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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Abdicationis beneficium - Abd ul-Hamîd II.

Abdicationis beneficium (lat.), in partikularen Rechtsquellen das Recht der Witwe, sich durch Verzicht auf das unter der Gewalt des verstorbenen Ehemanns befindlich gewesene Vermögen von der persönlichen Haftung für die von dem Ehemann eingegangenen Verbindlichkeiten zu befreien. Außer für Lübeck und Bremen wird ein derartiges Recht auch für Franken erwähnt.

Abdikation (lat.), Abdankung, vorzugsweise von dem Niederlegen der Herrscherwürde gebraucht; abdizieren, abdanken.

Abdominal (vom lat. abdomen, der Unterleib), in der mediz. Sprache alles, was den Unterleib betrifft. Daher Abdominaleingeweide, die im Unterleibe gelegenen Verdauungs-, Harn- und Geschlechtsorgane; Abdominalkrankheiten, die Krankheiten der Unterleibsorgane.

Abdominales (lat.), Bauchflosser, Knochenfische, welche die hintern Gliedmaßen am Bauche neben dem After tragen (s. Fische).

Abdominalia (Bauchkrebse), Familie der Rankenfüßer (s. d.).

Abdominalplethora, anhaltender Blutzudrang zu den Unterleibsorganen, führt zu Verdauungsstörungen, Gemütsverstimmung und bildet eine häufige Quelle der Hypochondrie.

Abdominalschwangerschaft, s. Bauchschwangerschaft.

Abdominaltyphus, s. Typhus.

Abdruck, zunächst die Wiedergabe von erhaben oder vertieft gegossenen, geschnittenen, radierten u.a. Bild- oder Schriftformen durch mechan. Mittel, insbesondere durch die Presse. Alle gewöhnlichen A., die der Lettern bei der Buchdruckerkunst, der Holzstöcke mit Holzschnitten, der Kupferstichplatten, der Steine mit Lithographien, Autographien u.s.w., finden in der Weise statt, daß die Formen mit einer Farbe überzogen und sodann auf den Stoff, dem man sie mitteilen will, durch Reiben oder Pressen übertragen werden. Auch bei der gewöhnlichen Kreidezeichnung der Lithographie findet dasselbe Verfahren statt. Es sind dies die A. auf ebener Fläche. Nicht allein von der Schärfe der Lettern, der Energie des Stichels und der Kreide u. s. w. hängt die Güte eines A. ab, sondern auch von der Beschaffenheit des Stoffs, auf den er übertragen wird, von der angewendeten Farbe und der Geschicklichkeit des Druckers. (Vgl. auch Kupferstechkunst und Naturselbstdruck.)

A. ist auch die Abformung eines körperlichen Gegenstandes durch Eindrücken in eine weiche, später erhärtende Masse (sog. Mutterform). Solche A. sind A. in Relief; sie werden z. B. in durchscheinendem Porzellan hergestellt, so daß bei Lichtwirkung die dünnen Stellen der Reliefplatte hell, die dicken dunkel erscheinen und damit eine Bildwirkung erzielt wird (s. Lithophanien). Man nennt ferner A. die aus der Mutterform gegossenen, dem ursprünglichen Körper gleichen Abgüsse (s. d.) in Thon, Gips, Wachs u. s. w.

In der Geologie versteht man unter A. die im Gestein erhaltenen äußern Formen von organischen Körpern, z. B. von Pflanzenblättern oder von Muschelschalen. Die A., zuweilen fälschlicherweise Versteinerungen genannt, unterscheiden sich von diesen dadurch, daß bei letztern der Körper selbst oder wenigstens seine Hartteile, in Mineralsubstanz umgewandelt, erhalten sind.

Abduktion (lat.), s. Abduzieren. Abduktoren, s. Muskeln.

