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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Chalif

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Chalif

Chalîf (Chalîfa, unrichtig: Kalif), Titel der Nachfolger Mohammeds in der weltlichen und geistlichen Führung der mohammed. Kirche. Nach dem Tode des Propheten, der hinsichtlich der Nachfolge keine Verfügung getroffen hatte, entstanden Parteistreitigkeiten unter den Anhängern des Islam bezüglich der Besetzung des Herrscheramtes (Chalifat). Der hervorragenden Familie der Koreischiten, aus der der Prophet selbst hervorgegangen war, traten die Anßâr (s. d.) entgegen. Unter den Anhängern der Koreischiten stellte sich der Partei, welche die Chalifenwürde auf dem Wege der Wahl besetzen wollte, eine Partei entgegen, die die Lehre von der Erblichkeit dieser Würde in der Familie des Propheten aufstellte. Der Kandidat dieser Partei war zunächst Alî ibn Abî Tâlib (s. d.). – Unmittelbar nach dem Tode Mohammeds wurde den Streitigkeiten über die Nachfolge durch die Proklamierung des Abû Bekr (s. d.) ein Ende gemacht (632). Unterstützt von seinem Feldherrn Châlid begann er sofort, nachdem die innern Empörungen niedergeschlagen waren, mit des Schwertes Gewalt den Islam zu benachbarten Völkern zu tragen. Siegreich in manchen Treffen, wurde das mohammed. Heer doch auch von den Byzantinern mehreremal geschlagen; als aber die Mohammedaner in der Schlacht am Jarmuk über das byzant. Heer gesiegt hatten, unternahmen sie den Zug gegen Damaskus, das sie nach langer Belagerung (635) zur Übergabe zwangen. Inzwischen war Abû-Bekr (Aug. 634) gestorben, und es folgte ihm Omar ibn al-Chattâb (634–641). Omar vertraute den Oberbefehl dem Abû-Ubeida an und vollendete durch diesen 638 die Unterwerfung von Syrien. Ebenso glücklich war Amr, ein anderer Feldherr Omars, in Ägypten, das 638–640 dem Chalifat unterworfen wurde. Als 638 Jerusalem genötigt war, die Übergabe anzubieten, zog Omar selbst dahin und bestimmte die Kapitulation, die nachher bei der Feststellung des Verhältnisses der Mohammedaner zu den unterworfenen Christen als Grundlage diente. Auch gegen das Sassanidenreich wurden glänzende Siege erfochten und der Islam über den größten Teil von Persien verbreitet. Omar organisierte die Staatseinrichtungen des Chalifenreichs, gründete 636 Basra und 638 Kufa, führte die Zeitrechnung der Hidschra ein und dotierte Moscheen und Schulen mit unveräußerlichem Eigentum (Wakf). Er war der erste, welcher Emîr al-Mûminin, d.i. Befehlshaber der Gläubigen, genannt wurde, ein Titel, der auf alle folgenden C. forterbte. Nach Omars Ermordung erwählte ein Rat von sechs Männern, die er bei seinem Tode ernannt, mit abermaliger Übergehung Alis, Othmân, einen Eidam des Propheten, zum dritten C. (644–666). Unter ihm gelangte das Reich der Araber zu noch größerer Ausdehnung. Während sie in Persien die Herrschaft des Islam befestigten und weiter verbreiteten, auch in Armenien und Kleinasien glänzende Eroberungen machten, unterwarfen sie die ganze Nordküste von Afrika bis über Tunis hinaus. Manche Unfälle, welche die Araber in dieser Zeit erlitten, waren eine Folge der Maßregeln des im allgemeinen sehr schwachen Othmân, der seinen Verwandten und Günstlingen die Provinzen vertraute. Die Unzufriedenheit mit ihm, welche von den Anhängern Alis sowie von andern unzufriedenen Elementen, welche der unter Othmân überhandnehmende Nepotismus zur Eifersucht reizte, geschürt wurde, endigte mit der Ermordung des C. ↔ Durch die Wahl des Volks von Medina wurde nun Alî, (656–660) der vierte C., der von den Schiiten für den ersten rechtmäßigen Imâm (s. d.) gehalten wird. Nachdem er 661 ermordet war, legte sein Sohn Hasan nach sechs Monaten die Regierung nieder.

