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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Wien; Wildschaden

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Wien - Wildschaden

Wien. Nach den bereits veröffentlichten endgültigen Ergebnissen der Volkszählung vom 31. Dez. 1890 beträgt die Gesamtzahl der Bevölkerung des erweiterten Wiener Gemeindegebietes mit Einschluß des Militärs (22,651 Mann) 1,364,548 Seelen, welche sich auf 29,322 Häuser und 286,759 Haushaltungen verteilen. In der Gesamtbevölkerung überwiegt das weibliche Geschlecht mit 702,597 gegenüber 661,951 männlichen Einw. Von 1,364,548 Einw. sind nur 471,331 in dem erweiterten W. selbst, ferner 171,418 in andern Gemeinden Niederösterreichs und 571,614 in den andern österreichischen Ländern heimatsberechtigt; 115,133 sind aus Ungarn, 98 aus Bosnien und der Herzegowina und 34,954 aus dem übrigen Auslande. Dem Religionsbekenntnis nach zählte man 1,195,107 Katholiken, 41,943 Evangelische, 118,495 Israeliten und 8943 Angehörige andrer Konfessionen oder Konfessionslose. Dem Familienstande nach waren 847,088 Einw. ledig, 422,762 verheiratet, 87,076 verwitwet und 7622 gerichtlich geschieden. Des Lesens und Schreibens kundig waren 1,137,654, nur des Lesens 14.714, und weder des Lesens noch des Schreibens 212,180, darunter jedoch 153,760 noch nicht schulpflichtige Kinder. Nach der Umgangssprache gab es unter der nach Österreich zuständigen anwesenden Bevölkerung 1,146,568 Deutsche, 63,834 Tschechen und Slowaken, 2006 Polen und 1955 Angehörige andrer Nationalitäten. Die Zahl der Deutschen in W. ist aber thatsächlich größer, da auch der größte Teil der 34,954 Ausländer dazu gehört. Endlich wurden in W. 871 Blinde, 980 Taubstumme, 1637 Irr- oder Blödsinnige und 374 Kretins gezählt. Von Nutztieren wurden 33,393 Pferde und 14,281 Rinder ermittelt.

Mit der Erweiterung Wiens steht eine Reihe von Anlagen und Umgestaltungen im Zusammenhang, von welchen zunächst die Verlegung der Kasernen aus der Stadt in den Vordergrund getreten ist. Nach einem zu diesem Zwecke erlassenen Gesetze werden fünf Kasernen, mehrere Depots und andre Gebäude und Gründe des Militärärars in W. veräußert und der Erlös zum Zwecke der Beschaffung von Ersatzgebäuden und Gründen im Umkreise von W. der Heeresverwaltung überwiesen werden. Zu Ende des Jahres 1891 ist die Regierung mit dem Projekt, betreffend die öffentlichen Verkehrs anlagen in W., hervorgetreten. Dasselbe umfaßt den Bau der Wiener Stadtbahn, die Regulierung des Wienflusses, die Anlage von Hauptsammelkanälen zu beiden Seiten des Donaukanals und die Umwandlung des Donaukanals in einen gegen größere Hochwässer geschützten Handels- und Winterhafen. Die Stadtbahn wird aus zwei Gruppen bestehen, den Hauptbahnen, welche dem Frachten- und dem Personenfernverkehr, und den Lokalbahnen, welche bloß dem städtischen Personenverkehr dienen werden. Alle Bahnen werden normalspurig und doppelgeleisig erbaut. Die Hauptbahn wird zunächst drei Linien umfassen, nämlich die Verbindung der Franz-Josephbahn, beginnend von dem bei Heiligenstadt anzulegenden Zentralbahnhof, über den Westbahnhof zur Südbahn bei Matzleinsdorf, die Donaustadtlinie und die Vorortlinie, letztere von Penzing über Hernals, Währing nach Heiligenstadt. Die Lokalbahnen werden vorläufig die Wienthallinie vom Westbahnhof bis zum Hauptzollamt, die Linie entlang dem Donaukanal vom Hauptzollamt bis Heiligenstadt, die innere Ringlinie von der Elisabethbrücke zum Franz Joseph-Kai umfassen. Mehrere Ergänzungslinien sollen erst später je nach dem Verkehrsbedürfnis hergestellt werden. Der Wienfluß

