben (nationale Prototype) herzustellen und alle diese Normale untereinander auf das sorgfältigste zu vergleichen. Als Material für die neuen Prototype wurde eine Legierung aus 90 Platin und 10 Iridium gewählt, welche alle Garantien für die Unveränderlichkeit der Maßstäbe zu bieten schien. Die umfangreichen Untersuchungen des internationalen Bureaus sind vor einiger Zeit zum Abschluß gelangt, und es sind an Stelle der bisherigen französischen Prototype, welche fortan nur als historische Erinnerungsstücke aufbewahrt werden solten, von der 1889 zusammengetretenen Generalkonferenz für Maß und Gewicht die mit jenen vollkommen identischen neuen internationalen Prototype als Einheiten sanktioniert und in dem internationalen Bureau niedergelegt sowie die angefertigten nationale Prototype sanktioniert und ihre Beziehungen zu den internationalen Prototypen festgestellt worden. Die Längeneinheit, das Meter, wird demgemäß fortan dargestellt durch den Abstand, welcher bei der Temperatur des schmelzenden Eises zwischen den Mitten der Endstriche eines von Johnson, Matthey u. Komp. zu London hergestellten Maßstabes aus Platiniridium stattfindet, der die Bezeichnung M führt, und dessen x-förmiger Querschnitt durch nebenstehende Figur in natürlicher Größe veranschaulicht wird. Die Teilstriche befinden sich in der neutralen, nach der Festigkeitslehre verzerrungsfreien Ebene a des Stabes. Das dem Deutschen Reich von der Generalkonferenz durch das Los zugeteilte und fortan in Gewahrsam der Normaleichungskommission in Berlin befindliche Meterurmaß Nr. 18 ist ein Platiniridiummaßstab von x-förmigem Querschnitt, dessen Länge durch die Gleichung gegeben ist: Urmaß Nr. 18 =1m-1,0u+aT, wo u=Mikron=0,001 mm, T die Temperatur nach der für den internationalen Dienst für Maß und Gewicht angenommenen Normalskala (Skala des Wasserstoffthermometers) bedeutet u. a=10^-9(8642+1,00T) der lineare Ausdehnungskoeffizient des Urmaßes Nr. 18 zwischen den Temperaturen 0° und T° ist.

Als Maßeinheit des Gewichts gilt im metrischen System der Druck, den die in 1 Kubikdezimeter (Liter) enthaltene Summe von Massenteilchen reinen destillierten Wassers bei 4° im leeren Raum auf eine Unterlage ausübt. Obgleich die Gewichtseinheit also auf eine Wirkung von Kräften, nämlich der

^[Spaltenwechsel]

^[Textfigur: Normalmeterstab.]

Anziehungs- und Zentrifugalkraft der Erde, begründet ist, so sollte diese Wirkung nur die Grundlage vergleichender Massenbestimmungen, nicht die Grundlage von Kraft oder Arbeitsmessungen bilden. Soll die Gewichtseinheit die Grundlage eines wirklichen Kraftmaßes bilden, so muß zugleich die geographische Lage des Ortes, für welchen sie als Einheit gelten soll, genau angegeben sein, weil die Intensität der Schwerkraft und also auch das Gewicht eines Körpers sich mit der geographischen Breite des Beobachtungsortes, mit seiner Höhe über dem Meeresspiegel und sogar mit der Verschiedenheit der Größe und der Verteilung der den Beobachtungsort umgebenden Massen ändert. In dem vorhin erwähnten Sinn war also dis Einheit des Gewichts unter dem Namen Kilogramm definiert worden. Das Prototyp desselben war bisher ein von Fortin in Paris angefertigter Cylinder aus Platin, welcher ebenso wie das Prototyp des Meters im Conservatoire des arts et métiers zu Paris unter dem Namen Kilogramme des archives aufbewahrt wird, und von welchem die bei den verschiedenen Staaten im Gebrauch befindlichen Kilogramme beglaubigte Kopien sind. So galt bisher als Urgewicht für Deutschland das im Besitz der preußischen Regierung, jetzt im Gewahrsam der Normaleichungskommission befindliche Platinkilogramm, welches, mit Nr. 1 bezeichnet, 1860 von einer preußisch-französischen Kommission mit dem Kilogramme des archives verglichen und gleich 0,999999342 kg befunden worden ist. Bei der nunmehr vollzogenen Festsetzung des neuen internationalen Urgewichts hat das internationale Maß- und Gewichtskomitee und auf seinen Antrag die erste allgemeine Konferenz des internationalen Maß- und Gewichtsdienstes das internationale Kilogramm als Einheit der Maße erklärt. An Stelle des Kilogramme des archives gilt fortan als Prototyp der Maßeinheit das neue internationale Urgewicht, das Kilogramm K, ein von Johnson, Matthey u. Komp. in London aus der erwähnten Legierung hergestellter Cylinder von einer dem Durchmesser seines kreisförmigen Querschnitts gleichen Höhe, welcher 1880 mit dem Kilogramme des archives identisch befunden worden ist. Das dem Deutschen Reich durch das Los zugefallene Urgewicht Nr. 22 ist ein ähnlicher Cylinder von 39 mm Höhe, dessen Masse durch die Gleichung dargestellt wird: Urgewicht Nr. 22 = 1 kg + 0,053 mg + 0,002 mg. Das Volumen des Urgewichts Nr. 22 beträgt bei 0°: 46,403 ccm. Der internationalen Meterkommission liegt dem Vertrag zufolge nunmehr noch die Aufgabe ob, in geeigneten Zeitintervallen sämtliche nationale Prototype mit den internationalen Prototypen zu vergleichen, um ihre Unveränderlichkeit zu kontrollieren und die Gültigkeit ihrer numerischen Beziehungen sicher zu verbürgen. Vgl. Grunmach, Über Maß und Messen, bes. über die Entwickelung und Begründung des metrischen Maßsystems (Berl. 1883); »Mitteilungen der kaiserl. Normaleichungskommission«, 1. Reihe Nr. 11: Bekanntmachung, betr. die internationale Organisation des Maß- und Gewichtswesens (das. 1890).