Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Ägypten (alte Geschichte)'
(d. i. Keller), der unzugänglich war und nur bisweilen mit der Kapelle durch eine kleine Luke in Verbindung stand. Einzelne Mastabas enthalten übrigens mehr
als einen (bis zu vier) Serdâb und dementsprechend auch mehrere Statuen. Die Sargkammer war unterirdisch angelegt; zu ihr führte ein 3–30 m tiefer
senkrechter Schacht, der von einer Ecke der Kapelle oder gewöhnlich von der Mitte des platten Daches aus in den Felsen eingehauen war. In der
schmucklosen Kammer ruhte der mit Binden eingewickelte Leichnam (s. Mumie) in einem großen steinernen Sarkophage. War der Sarg in
die Kammer gebracht, so legte man die Stücke der zum Totenopfer geschlachteten Rinder und Gazellen auf dem Boden der Kammer nieder, vermauerte den
Eingang und füllte den Schacht bis zur obern Öffnung mit Steinen, Sand und Erde an. Diese Masse wurde mit Wasser durchtränkt und wuchs so zu einem fast
undurchdringlichen Gußmörtel zusammen, dessen Härte jedem Entweichungsversuche Widerstand leistete. So war der Leichnam von aller Welt
abgeschlossen; niemand konnte zu ihm außer seiner Seele. Diese verließ von Zeit zu Zeit ihre himmlische Wohnung und kam herab, um sich wieder mit dem
Körper zu vereinigen. Mit dem Ausgange des alten Reichs schwindet die Sitte, sich das Grab zu Füßen der Pyramide des Königs zu erbauen, allmählich, und
die Vornehmen ziehen es vor, sich in ihrer eigenen Heimat bestatten zu lassen. Ihre Gräber sind meist in den Felsen gehauene Kammern (z. B. in Assuan, Siut,
Benihassan; vgl. Tafel: Ägyptische Kunst I, Fig. 4),von denen aus der Schacht in die Tiefe führt. Die
Stelle des Serdâb, der sich im Felsen in der alten Weise nicht anlegen ließ, vertrat gewöhnlich eine Nische in der Rückwand der Kapelle. Auch hier sind die
Wände mit Darstellungen bedeckt, deren Motive sich von den alten Bildern im Princip nur wenig unterscheiden. Im mittlern Reiche hat sich die Sitte der
Einbalsamierung und der Errichtung von Gräbern weiter im Volke ausgebreitet; damit nehmen denn auch die Gräber bescheidenere Größen an. Neben den
Felsengräbern kommen kleine, aus Ziegeln erbaute Pyramiden auf, die sich auf einem rechteckigen oder quadratischen Unterbau erheben. Die Sargkammer
wurde im Mauerwerk angelegt; die Stelle der Kapelle vertrat gewöhnlich eine einfache Steinplatte, die an der Außenwand des Unterbaues eingelassen war und
auf der gewöhnlich der Tote vor einem Speisetisch sitzend dargestellt ist. Diese Ziegelgräber haben sich auch im neuen Reiche als Begräbnisstätten für die
mittlern Stände erhalten. Die Vornehmen lassen sich auch in jener Zeit meist in Felsengräbern beisetzen; die Könige erbauen sich jetzt nicht mehr kolossale
Pyramiden, sondern legen ihre Totengrüfte in den Abhängen des Gebirges auf dem thebanischen Westufer an. Diese Königsgräber bestanden aus langen
Korridoren und Sälen, deren letzter den Sarg einschloß, und waren mit religiösen Bildern, welche u. a. die Fahrt der Sonne während der zwölf Nachtstunden
wiedergeben, geschmückt. Für die Kapelle war im Gebirge kein Raum; sie wurde in der Ebene angelegt und nahm die Form großer Tempel an, die dem «Ka»
des Königs geweiht waren. In dieser Zeit hat der Wunsch, durch Einbalsamierung den Körper vor Zerstörung zu schützen und so für das Heil der Seele zu
sorgen, auch die niedrigsten Volksschichten ergriffen; da diese aber nicht im stande waren, sich eigene Gräber, die bei der größten Einfachheit immer noch
↔ kostspielig genug waren, zu errichten, so ließen sie sich in gemeinsamen Massengräbern, die gewöhnlich in einer natürlichen oder
künstlichen Felsenhöhle angelegt waren, bestatten. Nach dem neuen Reiche hat sich die geschilderte Form der Bestattung und des Gräberbaues nur
unwesentlich verändert.