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soll als offenes Gerinne (mit Reservoiranlagen und seitlichen Kanälen) reguliert werden, der Gemeinde aber die Einwölbung anheimgestellt bleiben. Der Donaukanal soll durch eine Schleusenanlage in einen Hafen verwandelt werden; längs der beiden Ufer wären zwei Sammelkanäle zu führen und Kaimauern, vorläufig zwischen der Augarten- und Franzensbrücke, herzustellen. Zur Ausführung dieser Unternehmungen, welche in drei Bauperioden, bis 1895, 1897 und 1900, erfolgen soll, wird eine aus drei Kurien (Staat, Land Niederösterreich, Stadt W.) zusammengesetzte Kommission gebildet, welche die Kosten durch eine Anleihe aufzubringen hätte. Die Kosten werden für die Stadtbahn auf 86, für die Wienregulierung auf 15, für den Donauhafen auf 10, für die Sammelkanäle auf 11 Mill., zusammen also auf 122 Mill. Gulden veranschlagt, wozu der Staat 86,4, das Land 12,4, die Stadt W. 23,2 Mill. Guld. beitragen soll. Von der Stadtbahn wird übrigens ein Erträgnis von 3 Proz. des Anlagekapitals erhofft. Von den lokalen Verkehrsmitteln Wiens haben die beiden Tramwayunternehmungen im J. 1890 auf einem Gesamtnetz von 169,2 km (gegen 154,8 im Vorjahr) 52,855,522 Personen (gegen 49,257,693 im Vorjahr) befördert. Der Fremdenverkehr umfaßte im J. 1890: 320,842 Personen und hat gegen das Jahr 1889 um 33,000 Personen zugenommen. Ein gemeinnütziges, gut verwaltetes Unternehmen ist das städtische Lagerhaus. In demselben haben im J. 1890 Einlagerungen im Gewichte von 1,892,316 metr. Ztr. und im Versicherungswert von 12,347,500 Guld. und Auflagerungen von 1,972,698 metr. Ztr. im Versicherungswert von 13,004,350 Guld. stattgefunden; der schließliche Lagerbestand belief sich auf 263,524 metr. Ztr. im Versicherungswert von 2,796,190 Guld. Von neuen Denkmälern sind 24. Juni 1891 die Büsten von Nikolaus Lenau und Anastasius Grün (von Schwerzek) auf dem Schillerplatz und 24. April 1892 die Reiterstatue des Feldmarschalls Grafen Radetzky (von Zumbusch) am Hof enthüllt worden. Am 20. Okt. 1891 wurde das neue kunsthistorische Museum, in welches die Belvederegalerie, die Ambraser Sammlung etc. übertragen worden sind, eröffnet.

Wildschaden nennt man den durch jagdbare Tiere an Grund und Boden und dessen Erzeugnissen angerichteten Schaden, während man als Jagdschaden denjenigen bezeichnet, welcher durch die Ausübung der Jagd veranlaßt wird. Die Frage, ob für solchen Schaden eine Ersatzpflicht bestehe, war in der ältesten Zeit in Deutschland bedeutungslos. Denn die Jagd stand ursprünglich nach deutschem Rechte dem Grundeigentümer zu, während nach römischem Rechte das freie Wild als eine herrenlose Sache galt, welche sich jedermann aneignen konnte, und der Grundeigentümer nur das Recht der Ausweisung von seinem Eigentum hatte. Auf gemeinschaftlichen Grundstücken war die Jagd Gesamteigentum, für die noch nicht in Besitz genommenen Waldungen galt der Grundsatz unbeschränkter Jagdfreiheit (freie Birsch). Der W. konnte darum als Naturereignis betrachtet werden, gegen welches sich jeder selbst zu schützen hatte. Mit der Zeit aber wurde mehr und mehr das Jagdrecht von dem Grundeigentum losgelöst. Den Anfang hierzu machte die Bildung der alten Bannforste, welche ursprünglich auf herrenlosen Ländereien errichtet, später aber immer mehr ausgedehnt und auch auf bereits in Besitz genommenes Gelände erstreckt wurden, und in denen die Jagd andern als dem Berechtigten bei Strafe des Königsbannes untersagt