Abd ul-Asis Chan, der 32. Sultan der Osmanen (1861-76), geb.9. Febr. 1830 als der zweite Sohn des Sultans Mahmud II.,folgte 25. Juni 1861 seinem Bruder Abd ul-Medschid in der Regierung. Entgegen den Erwartungen der alttürk. Partei erklärte er sich für die Reform und umgab sich mit liberalen Räten. Jedoch fehlte es ihm zur Durchführung seiner Absichten an Festigkeit und Einsicht, wozu noch kam, daß seit 1862 seine nervöse Aufregung ihn bisweilen unzurechnungsfähig machte. Bis 1871 blieb unter ihm das von seinem Vorgänger geschaffene Großwesirregiment. A. wurde von Fuad 1863 veranlaßt, nach Ägypten und 1867 wider alles Herkommen sogar nach dem Occident zu gehen, besuchte im Juni Paris, verweilte 12. bis 23. Juli in London, begrüßte 24. Juli das preuß. Königspaar in Koblenz und kehrte über Wien 7. Aug. 1867 nach Konstantinopel zurück. Die Reise, die kolossale Summen verschlungen hatte, blieb ohne den daraus gehofften Nutzen. Nach Aali Paschas Tode, Sept. 1871, suchte Abd ul-Asis das osman. Erbfolgegesetz zu Gunsten seines Sohnes Jussuf Izzeddin abzuändern und auf Kosten der Monarchie sich Schätze zu sammeln. Unterstützt von einer gewissenlosen Camarilla, auf die der russ. Botschafter Ignatiew unbedingten Einfluß hatte, wählte A. in diesem Sinne seine Minister. Alle Staatseinkünfte suchte er sich anzueignen, und während er 1873 dem Chediv gegen ein Geschenk von 21 Mill. Frs. fast alle Rechte eines Souveräns verlieh, blieben die Soldaten ohne Sold und die Beamten ohne Gehalt. Als infolgedessen die Zersetzung immer weiter um sich griff und in der Herzegowina ein bedenklicher Aufstand ausbrach, ließ A. auf den Rat Ignatiews (6. Okt. 1875) die Zinsen der türk. Staatsschuld auf die Hälfte reduzieren und vernichtete dadurch den Kredit der Pforte. Am 11. Mai 1876 nötigte ihn ein Aufstand der Softas (s. d.), seinen russisch gesinnten Großwesir Mahmud Nedim zu entlassen und ein patriotisches Ministerium mit Mehemed Ruschdi und Hussein Awni einzusetzen. Diese zwangen ihn, 30. Mai 1876 dem Throne zu Gunsten seines Neffen Mehemed Murad zu entsagen. Bereits am 4. Juni starb er als Staatsgefangener im Palast von Tschiragan. Ein im Juni 1881 gegen mehrere der höchsten Staatsbeamten, darunter Midhat Pascha (s. d.), eingeleiteter Prozeß ergab, daß A. ermordet worden war. - Vgl. Azam, L'avénement d'A. (Par. 1861); Millingen (Osman-Seify-Bev), La Turquie sous le règne d'A. (Brüss. 1868); Sultan A. (in "Unsere Zeit", Lpz. 1877, I).

Abdulfasil, pers. Dichter, s. Feisi.

Abd ul-Hamîd I., der 27. Sultan der Osmanen (1774-89), geb. 20. Mai 1725. Nachdem ihn die durch unglückliche Kriege mit Rußland erschöpfte Lage des Landes zunächst zum Abschluß des ungünstigen Friedens von Kücük-Kainardza (s. d. und Osmanisches Reich) gezwungen hatte, berief er franz. Offiziere zur Neuorganisierung des Heers. Aber der wieder aufgenommene Krieg gegen Rußland und Österreich 1787 brachte neue Niederlagen und A. starb vor seinem Abschluß 7. April 1789. Ihm folgte sein Neffe Selim III. - Vgl. Aßim Tarichi, History of A. and Selim III. (2 Bde., Konstant. 1867).

Abd ul-Hamîd II., der 34. Sultan der Osmanen, zweiter Sohn des Sultans Abd ul-Medschid, geb. 21. Sept. 1842, folgte seinem Bruder Murad V. 31. Aug. 1876 in der Regierung. Die Lage des Reichs war eine mißliche, der Staatsbankrott von 1875 hatte den Kredit vernichtet, in Bulgarien und der Herzegowina tobte ein Aufstand, Serbien und Montenegro hatten den Krieg begonnen, und Rußland vollendete eben seine Rüstungen, um den