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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Bulle; Bullen; Bullenbeißer; Bullendoktoren; Bulletin; Bulle-tree; Bull frog; Bullieren; Bullinger

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Bulle (Rind) - Bullinger

gen Fällen schon seit dem 9. Jahrh. sich bedienten. Vorzugsweise aber gebraucht man diesen Ausdruck von den im Namen des Papstes ausgefertigten offenen und mit einem, bei Gnadensachen an einem gelb- oder rotseidenen, bei Justizsachen an einem grauhänfenen Faden herabhängenden Siegel versehenen Urkunden über wichtigere Gegenstände. Sie werden, mit Ausnahme derer an die unierten Griechen, in lat. Sprache abgefaßt und auf Pergament geschrieben, und zwar auf die rauhe Seite desselben und mit got. Buchstaben. (S. Breve.) Alle tragen an der Stirn den Namen und Titel des Papstes, z. B. Leo, episcopus, servum servorum Dei etc. Angehängt ist ihnen das in Blei abgedruckte große Siegel der röm. Kirche, das auf der Vorderseite die Bildnisse der Apostel Petrus und Paulus, auf der Rückseite den Namen des regierenden Papstes zeigt. Ausgenommen hiervon sind die halben, d. h. zwischen der Wahl und Weihe eines Papstes ausgefertigten B., wo die Vorderseite leer gelassen wird. Über staatliche Genehmigung der Bulle s. Placet. Citiert werden die B. nach den Anfangsbuchstaben des Textes. Besonders berühmt sind die B. Clericis laios und Unam sanctam, die Bonifacius VIII. 1296 und 1302 gegen Philipp den Schönen von Frankreich erließ; In coena domini, die seit Urban V. (1362) öfters wiederholte Bannbulle gegen die Ketzer; Exsurge Domine, von Leo X. 1520 gegen Luther erlassen und von diesem verbrannt; Unigenitus, die Verdammungsbulle von 1713 gegen Quesnel; Dominus ac redemtor noster, die B., worin der Jesuitenorden aufgehoben wurde; Ecclesi Christi, worin das Konkordat mit Frankreich 1801 in Vollziehung gebracht wurde; Sollicitudo omnium, worin Pius VII. 1814 den Jesuitenorden wiederherstellte; Ineffabilis, die von Pius IX. 1854 dogmatisierte unbefleckte Empfängnis der Maria, und Pastor aeternus, worin 1870 Pius IX. die Unfehlbarkeit proklamierte.

Die wichtigern päpstlichen B. und Breven sind in den sog. Bullarien gesammelt, deren seit dem 16. Jahrh. verschiedene erschienen sind. Die eigentliche offizielle Sammlung derselben ist das "Bullarum privilegiorum ac diplomatum Romanorum Pontificum amplissima coliectio usque ad Clementem XII." von Cocquelines (13 Bde. in 28 Tln., Rom 1738-45), welches zunächst im "Bullarium Papae Benedicti XIV." (4 Bde., ebd. 1746-57), dann in der "Bullarii Romani continuatio" von Barberi (18 Bde., ebd. 1835-57; Neue Folge, die B. Gregors XVI. enthaltend, ebd. 1857 fg.) bis auf die neueste Zeit herab fortgeführt wurde. Ein neuer Abdruck des Buliarium von Cocquelines mit Fortsetzungen und Ergänzungen erschien in 13 Bänden (Mecheln 1826-28). Außer ältern Sammlungen ist namentlich noch das "Magnum bullarium Romanum" zu erwähnen (19 Bde., Luxemb. 1747-58; neu herausgegeben und bis auf die Gegenwart fortgeführt von Gaude, 24 Bde., Tur. 1857-72). - Vgl. Eisenschmid, Röm. Bullarium, oder Auszüge der merkwürdigsten päpstlichen B. (2 Bde., Neust. a. d. Orla 1831).

Bulle, geschlechtsreifes männliches Rind.

