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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Alpen (Pflanzenwelt)

zum kalten Polarklima. Südfrüchte und Edelkastanien, Rebe und Olive gedeihen am Fuße der firn- und gletschertragenden Spitzen; saftig grüne Alpentriften und fruchtbare Getreidefelder wechseln mit kahlen Felsen und Schutthalden, dunkle Nadelwälder mit üppigem Laubholz. Vom Fuße bis zu den Gipfeln nimmt die mittlere Temperatur der A. durchschnittlich um 0,58° C. für je 100 m Erhebung ad (1° C für 175 m). Die obere Grenze des Laubwaldes fällt ungefähr mit der Höhenisotherme von 4,8° C. zusammen, diejenige des Getreidebaues mit 5,2°, die des Nadelholzes mit 1°. Eine mittlere Temperatur von 0° findet sich am Nordrande bei etwa 2000 m Höhe, in den Centralalpen bei 2100, in den südlichen A. bei 2400 m. Die Firngrenze, d. h. die Linie, oberhalb der der Firn auch im Hochsommer bleibt, entspricht keiner bestimmten Mitteltemperatur, da ihre Lage auch noch durch andere Umstände, vor allem durch die Niederschlagsmenge mitbedingt wird (s. Gletscher). Die mittlere Temperatur der höchsten Gipfel mag wohl -12 bis -15° C. betragen, und das Klima derselben entspricht ungefähr demjenigen des 70.° nördl. Br. Abgesehen von den örtlichen, durch die Gegensätze von Berg und Thal, von Firn und Vegetation u. s. w. bedingten Winden, herrschen in den Alpen der Nordostpassat und der Südwest-Antipassat vor, zu dem auch der Föhn (s. d.) zu rechnen ist. Für die A. sind alle Winde von SO. über S. bis gegen NW. feuchte Winde, nur das Viertel von N. bis O. bringt trockne Luft.

Die Regenmenge der A. ist größer als diejenige der Ebenen am Rande; am größten in den Thälern des Südabhangs, geringer in den Hochthälern des Innern, z. B. Engadin und Oberwallis. Die Regenmenge wächst mit der Höhe bis zu einer gewissen Grenze (etwa 2000 m), dann nimmt sie wieder ab. Im Mittel beträgt sie in den A. 1,08, am Südabhang 1,46, im Tessin sogar 1,7, am Nordabhange 0,92 und am Westabhange 1,19 m, während die süddeutsche Hochebene 0,68, das Engadin 0,85 und die Poebene 0,98 m aufweisen. Im N. herrschen die Sommer-, im W. und S. die Herbstregen vor. Die Zahl der Regentage ist geringer, als man nach den Regenmengen erwarten sollte; so hat der St. Gotthard bei jährlich 278 Nebeltagen und einer Regenmenge von 1,98 m nur 107 Regen- und Schneetage, die nördlich vorgelagerte Hochebene dagegen bei dreimal geringerer Regenmenge durchschnittlich 120-160 Regen- und Schneetage. Bereits in einer Höhe von etwa 2300 m zählt jeder Monat Schneetage; in den Hochregionen, von etwa 3000 m aufwärts, nehmen dieselben rasch zu, ohne indes die Regentage ganz zu verdrängen. Der Schnee der Hochalpen ist trocken und feinkörnig und wird vom Winde oft in wilden Wirbelstürmen, im Berner Oberlande Guxeten genannt, um die Gipfel gejagt. Durch abwechselndes Schmelzen und Zusammenfrieren verwandelt er sich allmählich in Firn, und dieser wieder in Gletschereis. Lösen sich Schnee- oder Eismassen von hochgelegenen Punkten ab und stürzen zu Thale, so bilden sie die oft sehr gefährlichen Lauinen oder Lawinen (s. d.). Nicht weniger gefährlich als die Lawinen sind die Verheerungen des Wassers in den A. Heftige Gewitter, am Südabhange oft von Hagel begleitet, lange andauernde Regen, starke, durch den Föhn bedingte Abschmelzung des Schnees und der Gletscher bringen die Bergbäche zu raschem Anschwellen. Die tief eingeschnittenen, felsigen und steinigen Betten, die im Hochsommer fast wasserleer sind, füllen sich schnell mit trüben Wassermassen, die donnernd, mit wütender Gewalt Felsblöcke, Bäume u. s. w. mit sich reißend, durch die Runsen niederstürzen, um die Felder und Wälder der Thäler unter Geröll, Schutt und Schlamm zu begraben. Infolge der unsinnigen Entwaldung der A., die leider auf dem Südabhange noch jetzt fortgesetzt wird, nimmt trotz aller Schutzbauten diese Gefahr nicht merklich ab; in der Schweiz sucht man in letzter Zeit dieselbe durch Aufforstung der Quellgebiete zu verringern. Auf dieselbe Ursache, d. h. auf die Entblößung des Bodens von der schützenden Walddecke läßt sich großenteils auch der unregelmäßige Wasserstand der Alpengewässer überhaupt zurückführen, die in der trocknen Jahreszeit wasserarm sind, um zur Zeit der Schneeschmelze oder bei dem langen Regen des Herbstes zu verheerenden Fluten anzuschwellen. Auf die Wirkung des Wassers sind auch die vielen Erdschlipfe und Erdlawinen, Steinschläge und Bergstürze zurückzuführen, denen die Thäler der A. ausgesetzt sind. Teils durch die chemische, teils durch die mechan. Wirkung des Wassers werden Erd- und Steinarten aufgelöst, verwittert oder weggeführt. Ganze Erdschichten können dadurch ihrer Stütze beraubt und an stark geneigten Stellen zum Gleiten gebracht werden; durch das Eindringen des atmosphärischen Wassers in die Spalten der Gesteine, verbunden mit der Einwirkung vou Frost und Hitze, werden manche Felsarten, besonders einzelne Schiefer-, Kalk- und Dolomitgesteine, in ihrem Zusammenhange gelockert, einzelne Massen lösen sich nach langem oder heftigem Regen, zur Zeit der Schneeschmelze u. s. w. ab und stürzen als Steinschläge zu Thal. Zeigt sich diese Erscheinung in großem Maßstabe, lösen sich ganze Felsschichten gleichzeitig ab, so entstehen Bergstürze (s. d.).

