Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Ägypten (Landwirtschaft)'
pflügt noch düngt, so fallen doch die Ernten viel reichlicher aus als in Unterägypten.
Obschon in A. die Bauern (Fellah) den wichtigsten Teil der Bevölkerung ausmachen, so lebte doch hier, soweit die
Geschichte zurückreicht, der ackerbautreibende Stand stets in strenger und drückender Abhängigkeit. Früher war das Verhältnis des Bauers in Ä. wie in jedem
andern mohammed. Staate das des Pächters zum Grundherrn, wobei die Steuer die Stelle des Pachtschillings vertrat und zugleich der Grundsatz festgehalten
wurde, daß bei regelmäßiger Bezahlung der Steuer die Pacht nicht aufgekündigt werden konnte. Mehemed Ali jedoch machte 1817 durch sein berüchtigtes
Monopolsystem den Bauer zu dem elend bezahlten Tagelöhner der Regierung, indem er nicht nur die an und für sich schon sehr hochgestellten Abgaben
in natura von den Bauern bezahlen ließ, sondern sie auch noch zwang, alles, was sie ernteten, an die Regierung zu dem
von ihr selbst festgestellten Preise zu verkaufen. Daneben hatte der Bauer ungemessene Frondienste und wurde mit der größten Strenge zu den Kanalbauten
angehalten. Hierzu trat die Aushebung zu dem vom Fellah aufs höchste verabscheuten Kriegsdienste im Landheere oder auf der Flotte. Die erste Erleichterung
war die Erlaubnis, die Grundsteuer in Geld bezahlen zu dürfen. Allmählich sah man sich auch genötigt, dem europ. Einflusse nachzugeben und das
Monopolsystem aufzuheben, so daß unter Said Pascha der Fellah seine Erzeugnisse völlig frei verkaufen durfte. Durch die Maßnahmen Mehemed Alis
gestalteten sich in Ä. auch die Verhältnisse des Grundbesitzes anders als in andern mohammed. Ländern. Der Pascha zog wegen rückständiger Steuern nicht
nur die Erblehen und Familiengüter und die für wohlthätige Zwecke bestimmten Güter ein, sondern nahm auch die zahlreichen, von ihren Bebauern
verlassenen Gründe für sich in Anspruch. Es entstanden so die Tschiftliks oder Privatgüter des Pascha und seiner Familienglieder, die, allmählich eine große
Ausdehnung erlangend, durch einen eigenen Diwan verwaltet wurden. 1878 wurde der fast ein Viertel alles kulturfähigen Landes umfassende Grundbesitz des
Chediv und seiner Familie in Staatsdomänen verwandelt, die den europ. Mächten für die verschiedenen Anleihen verpfändet wurden. Einen großen Teil dieser
Ländereien verpachtete man an Unternehmer, die die Bezahlung der fälligen Steuern übernahmen und das Land weiter an Eingeborene verpachteten; einen
kleinen Teil verpachtete man unmittelbar an Eingeborene, aber ein beträchtlicher Teil liegt aus Mangel an Arbeitskräften brach. Die um die Dörfer
herumliegenden kleinen Parzellen, die von Fellahs bewirtschaftet werden, machen mit dem Gemeindebesitz ungefähr die Hälfte alles Kulturlandes aus; die von
den Fellahs der Regierung zu zahlenden Abgaben belaufen sich ungefähr auf ein Fünftel des Bodenertrags; dabei sind die Fellahs nicht Eigentümer des von
ihnen bewirtschafteten Bodens, sondern nur Pächter der Regierung; durch Bezahlung der sechsfachen Abgaben können sie sich jedoch in den erblichen Besitz
des Landes setzen. Ein großer Teil kulturfähigen Landes gehört als Wakuf den Moscheen und Schulen, den jetzt die engl. Regierung für die Occupationskosten
mit Beschlag belegt hat. Der Viehstand belief sich (Ende 1878) auf: 8741 Pferde, 147739 Kühe, 80587 Ochsen und Büffel, 320047 Schafe und Ziegen, 26871
Kamele, 87882 Esel und Maultiere.
