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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Charak – Charavay

Baschi, eingesetzt hatte, so blieb doch die Abgabe sowohl wegen ihres ursprünglichen Charakters wie auch wegen der Gewalt, die den Charadschtschis, d. i. den Hebebeamten, meistens ungebildeten Türken, wider die Rajah eingeräumt werden mußte, in hohem Grade verhaßt. Während des Krimkrieges wurde die Pforte von den mit ihr verbündeten Westmächten um Abschaffung des C. angegangen, und diese erfolgte durch großherrl. Irade (Verordnung) vom 10. Mai 1855 und wurde durch den Hatti-Humajun vom 18. Febr. 1856 bestätigt.

Charak oder Kerak, kleine Insel im Persischen Meerbusen, 70 km im NW. von Buschehr (s. d.), ist unfruchtbar, hat einen Hafen und etwa 1000 E. Die bei der Insel gefischten Perlen gehören zu den schönsten im ganzen Meerbusen, sind aber wegen der Tiefe des Meers kaum zu erreichen. Früher im Besitze der Portugiesen, wurde C. durch den Handelsvertrag vom 3. Jan. 1808 von Persien an Frankreich abgetreten. 1856 wurde sie 3. Dez. von den Engländern besetzt, jedoch im Frieden vom 4. März 1857 zurückgegeben.

Charakter (grch.), ursprünglich ein eingegrabenes, eingeprägtes Zeichen, das Gepräge, dann im allgemeinsten Sinne die Eigenart eines Dings, oder das hervorstechende Merkmal, wodurch es sich von allen andern unterscheidet. Charakteristisch heißt daher das, was für ein Ding oder eine Person bezeichnend ist, sie vor allen andern kenntlich macht; ein Charakterzug, eine einzelne derartige Eigentümlichkeit; charakterisieren, ein Ding nach seinen charakteristischen Merkmalen beschreiben oder darstellen; Charakteristik, diese Beschreibung oder Darstellung selbst. Vorzüglich aber spricht man vom C. einer Person in sittlicher Beziehung; er bedeutet dann den Inbegriff sittlicher Gesinnungen, den sie durch die Kraft des Willens auch unter widrigen Umständen zu behaupten vermag; oder auch die Willensstärke selbst, vermöge deren sie das vermag. Charakterlos nennt man den, der nicht die Energie des Willens besitzt, sittliche Gesinnungen, die er grundsätzlich anerkennt, in der That auch unter Hemmnissen, Versuchungen u. s. w. festzuhalten. Der sittliche C. ist demnach nichts von selbst Gegebenes, sondern nur durch Erziehung, ganz besonders durch Selbsterziehung zu erwerben. – Das Wort C. wird dann auch in der Bedeutung von Titel, Würde und Schriftzeichen gebraucht.

Charakterístik, s. Charakter; in der Arithmetik, s. Logarithmus. In der Elektrotechnik nennt man C. nach Deprez die zuerst von J. Hopkinson benutzte, für die Beurteilung der Wirkung einer Dynamomaschine wichtige Kurve, die in ihren Ordinaten die elektromotorische Kraft der Maschine als Funktion der durch die Abscissen dargestellten den Magneten erregenden Ampèrewindungen (s. d.) giebt. Frölich nennt sie auch Kurve des wirksamen Magnetismus.

Charaktermasken, Kostüme, die die Kleidung bestimmter Persönlichkeiten genau nachahmen.

Charakterrollen, in der Schauspielkunst Rollen, deren Aufgabe in der Durchführung individueller Eigentümlichkeit besteht, im Gegensatz zu Rollen, die mehr rhetorische Aufgaben bieten oder das Allgemeine ihrer Gattung zeigen. Es giebt C. in allen Fächern, in jugendlichen wie in den ältesten, in komischen und in tragischen. Zu den jugendlichen C. gehört Hamlet, zu den ältern Philipp Ⅱ., zu den gesetzten Bolingbroke. Kleinere C. fallen oft in das Gebiet der Chargierten Rollen (s. Charge). Bei Dichtern von höchster Schöpferkraft, wie Shakespeare, haben alle Gestalten so viel individuelles Leben, daß man sämtliche für C. erklären möchte. Die Schauspielkunst müßte überhaupt jeder Rolle ein eigenes Gepräge geben. (S. Charakterstücke.)

