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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Branntweinsteuer

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Branntweinsteuer

In der Form des Handelsmonopols bestand das B. schon seit dem 17. Jahrh, in Rußland (anfangs für Großrußland, seit 1849 auch für Kleinrußland, Polen und die balt. Provinzen, jedoch nicht für Finland). Die Ausnutzung des Monopols erfolgte seit der Mitte des 18. Jahrh. anfangs vorübergehend, seit 1795 dauernd in der Form der Verpachtung, die im Durchschnitt von 1811 bis 1815 10,5 Mill. Rubel einbrachte, aber 1817 infolge des schnellen Umsichgreifens der Trunksucht und des Schmuggels durch Staatsregie ersetzt wurde. 1827 wurde die Verpachtung an den Meistbietenden wieder eingeführt. Dieselbe erfolgte in der Regel auf 4 Jahre für die einzelnen Gouvernements und brachte 1858 etwa 57,7 und 1862 etwa 126 Mill. Rubel ein. Durch einen Ukas vom 4. Juni 1861 wurde das B. vom 1. Jan. 1863 ab durch eine Fabrikatsteuer ersetzt und die Fabrikation im übrigen freigegeben.

Durch Gesetz vom 23. Dez. 1886 wurde in der Schweiz ein B. eingeführt, welches dem Bunde formell das alleinige Recht zur Branntweinerzeugung und zur Branntweineinfuhr zuerkennt und die Pflicht auferlegt, für genügende Reinigung des Trinkbranntweins zu sorgen. Etwa ein Viertel des Bedarfs wird zur Erzeugung an die inländischen Brennereien abgegeben. Der Bund giebt den Branntwein zu 120-150 Frs. für 1 hl in Mengen von mindestens 150 l ab; der genaue Preis wird vom Bundesrat periodisch festgesetzt. Die Einfuhr von Qualitätsspirituosen wird gegen eine Monopolgebühr von 80 Frs. für 100 kg nebst Eingangszoll Privatpersonen freigegeben. Die Brennereibesitzer werden für den Minderwert entschädigt, den ihre zur Brennerei benutzten Gebäude und Einrichtungen durch die Einführung des Monopols erleiden. Der Rohertrag des Monopols, welches den Verbrauch wesentlich vermindert hat, war 1890: 14 386 516 Frs., die Unkosten 7 724 399 Frs., also der Reinertrag 6 662 117 Frs., von welchem nach Abzug der Einlagen in den Amortisations- und Reservefonds 6 306 668 Frs. unter die Kantone verteilt werden. Letztere haben 10 Proz. der Einnahmen zur Bekämpfung des Alkoholismus zu verwenden. Der Zollertrag für den eingeführten Branntwein (1890: 1 328 000 Frs.) fließt dem Bunde zu.