Der neue C., Mo’âwija I. (661–680), verlegte den Sitz des Chalifats aus Medina, wo (mit Ausnahme Alis, dessen Residenz Kufa war) alle übrigen C. residiert hatten, in seine bisherige Statthalterschaft nach Damaskus. Mit ihm beginnt die Reihe der Omajjaden-Chalifen (661–750). Nachdem er gleich im Anfange seiner Regierung den Aufstand der Châridschiten (s. d.) und die Empörung der Anhänger der Familie Alîs nicht ohne grausame Maßregeln niedergeschlagen, arbeiteten seine Heerführer an der Befestigung und Ausbreitung des Reichs. Große Erfolge erzielten sie in Mittelasien, der Oxus wurde überschritten und die Provinz Mâ-warâ al-nahr (Transoxanien) organisiert; von Chorassan aus wurden Eroberungszüge bis an den Indus unternommen; Jesîd, der Sohn des C., that sich in Kleinasien hervor und dachte bereits an die Eroberung von Konstantinopel, das er jedoch ohne Erfolg belagerte. Ebenso wie Mo’âwija I. das Reich nach außen vergrößerte, gelang es seiner Klugheit, dasselbe auch im Innern zu organisieren; dazu machte er das Chalifat erblich und erzwang 670 die Anerkennung seines Sohnes Jesîd bei seinen Lebzeiten in Syrien und Irak. Jesîd (680–683) hatte während seiner kurzen Regierungsdauer gegen innere Feinde zu kämpfen. Die heiligen arab. Städte lehnten sich unter Anführung des Abdallâh ibn Sobejr, welcher als Gegenchalif auftrat, gegen die omajjadische Dynastie auf; die Unzufriedenen in Irâk scharten sich um Husejn, den zweiten Sohn des Alî, den sie aus Arabien zur Bekämpfung des Jesîd herbeilockten; der Aufstand endigte in der dürren Ebene von Kerbela mit dem Tode des Husejn (680); auch der arab. Aufstand wurde unterdrückt, indem die Heilige Stadt (683) einer schonungslosen Plünderung unterworfen wurde, von welcher auch die Ka’ba zu leiden hatte. Inzwischen starb Jesîd; ihm folgte sein schwacher Sohn Mo’âwija II. (683), der nach wenig Monaten starb oder aus dem Wege geräumt wurde. Während Arabien, Irak und Ägypten sich dem Sohne Sobejrs anschlossen, ward in Damaskus der Omajjade Merwân I. als C. anerkannt und wußte sich auch inmitten der Empörungen der gegnerischen Parteien zu behaupten, bis er von seiner Gattin, der Mutter Châlids, eines Sohnes Jesîds, den er von der Nachfolge ausschloß, ermordet ward. Merwân hatte nicht verhindern können, daß Abdallâh ibn Sobejr sich in einem Teil des Reichs, namentlich in Arabien und Persien, als Gegenchalif erhielt. Unter Merwâns Sohn Abdulmelik (685–705), mit welchem die Regierung der merwânischen Linie der Omajjadendynastie beginnt, wurde Mochtar, der sich als Propheten und als Rächer des Husejn ausgab und einen Sohn Alî’s, Mohammed ibn al-Hanafijja, als Deckmantel seiner Bestrebungen gebrauchte, durch den Anhang, den er unter den Aliden in Irâk fand, dem Chalifat gefährlich. Nach der Besiegung dieses Aufstandes (687) wandte Abdulmelik sich gegen den arab. Rivalen Abdallâh, schlug dessen Anhänger in Irak, und sein Feldherr Haddschadsch nahm Mekka mit Sturm, wobei Abdallâh blieb; so vereinigte Abdulmelik wieder in seiner Hand die Herrschaft über den ganzen Islam. Auch gegen das Byzantinische Reich kämpften die Moham-

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 78.

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