2) Kunst. Unter den Künsten war es vorzüglich die Baukunst, welche die Ägypter
früh zu einer jederzeit bewunderten Höhe ausbildeten. Sie hat sich namentlich in der Schöpfung der Gräberbauten, Pyramiden (s. d.),
Mastabas und Felsengräber (s. oben) und der Tempel bewährt. Schon die dem alten Reiche angehörigen Pyramiden von Giseh (s. Tafel:
Ägyptische Kunst I, Fig. 1) zeigen eine durch die neuern Untersuchungen immer deutlicher
hervortretende Meisterschaft in der Technik und die Lösung der verschiedenartigsten und schwierigsten Probleme im einzelnen. Unhaltbar ist die Annahme,
daß die einfache Pyramidalform der Ursprung der Baukunst überhaupt sei. Die mit den Pyramiden gleichzeitigen Tempelgebäude liegen wenigstens noch in
ihren Grundrissen und einigen Fragmenten vor. Bereits in jener Zeit findet man die beiden Hauptrichtungen des Felsenbaues und des freien Baues
nebeneinander entwickelt, sowie die beiden Säulenordnungen, die sie wenigstens dem Begriffe nach charakterisieren, nämlich die Polygone oder kannelierte
Säule ohne Kapitäl, die aus dem Pfeiler hervorgeht, und die dem Holzbau entnommene Säule mit Kapitäl, welche ursprünglich ein Pflanzenbündel nachahmte,
das unter den Kelchen zusammengebunden war und mit seinen Knospen oder offenen Blüten das Kapital bildete (s. Tafel:
Ägyptische Kunst II, Fig. 2, 3). Zur großartigsten Entfaltung erhob sich die ägypt. Architektur im
Tempelbau, besonders unter den Herrschern des neuen Reichs, sowie unter den Ptolemäern und röm. Kaisern (s. Tafel:
Ägyptische Kunst I, II). Der wichtigste Teil eines altägypt. Tempels ist das
Allerheiligste, ein kleines, viereckiges, niedriges und dunkles Zimmer, das nur den Priestern und dem Könige zugänglich war. In ihm stand die heilige Barke
oder ein auf einem Gestell ruhendes Tabernakel aus bemaltem Holze; außerdem befand sich darin eine kleine Nische, in der an bestimmten Festtagen die
Statue des Gottes oder seines heiligen Tiers Platz nahm. Nur in wenigen Fällen bestand jedoch ein Tempel lediglich aus diesem Allerheiligsten; gewöhnlich
gruppierten sich um das «Gotteshaus» noch Kammern zur Aufbewahrung der wertvollen, im Kultus gebrauchten Gefäße und Stoffe, der Spezereien u.s.w.
Dann baute man vor dieser Gebäudemasse große, von Säulen getragene Säle, in denen sich die Priester und Andächtigen versammelten, einen von
Säulengängen eingeschlossenen Hof, den die Menge zu jeder Zeit betreten konnte, ein Thor mit zwei Türmen (Pylonen) an den Seiten (s. Tafel:
Ägyptische Kunst II, Fig. 1), davor gewaltige Statuen und Obelisken, endlich eine
Umfassungsmauer aus Ziegeln und eine Allee von Sphinxen, auf der sich die feierlichen Prozessionen an den Festtagen bewegten. Vor den Sälen, die seine
Vorgänger errichtet, konnte ein König noch prunkvollere errichten, dasselbe konnten seine Nachfolger thun. So wurden von einer Regierung zur andern neue
Kammern und Höfe, Pylonen und Säulengänge dem ursprünglichen Kerne hinzugefügt. Für dieses Verfahren liefert namentlich
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 245.