Pflanzenwelt. Die Alpenpflanzen bilden die hauptsächlichste Zierde der Flora Europas nördlich vom 40.° nördl. Br.; diese enthält hier die größte Zahl eigentümlicher, sonst nicht weiter auf der Erde verbreiteter Arten. Viele derselben sind zwar durch die ganze Alpenkette gemeinsam zu finden, viele andere aber sind beschränkt; die schönen Sträucher des Alpen-Goldregens (Cytisus alpinus Mill.) und der Coronilla emerus L. leben nur in den Westalpen bis zum Jura, der seltenere Cytisus Weldeni dagegen nur in den Ostalpen-Ausläufern; manche kalte Stauden sind auf einzelne Berggruppen beschränkt, und so lassen sich die Standorte zunächst nach vier Hauptgruppen sammeln: Westalpen (und Jura), Schweizer Central- und Nordalpen, Tiroler Südalpen, und Ostalpen. Den West- und Südfuß des mächtigen Gebirges umrandet die mediterrane, südeurop. Flora, die im Tessin mit Cistusgebüschen und Baumheide bis 300 m hoch ansteigt. Der Nordfuß geht in die allgemeine mitteleurop. Flora (s. Europa) über und zeigt eine weite Ausbreitung vieler gemeiner alpinen Arten über die Mittelgebirge und weiterhin. Der Ostfuß begegnet in Illyrien den Formen der pontischen Gebiete Europas, welche bis gegen Wien hin die Oberhand haben. - Die natürliche Pflanzendecke, unten vielfältig durch Kultur verändert, bildet in der ganzen Kette gleichmäßig die fünf Schichten der vorherrschenden Laubwälder (Eiche, Buche, Ahorn u. s. w.), der vorherrschenden Tannen-, Fichten-, Arven- (oder Zirbelkiefer-) und Lärchenwaldungen, die der Alpensträucher (Krummholz, Alpenrosen oder Rhododendren), die der Alpenmatten