Bulle (spr. bull; deutsch Boll), Hauptstadt des Bezirks Greyerz (s. d.) im schweiz. Kanton Freiburg, in 760 m Höhe, 22 km südsüdwestlich von Freiburg, Endpunkt der Linie B.-Romont (18,2 km) der Jura-Simplonbahn, in fruchtbarer Ebene am Rande des Greyerzerlandes, hat (1888) 2797 E., die das "Gruérin" (eine roman. Mundart) sprechen, darunter 239 Protestanten und 2527 Katholiken, Post, Telegraph, ein altes Schloß (jetzt Präfektur), ein stattliches Rathaus, eine hübsche Kirche mit marmorner Kanzel und prächtigen Altären, ein Kapuzinerkloster, ein Spital, eine Sekundärschule und zwei Tabaksfabriken. Nach dem großen Brande vom 2. April 1805, der ganz B. mit Ausnahme des Schlosses, des Klosters und weniger Wohnhäuser verzehrte, ist die Stadt nach zweckmäßigem Plane mit breiten, geraden Straßen wieder aufgebaut worden. Als Stapelplatz für den Käse- und Viehhandel des Greyerzerlandes und die Strohflechterei des Bezirks Glane ist B. ein sehr lebhafter Handelsplatz mit 2 Banken und 6 Viehmärkten. Berühmt ist der Kuhreigen (Ranz des vaches de Gruyère). Mit Freiburg und dem bernischen Saanenlande (s. d.) ist es durch Poststraßen verbunden; nach O. führt die 1881 vollendete prächtige Bergstraße durch das Jaunthal und über den Bruchberg (1506 m) in das bernische Simmenthal. Südlich von B. erhebt sich der Moléson (2005 m), der schönste Aussichtspunkt der Greyerzerberge, von B. in etwa 4 Stunden zu ersteigen; am Abhang desselben, in 827 m Höhe, das gut eingerichtete Schwefelbad Montbarry. B. war im Mittelalter eine Besitzung des Stifts Lausanne und wurde erst 1536 bei der Eroberung der Waadt durch die Berner von Freiburg an sich gezogen.

Bulle, Konstantin Karl Ferd. Heinr., Geschichtschreiber, geb. 30. März 1844 in Minden (Westfalen), studierte seit 1863 in Jena und Bonn neben Philologie und Theologie besonders Geschichte, wurde 1867 Hilfslehrer an der Hauptschule zu Bremen, 1869 ord. Lehrer und 1879 Direktor des Gymnasiums daselbst und 1892 zum brem. Schulrat ernannt. 1887-90 war er Vertreter Bremens im Reichstage, wo er sich der deutschfreisinnigen Partei anschloß. Außer philol. Arbeiten, namentlich über Pindar, sowie histor. und polit. Broschüren sind von ihm zu nennen: "Geschichte der neuesten Zeit 1815-71" (2 Bde., Lpz. 1875-76; 2. Aufl., fortgesetzt bis 1885, 4 Bde., Berl. 1886-87), "Geschichte der Jahre 1871-77" (2 Bde., Lpz. 1878; Fortsetzung zu Beckers "Weltgeschichte"), "Geschichte des zweiten Kaiserreichs und des Königreichs Italien" (in Onckens "Allgemeiner Geschichte in Einzeldarstellungen", Berl. 1890).

Bullen, Anna, ist die Form, in der Shakespeare den Namen der Anna Boleyn (s. d.) schreibt.

Bullenbeißer, s. Doggen und Hunde.

Bullendoktoren, Bullenmagister, s. Bullatus.

Bulletin (frz., spr. bül'täng; ital. Bullettino, vom mittellat. bullo), Tagesbericht, Bericht.

Bulle-tree (spr. bulltrih), s. Bolletrieholz.

Bull frog, s. Ochsenfrosch.

Bullieren (von Bulle), eine Urkunde besiegeln; Bull ist, Schreiber der päpstl. Bullen.

Bullinger, Heinr., schweiz. Reformator und Dichter, geb. 18. Juli 1504 zu Bremgarten im Aargau, besuchte die Schulen zu Emmerich und Köln und wurde 1523 Lehrer im Kloster Kappel. Nachdem er Luthers Schriften kennen gelernt und 1527 Zwingli gehört hatte, wohnte er mit letzterm 1528 dem Religionsgespräche zu Bern bei, das die Reformation dieses Kantons zur Folge hatte. Nach einer Predigt B.s zu Bremgarten 1529 schloß sich die Gemeinde der Reformation an, und er wurde ihr Prediger. 1531 nach der Schlacht bei Kappel zur Flucht genötigt, ging er nach Zürich, wo er als Zwinglis Nachfolger Antistes und Münsterpfarrer