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Anziehen – Anzugsgeld
Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Anzengruber'
1888). Für «Heimg’funden. Eine Weihnachtskomödie») (1885) erhielt A. 1887 den Grillparzer-Preis. Aus seinem Nachlaß
erschien noch das Volksstück «Brave Leut’ vom Grund» (Stuttg. 1892). Auf erzählendem Gebiete veröffentlichte er den Roman
«Der Schandfleck» (Wien 1876; 3. umgestaltete Aufl., Lpz. 1894), die Sammlungen: «Dorfgänge» (2 Bde., Wien 1879; darin
die Perle «Der Einsame») und «Bekannte von der Straße. Genrebilder» (ebd. 1881), «Launiger Zuspruch und ernste Red’!»
(Lahr 1882), «Feldrain und Waldweg» (Stuttg. 1882), «Die Kameradin» (Dresd. 1883; 2. Aufl. 1891), «Kleiner Markt. Studien,
Erzählungen, Märchen und Gedichte» (Bresl. 1883), «Allerhand Humore. Kleinbäuerliches, Großstädtisches und Gefabeltes"
(Lpz. 1883), «Das Sündkind» (Münch. 1885), «Der Sternsteinhof. Eine Dorfgeschichte» (2 Tle., Lpz. 1885; 2. Aufl. 1891), sein
episches Meisterwerk. Aus dem Nachlaß erschienen die «Letzten Dorfgänge" (Stuttg. 1894). Die Hauptwirkung seiner
Schöpfungen, insbesondere der Dramen, liegt im Inhalte, nicht in der künstlerischen Gestaltung. A. ist überzeugter Realist stark
volkstümlicher Art und findet in den aus sittlich-sinnlicher und -religiöser Leidenschaft entspringenden Widersprüchen den
Haupthebel der Stoffe, die er am liebsten dem mittelösterr. Bauernleben entnimmt und bald düster-tragisch, bald mit köstlicher
Laune ausführt. «Gesammelte Werke» (eigene Beiträge zu A.s Lebensgeschichte im 1. Band) gaben nach A.s Anordnung
Bettelheim, Chiavacci und Schembera (10 Bde., Stuttg. 1890) heraus, eingeleitet von ersterm, der auch eine Biographie
(Dresd. 1891) verfaßte. – Vgl. Rosner, Erinnerungen an A. (Wien und Lpz. 1891).
Anziehen sagt man in der Jägersprache vom Vorstehhund, der Federwild oder Hasen wittert und sich
ihnen vorsichtig mit besondern Gebärden nähert.
Anziehung oder Attraktion nennt man die Kraft, vermöge deren
die kleinsten Teilchen der Körper sich zu nähern und in gegenseitiger Nähe oder Berührung sich festzuhalten streben. Newton
(1682) hat zuerst eine solche allgemeine A. zur Erklärung der Bewegungen der Weltkörper angenommen und die
Schwere (s. d.) als einen besondern Fall derselben betrachtet. Diese Ansicht schien den meisten
Zeitgenossen (Leibniz, Huyghens), die an eine Fernwirkung der Massen nicht glauben konnten, unannehmbar, wurde auch noch
von Faraday bekämpft. Es fehlt nicht an Versuchen die Fernwirkung auf Vermittelung des Mediums
(Äthers, s. d.) zurückzuführen, das den Raum zwischen den sich anziehenden Massen
ausfüllt. – Vgl. Kant, Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft (Lpz. 1786); Grove, Die Verwandtschaft der
Naturkräfte (Braunschw. 1871); Odstrčil, Über den Mechanismus der Gravitation und des Beharrungsvermögens (Wien 1884).
Anzin, auch Anzain (spr. angsäng),
Ort im Kanton und Arrondissement Valenciennes des franz. Depart. Nord, an der Anschlußlinie Somain-Peruwelz der Franz.