Charakterstücke, eigentlich alle dramat. Werke insofern, als aus dem Charakter einer oder mehrerer Hauptpersonen die Verwicklung und Lösung des Dramas hervorgehen soll. Insbesondere nennt man C. (auch Charaktergemälde) solche Dramen, in denen durch einseitige Zeichnung des oder der Hauptcharaktere eine allseitige Entwicklung der Handlung ausgeschlossen ist. Der Gang des Stückes ist daher kein Ausfluß eines sich entwickelnden Charakters; vielmehr ist die Fabel ganz willkürlich gewählt, und ihr Verlauf beabsichtigt nichts anderes, als den Hauptcharakter in besonders kennzeichnenden Situationen scharf hervortreten zu lassen. Die Fabel hat sich also nach dem Charakter zu modeln, ein Mißstand, der für den Dichter meist verderblich ist. Dem Wesen der dramat. Dichtung ist die Gattung der C. durchaus widersprechend, und nur die größten Dichter haben diesem Widerspruch zum Trotz gehaltreiche Charaktergemälde gestalten können. Individuelles Wesen oder allgemein menschliche oder aus Zeit oder Umgebung hervorgehende Eigenheiten bilden die Grundlage der C., die übrigens besonders im Gegensatz ihre Spitze suchen. Die Verkörperung einzelner Eigenschaften, namentlich typischer Schwächen, galt als Hauptaufgabe der Darstellung, solange die Heuchler, Lügner u. s. w. der franz. und ital. Comédie, Nachkommen der antiken Charakterrollen, die Bretter beherrschten. Für heitere Stoffe eignet sich die Gattung namentlich im Bunde mit Zufallskomik am besten (Charakterlustspiel). Molières «Der Geizige» und «Der eingebildete Kranke» sind C. auf dem Gebiete des Lustspiels, Shakespeares «Hamlet», «Richard Ⅲ.» auf dem des Trauerspiels.

Charalá (spr. tscha-), Departamento im Staate Santander der südamerik. Republik Columbia, in 1443 m Höhe, hat (1870) 8026 E., Töpferei, Baumwollweberei und Gerberei.

Charamūr, der mittlere Teil des Amur (s. d.).

Charas, s. Churrus.

Charavay (spr. scharawäh), Jacques, franz. Bibliograph und Autographenkenner, geb. 8. Aug. 1809 in Lyon, gründete eine Buchhandlung, die er 1846 nach Paris verlegte. Seine Specialität wurde der Autographenhandel, den er durch Herausgabe vortrefflicher Kataloge hob; bedeutende von ihm zum Verkauf gebrachte Sammlungen waren die von Villenave (1850), Lajariette (1860) u. a., ferner seine eigene große Sammlung von Dokumenten verschiedener Konventsmitglieder u. s. w. aus der Französischen Revolution (1862), die er mit seinem Bruder Gabriel C. beschrieb. Auch gründete er 1862 die Monatsschrift «L’Amateur d’autographes». Er starb 23. April 1867 in Levallois-Perret.

Gabriel C., Bruder des vorigen, geb. 7. Aug. 1818 in Lyon, widmete sich der Journalistik, wurde wegen Preßvergehen einmal zu zwei, dann zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt und 1858 nach Algerien deportiert. Die Amnestie vom 15. Aug. 1859 gab ihm die Freiheit wieder. Er nahm an den Arbeiten seines Bruders teil und gründete die Zeitschrift «Imprimerie» (1864 fg.) und die «Revue des autographes» (1866 fg.), die nach seinem Tode (22. Mai 1879) sein Sohn Eugen C., geb. 31. Juli 1858 in Sidi-bel-Abbés, herausgiebt.

^[Artikel, die man unter C vermißt, sind unter K aufzusuchen.]