Industrie. Die Industrie Ä.s ist unbedeutend. Kairo hat etwa 500 Webstühle für halbseidene Stoffe und
1000 für Baumwollzeuge. Man fertigt grobe Baumwollstoffe für die Soldaten, halbwollenen, stets blau gefärbten Stoff für die Fellahweiber, Fesmützen und
Schuhzeug. Von Belang ist auch die Indigofärberei und die Gerberei. Gutes Saffianleder, Posamentierarbeiten, Strohmatten und Binsenkörbe liefert die
Hauptstadt gleichfalls; Wolldecken und grobe Tücher das Fajum. Die ehemals bedeutende Linnenfabrikation in Oberägypten hat aufgehört. Ebenso sind die
meisten der von Mehemed Ali gegründeten Regierungsfabriken eingegangen; die Fabrik roter Mützen zu Fuah ist im Verfall. Bei Giseh besteht eine Fabrik, in
der aus Viehmist Ammoniak bereitet wird. Auch der Schiffbau in Kairo, wo sich zugleich eine Stückgießerei befindet, ist nennenswert. Zucker wird
hauptsächlich auf den Besitzungen des Vicekönigs,namentlich in Minjeh, Roda und Erment, fabriziert und raffiniert.
Handel. Seit die Regierung unter Abbas Pascha und Said Pascha die Monopole Mehemed Alis
aufgegeben hat, hat sich der Handel des Landes in außerordentlicher Weise gehoben. Die gesamte Wareneinfuhr und der bei weitem größte Teil der Ausfuhr
geht durch den Hafen von Alexandria. Der Großhandel ist fast ganz in den Händen der Europäer, während die Eingeborenen den Vertrieb der Waren im Innern
besorgen. Im Ausfuhrhandel sind zahlreiche Christen und Mohammedaner beschäftigt, die den Bauern die Produkte in den Dörfern abnehmen und an die
Exporthäuser abliefern. Ausgeführt wurden (1893) für 8525971 ägypt. Pfd. Baumwolle, 1840381 Pfd. Baumwollsamen,
700802 Pfd. Zucker, 687978 Pfd. Bohnen, für 83965 Pfd. Weizen; ferner Felle, Straußfedern, Elfenbein, Datteln, Büffelhörner, Wachs, Kaffee, Sodaasche,
Gummi, Henna, Weihrauch, Schafwolle, Leinen, Perlmuscheln, Rosenöl, Natron, Opium, Pfeffer, Sennesblätter, Sämereien, Matten, Salpeter, Tamarinden,
Schildpatt, Safran, Lumpen, Botargo (Fischrogen), Binsenkörbe, Eisen, Flachs, Knochen, Ölkuchen, Schwefel (den man neuerlich am Roten Meere bei Jemsah
und Ranga gewinnt). Eingeführt wurden (1893) für 1320852 ägypt. Pfd. Baumwollgewebe, für 404847 Pfd. Steinkohlen,
342960 Pfd. Eisen und Eisenwaren, 183384 Pfd. Mehl, 133767 Pfd. Baumwollgarn, für 399632 Pfd. Blättertabak, 67479 Pfd. Käse; außerdem Droguen, Harze,
Fette, Öle, Kupfer, Bauholz, Quecksilber, Stahl, Waffen, rote Mützen, Holz, Tauwerk, Glasperlen, Nägel, Glaswaren, Medikamente, Fayence, Teer und Pech,
Möbel, Papier, Blei, Kartoffeln, Gemüse, gesalzenes Fleisch, Quincailleriewaren, Seidenwaren, griech. Seide, Seife, Schuhe und Lederwaren, Zucker,
Schwefel, Lichte, Draht, Cigarren, trockne Früchte, Marmor und Steine, Wein und Liqueur. Der Gesamthandel betrug (in ägypt. Pfund):
| Waren | Geld |
Jahre | Einfuhr | Ausfuhr | Einfuhr | Ausfuhr |
1887 | 8 137 054 | 10 876 417 | 3 066 740 | 1 898 060 |
1890 | 8 081 297 | 11 876 087 | 2 971 461 | 2 085 455 |
1891 | 9 201 390 | 13 878 638 | 2 824 861 | 1 523 950 |
Im J. 1893 betrug die Einfuhr 8,59, die Ausfuhr 12,78 Mill., die Wiederausfuhr 322510, die
Durchfuhr 613026 ägypt. Pfd.
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 235.