Nordbahn, hat (1891) 11394, als Gemeinde 11538 E., Hochöfen, Maschinenbau, Brauereien, Glashütten, Zuckerfabriken und
Destillationen. A. ist Mittelpunkt des großartigsten Steinkohlenbeckens Frankreichs, welches dem Depart. du Nord und
Pas-de-Calais angehört und ein Teil des großen Kohlenbeckens ist, das sich von Aachen in einem nach N. geöffneten Bogen
über Namur, Charleroi, Mons, bis nach Boulogne erstreckt. Im Depart. du Nord hat es eine Ausdehnung von
615,18 qkm und beschäftigt (1884) 18886 Arbeiter, im Depart. Pas-du-Calais
(Anmerkung des Editors: richtig: Pas-de-Calais) ↔
621,42 qkm mit 28430 Arbeitern. Beide zusammen besitzen etwa 70 Flöze und Schächte bis zu
600 m Tiefe. 1886 lieferten sie mit Hilfe von 34234 Pferden und 614 Dampfmaschinen (487606 t Kohlenverbrauch) 10449344 t,
und der mittlere jährliche Lohn der vor Ort Arbeitenden betrug 1127, der der Tagarbeiter aber 784 Frs. Die Ausbeute des Jahres
1889 erreichte die Höhe von 13455984 t. Seit 1717 besteht in A. eine Gesellschaft mit 100 Mill. Frs. Anlagekapital, die mit
14000 Arbeitern (1887) 2504412 t liefert und ein Gebiet von 280,54 qkm besitzt. Sie hat eine
3800 m lange unterirdische Galerie gebaut, um die Gruben und Arbeitsstätten mit dem Scheldekanal und der Eisenbahn in
Verbindung zu setzen, und endlich eine aus mehrern Sammelbecken bestehende weite Wasserfläche bei Denain.
Anzĭo (bis vor kurzem Porto d’Anzio genannt),
Fischerstadt und von den Bewohnern Roms besuchter Badeort im Kreis Rom der ital. Provinz Rom, auf der Stelle des alten
Antium (s. d.), an der schmalspurigen Lokalbahn Albano-Lazziale-Nettuno, hat (1881) 1680 E. Der an der
Ostseite des alten durch Innocenz XII. erbaute und mit Leuchtturm, Arsenal und Fort versehene kleinere Hafen versandet
fortwährend. Pius IX. ließ eine Kirche erbauen und einen Bazar einrichten und durch seine Fürsorge hat sich A. wieder gehoben.
Über der Stadt die Villa, die Pius IX. zum Frühlingsaufenthalt benutzte, und die Villa Mencacci (früher Corsini), die längere Zeit
von Dom Miguel bewohnt war. Links von der Straße nach dem etwa 2 km entfernten Nettuno zu die Villa Borghese (ehemals
Costaguti). A. wie das benachbarte Nettuno gehören seit 1831 der Familie Borghese. Gegen Westen das Promontorio d’Anzio,
gegen Osten die Isoletta di Astura und die steile Penisola del Circeo. In der Umgebung finden sich die Trümmer der alten Stadt,
unter denen viele Kunstwerke des Altertums gefunden worden sind. So unter Papst Julius II. der Apoll von Belvedere in den
Trümmern des Neronischen Palastes bei dem sog. Arco-Muto und später der Borghesische Fechter. – Vgl. Sofredini,
Storia di Anzio, Satrico, Astura e Nettuno (Rom 1879).
Anzüchte, kleine gemauerte Kanäle, die nur wenig vertieft (bis zu 1 m) unter die Oberfläche gelegt
und vorzugsweise zum Abtrocknen der Oberfläche benutzt werden. In neuerer Zeit sind sie meist durch Drainröhren ersetzt
worden.
Anzug, im Maschinenbau bei Befestigungskeilen die trigonometrische Tangente des spitzen Winkels,
den eine der nicht parallelen Keilflächen mit der Schubrichtung des Keils bildet.
Anzugsgeld, auch Einzugsgeld
(census oder gabella immigrationis), eine Abgabe,
welche früher ziemlich allgemein bei Erwerbung der Staatsangehörigkeit an den Staat, namentlich aber bei der Niederlassung in
einer Gemeinde an diese gezahlt wurde, welche aber in neuerer Zeit mehr und mehr dem Grundsatze der
Freizügigkeit (s. d.) weichen mußte. Durch das Freizügigkeitsgesetz des Norddeutschen Bundes vom 1.
Nov. 1867 ist den Gemeinden untersagt, von neu Anziehenden wegen des Anzugs eine Abgabe zu erheben; die Bestimmung ist
mit jenem Gesetze in den übrigen süddeutschen Staaten bei deren Eintritt in das Deutsche Reich, in Bayern durch Reichsgesetz
vom 22. April 1871, in Elsaß-Lothringen durch Reichsgesetz vom 8. Jan. 1873 eingeführt. Danach erscheint die Abgabe
verwerflich, wenn sie unter dem Vorwande, die Gemeinde
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 725.