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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Brandenburg (Provinz)

unter den übrigen zahlreichen stehenden Gewässern sind der Schwieloch-, der Scharmützel-, Müggel-, Ucker- und Ruppinersee, im ganzen etwa 600 Seen mit einer Wasserfläche von 580 qkm. Der Wasserreichtum begünstigte und erforderte Kanalanlagen. Unter diesen sind die vorzüglichsten der Finowkanal (57,85 km) zwischen Havel und Oder, der Friedrich-Wilhelms- oder Müllroser Kanal (22,75 km) zwischen Spree und Oder, der Ruppiner Kanal (15,4 km) zwischen Havel und Ruppinersee, der Fehrbelliner oder Linumer Rhin (16,5 km), der große Hauptgraben oder Havelländische Hauptkanal, der Templiner (13,2 km), der Wentow (9,4 km), der Werbelliner (10,47 km), der Storkower (23,35 km), der Nottekanal (21,84 km), die Rüdersdorfer Schiffahrtsstraße (9 km) und der Neue Oderkanal, welcher letztere jetzt zum eigentlichen Bett der Oder geworden ist, sowie verschiedene Kanäle durch und bei Berlin (s. d., Bd. 2, S. 794 b). Im ganzen beträgt die Länge der schiffbaren Wasserstraßen 1586 km, darunter 304 km Kanäle, ist also bedeutender als in jeder andern preuß. Provinz.

Mineralreich. Der Boden liefert Torf, besonders bei Linum (von vorzüglicher Güte), bei Kremmen, Fehrbellin u. s. w.; Braunkohlen (1890 3 724 720 t zu 1000 kg im Werte von 8 034 046 M.) bei Freienwalde, Buckow, Wriezen, Frankfurt, Rauen, Zielenzig und andern Orten, Kalk vorzüglich bei Rüdersdorf, Gips ebenda und in Sperenberg bei Zossen, Steinsalz bei Sperenberg, Lehm und Thon an vielen Orten, daher viele Ziegeleien (z. B. in Rathenow) und Töpfereien. Eisen- und stahlhaltige Heilquellen von Ruf besitzt Freienwalde.

Bevölkerung. Die Provinz hat (1890) 2 541 783 (1 256 712 männl., 1 285 071 weibl.) E., 256 140 bewohnte, 3576 unbewohnte Wohnhäuser, 4803 andere bewohnte Baulichkeiten, 567 274 Haushaltungen und 2151 Anstalten für gemeinsamen Aufenthalt mit 68 825 Insassen; davon entfallen auf die 135 Städte 978 664 (485 236 männl., 493 428 weibl.) E., 71 067 bewohnte, 937 unbewohnte Wohnhäuser, 2150 andere bewohnte Baulichkeiten, 230 522 Haushaltungen und 1150 Anstalten; auf die 3153 Landgemeinden 1 343 020 (662 432 männl., 680 588 weibl.) E., 165 690 bewohnte, 2054 unbewohnte Wohnhäuser, 1896 andere bewohnte Baulichkeiten, 294 225 Haushaltungen und 804 Anstalten, und auf die 2016 Gutsbezirke 220 099 (109 044 männl., 111 055 weibl.) E., 19 383 bewohnte, 585 unbewohnte Wohnhäuser, 757 andere bewohnte Baulichkeiten, 42 527 Haushaltungen und 197 Anstalten. Der Konfession nach waren 2 431 307 Evangelische, 89 910 Katholiken, 6572 sonstige Christen, 13 775 Israeliten und 219 andere. Der Staatsangehörigkeit nach waren (1890) 2 536 527 Reichsangehörige, 5213 Reichsausländer und 43 andere. Der Nationalität nach sind die Bewohner deutsch, mit Ausnahme von 38 245 Wenden in der Niederlausitz und 15 508 Polen.