Branntweinsteuer. Der Branntwein unterliegt in allen Ländern, welche eine ausgedehnte Brennerei-Industrie haben, einer mehr oder minder hohen Besteuerung, die darin begründet ist, daß der Branntwein weniger ein notwendiges, unentbehrliches Lebensmittel, als vielmehr ein bei übermäßigem Gebrauch sogar schädliches Genußmittel ist, durch dessen ausgedehnten Verbrauch ein großes finanzielles Erträgnis der Steuer gewährleistet ist; sodann darin, daß der Branntwein im allgemeinen von dem einzelnen nur in geringen Mengen verbraucht wird, sodaß die den einzelnen treffende Steuerlast nur gering ist; endlich ist auch nicht zu verkennen, daß eine hohe B. durch Einschränkung des Konsums auch in ethischer Beziehung nicht ohne Bedeutung ist. Die Schwierigkeiten einer allen Interessen genügenden B. liegen in der Verschiedenheit der verarbeiteten Rohmaterialien und der aus denselben zu erzielenden Branntweinerträge, in der Verschiedenheit der Herstellungsweise und namentlich in dem verschiedenen Umfange der Brennereibetriebe, welche teils kleinste Hausbetriebe, teils landwirtschaftliches Kleingewerbe, teils industrielle Großbetriebe darstellen. Namentlich die Wahrung der landwirtschaftlichen und Landeskultur-Interessen (s. Brennerei), wie sie in Deutschland in den landwirtschaftlichen Kartoffelbrennereien besonders vertreten sind, gegenüber den gewerblichen Großbetrieben, bietet große Schwierigkeiten. Dazu kommt noch die Notwendigkeit, zu Gunsten der Industrie für den im Inlande zu gewerblichen und häuslichen Zwecken verbrauchten und den zur Ausfuhr gelangenden Branntwein Steuerfreiheit, bez. Steuerrückvergütungen (Bonifikationen, Exportprämien), zu schaffen. Infolge dieser Schwierigkeiten sind die zur Anwendung gelangten Steuersysteme sehr verschieden. Es findet sich, abgesehen vom Branntweinmonopol (s. d.), zunächst die Form der Rohstoffsteuer, die unter Zugrundelegung bestimmter Ausbeuteannahmen erhoben wird (Materialsteuer). Wird der Rauminhalt der Maisch- und Gärgefäße und die Anzahl der Füllungen der Besteuerung zu Grunde gelegt, so entsteht die Form der Maischraum- oder Maischbüttensteuer. Wird die Steuer nach der Leistungsfähigkeit der Brennapparate während eines gewissen Zeitraums ohne Rücksicht auf die wirklich erfolgte Zahl der Füllungen und die gewonnenen Alkoholmengen bemessen, so spricht man von Pauschalierungssteuer, auch Blasensteuer oder Blasenzins. Wird für die Berechnung des Ertrags die Würze zu Grunde gelegt, so liegt eine Würzesteuer oder Würzeertragsteuer vor. Eine reine Fabrikatsteuer ist vorhanden, wenn das gewonnene Erzeugnis unmittelbar (durch Messung in den Behältern [Sammelgefäßen] oder durch Spiritusmeßapparate) festgestellt wird; diese Fabrikatsteuer wird entweder beim Erzeuger oder beim letzten Empfänger in größeren Mengen erhoben. Endlich findet sich die Abfindung (Fixation), bei der eine bestimmte Erzeugungs- bez. Ausschanksmenge mit dem Brenner oder Ausschänker als Grundlage der Steuerberechnung vereinbart wird. Außerdem kommen noch die Licenzgebühren in Betracht. Nach der Stelle, an der die Steuer erhoben wird, unterscheidet man Produktions-, Lager- und Verbrauchssteuern.

Unter den einzelnen Steuerformen sind die Pauschalierungssteuern am wenigsten zu billigen, da sie lediglich nach dem Rauminhalt der Brennapparate und der Zeit des Betriebes ohne Rücksicht auf die Dauer der Gärungsperiode erhoben werden und die Brennereien zu übermäßiger Beschleunigung der Arbeit ohne rationelle Ausnutzung des Materials veranlassen. Die Maischraumsteuer bedingt zwar eine lästige Kontrolle des Betriebes und belastet ungleich, weil die verschiedene Ausbeute und die abweichende Leistungsfähigkeit der Betriebseinrichtung außer acht bleibt. Doch liegt gerade in diesem Steuersystem, wie Deutschland und Belgien beweisen, ein ungemeiner Antrieb zur technischen Hebung des Gewerbes, da mit der Hebung der Ausbeute aus dem Maischraum die auf dem Produkt ruhende Steuer entsprechend vermindert wird; selbstverständlich darf die erzielte Steuerersparnis nicht durch schlechtere Ausnutzung der Rohstoffe aufgehoben werden. Die Bemessung der Steuerrückvergütung und die Auffindung angemessener Zoll- und Übergangsabgabensätze ist hier besonders schwer. Gleichmäßiger wirkt schon die Materialertragsteuer, ohne indes die Verschiedenartigkeit der Ausbeute und der Apparate berücksichtigen zu können. Die reine Fabrikatsteuer belästigt bei Anwendung selbstthätiger Meßapparate den eigentlich technischen Betrieb weniger, erfordert dafür aber eine um so schwerere