Land- und Forstwirtschaft. Von der Gesamtfläche kommen (1883) auf Ackerland, Gartenland und Weinberge 1 839 878, auf Wiesen 402 847, auf Weiden, Hutungen, Öd- und Unland 199 481, auf Haus- und Hofräume, Wege, Gewässer u. s. w. 246 443 und auf Forsten und Holzungen 1 294 660 ha. Die Hauptprodukte des Ackerbaues sind Gerste und Roggen; daneben zeichnen sich durch Weizenbau vorzüglich die Ukermark, der Oderbruch, die Gegenden von Cüstrin, Landsberg a. d. Warthe, Sonnenburg u. s. w. aus. Der schlechte Sandboden, wie bei Beeskow, Storkow u. s. w., liefert Buchweizen und Teltower Rüben. Hafer, Hirse, Hülsenfrüchte, namentlich Erbsen, werden zur Genüge, von Futterkräutern Luzerne und Lupine mehr als in den andern Provinzen gewonnen. Kartoffeln baut man viel zur Nahrung und zur Branntweinbrennerei, desgleichen Runkelrüben, namentlich im Oderbruch, zur Versorgung der Zuckersiedereien. Ferner wird erzeugt Hanf und Flachs, Krapp und Waid, sowie, besonders auf den größern Gütern, Raps und Rübsaat. Hopfen wird produziert bei Buckow und anderwärts in der Mittelmark sowie in der Priegnitz und Neumark; Tabak besonders in der Ukermark, die am meisten im ganzen Staate liefert, den besten bei Vierraden. Obst wird namentlich in Werder und Guben gewonnen; die Gartenkultur steht sehr hoch. Der Ernteertrag belief sich 1890/91 auf 476 767 t (zu 1000 kg) Roggen, 72 676 t Weizen, 80 638 t Gerste, 2 231 313 t Kartoffeln, 219 848 t Hafer und 832 378 t Wiesenheu.

Der Viehstand ist nicht unbedeutend. Er umfaßte nach der Zählung vom 10. Jan. 1883: 240 463 Pferde, 691 636 Stück Rindvieh, 1 709 897 Schafe (darunter 642 114 feine Wollschafe [Merinos] und 197 648 veredelte Fleischschafe). Bemerkenswert ist das Friedrich-Wilhelms-Gestüt zu Neustadt a. d. Dosse mit dem Landbeschälerdepot zu Lindenau. Schafwolle liefert B. unter allen preuß. Provinzen am meisten zur Ausfuhr, und die feinere zählt zu den besten der Welt. Zur Hebung aller Zweige der Landwirtschaft und zur Bildung der Landwirte ist in B. außerordentlich viel geschehen. Die von Thaer zu Mögelin gegründete Akademie des Landbaues ist nach 25jährigem Bestehen 1. Nov. 1861 mit Rücksicht auf die Errichtung einer landwirtschaftlichen Hochschule in Berlin aufgegeben worden. Ackerbauschulen bestehen auf Glichow bei Calau (seit 1845), zu Hansenfeld im Kreise Lebus (seit 1847), eine königl. Gärtnerlehranstalt zu Potsdam, eine landwirtschaftliche Schule zu Dahme. Erfolgreich wirken auch die landwirtschaftlichen Vereine. Landwirtschaftliche Centralvereine sind der Provinzialverein für die Mark B. und die Niederlausitz zu Potsdam, die Märkische ökonomische Gesellschaft daselbst und der Centralverein zu Frankfurt a. O. Die Waldungen, in deren Ausdehnung B. keiner Provinz nachsteht und die vorherrschend aus Kiefern, doch vielfach auch, wie in der Ukermark und Priegnitz, aus Laubholz bestehen, liefern reichlich Holz, auch als Handelsartikel. Von Jagdwild sind besonders Dam- und Rothirsche, Rehe, Hasen, Wildschweine, Rebhühner, Wald- und andere Schnepfen, wilde Enten; von zahmem Geflügel Gänfe, Enten, Truthühner und Tauben zu nennen. Die Fischerei war in der Zeit der Wenden und im Mittelalter eins der erheblichsten Gewerbe im Lande, und noch jetzt ist bei der großen Menge stehender und fließender Gewässer der Fischreichtum und der Fischfang von Wichtigkeit für die Bevölkerung. Bienenstöcke gab es 10. Jan. 1883 105 243 Stück, namentlich zeichnet sich durch deren Zucht die Stadt Sorau nebst Umgebung aus, deren Wachslichte einen weiten Absatz haben. Die Seidenzucht, schon unter Friedrich d. Gr. durch Anlage von Maulbeerpflanzungen befördert, dann aber gänzlich verfallen, hat besonders durch den 1845 gegründeten Verein zur Beförderung des Seidenbaues in der Mark und Niederlausitz den ersten Anstoß zu einem umfang-^[folgende Seite]