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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Chile (Finanzen. Heerwesen. Geistige Kultur. Geschichte)

weißen Stern in Blau, die übrigen zwei Drittel sind weiß; der untere Streifen ist ganz rot. (S. Tafel: Flaggen der Seestaaten.)

Finanzen. Das Metallgeld ist gänzlich verschwunden und nur Papiergeld kursiert, von dem der Peso jetzt etwa 1,30 M. gilt, während der Goldpeso den Wert von 4 M. hat. 1892 betrugen die Einnahmen 62400000, die Ausgaben 60900000 Pesos. Der Voranschlag der Ausgaben für 1894 beträgt 49754276 Pesos und 1,427 Mill. Pfd. St., der Einnahmen 59903422 Pesos und 1,426 Mill. Pfd. St. Die auswärtige Schuld betrug Ende 1892: 55373561, die innere 21700000 Pesos, an Papiergeld außerdem 31377029 Pesos.

Heerwesen. Jeder Chilene ist zum Kriegsdienst verpflichtet mit Ausnahme der Geistlichen, Lehrer u. s. w., und muß in die Nationalgarde eintreten, die (1890) 51090 Mann betrug. Das stehende Heer besteht aus geworbenen Soldaten, und zwar aus 2 Regimentern Artillerie, 1 Bataillon Zapadores (Pioniere), 8 Bataillonen Infanterie und 3 Regimentern Kavallerie. Das Heer zählt 3 Divisionsgenerale, 6 Brigadegenerale, 26 Obersten u. s. w. Eigentliche Festungen besitzt C. nicht, Valparaiso ist jetzt unter Leitung eines deutschen Ingenieuroffiziers stark befestigt; im ehemaligen Araukanerland sind noch einige Forts. Die Kriegsmarine besteht aus 3 Panzerfregatten, dem Monitor Huascar, 3 Korvetten, 2 Kanonenbooten, 3 Kreuzern, 2 Transportschiffen, 10 Torpedobooten und mehrern andern Fahrzeugen, und hat 5 Konteradmirale, 11 Schiffskapitäne (inkl. 4 graduierter) und 24 Fregattenkapitäne (inkl. 4 graduierter). Die Mannschaft der Schiffe beträgt 1609 Mann. Im Bau sind 1 Panzerschiff von 6900 t und 4 kleinere Schiffe.

Geistige Kultur. Es herrscht vollkommene Kultusfreiheit, doch wird nur die kath. Geistlichkeit und deren Anstalten vom Staat unterstützt. Die Geistlichkeit steht unter dem Erzbischof von Santiago und den drei Bischöfen von Serena, Concepcion und Ancud. Die Civilehe und Standesbücher sind gesetzlich eingeführt worden. Über die Zahl der wenigen Klöster und deren Insassen fehlt jede statist. Nachweisung. Deutsch-prot. Kirchengemeinden sind in Santiago (noch im Werden), Valparaiso, Valdivia, Osorno und Puerto-Montt. Für den öffentlichen Unterricht ist namentlich in der letzten Zeit viel geschehen. Die Leitung des höhern Unterrichts steht unter dem Consejo de Instruccion superior, dessen Mitglieder teils von der Regierung ernannt, in der Mehrzahl aber von den Mitgliedern der Universität gewählt werden; an seiner Spitze steht der gewählte Rektor der Universität. Die Universität in Santiago, welche an die Stelle der ehemaligen span. Universidad de San Felipe getreten ist, besteht aus 4 Fakultäten, für Jurisprudenz und polit. Wissenschaften, für Medizin und Pharmacie, für physische und mathem. Wissenschaften und für schöne Künste. Jede Provinzialhauptstadt und manche Departementshauptstadt hat ihr Lyceum (Gymnasium), das entweder sechsjährigen Kursus (Liceo de primera clase) oder dreijährigen Kursus (Liceo de segunda clase) hat. Es giebt ferner 2 Lehrer- und 2 Lehrerinnenseminare (escuelos normales), ein pädagogisches Institut, Militärakademie, Marineschule, Ackerbauschulen, Bergbauschulen und andere Fachschulen. Staatliche Elementarschulen giebt es (1892) 1150. Aller Unterricht, selbst der Universitätsunterricht, ist unentgeltlich, und die Kosten für den öffentlichen Unterricht betrugen (1890) 7198553 Pesos.

Geschichte. Schon die peruan. Inkas (s. d.) hatten versucht, sich zu Gebietern von C. zu machen, ohne jedoch die Bewohner seiner südl. Hälfte besiegen zu können. Der Spanier Diego d’Almagro (s. d.) drang zuerst 1535 von Peru her in die Provinz Coquimbo ein, andere Landsleute folgten ihm, siedelten sich an, unterwarfen die Nordprovinzen und drangen seit 1550 unter Pedro Valdivia bis an den Biobio vor, wo sie so energischen Widerstand von den kriegerischen Araukanern (s. d.) fanden, daß sie sich damit begnügen mußten, jenen Fluß als die Grenze ihrer Herrschaft zu behaupten. Bis 1797 bildete C. einen Teil des span. Vicekönigreichs Peru, in diesem Jahre wurde es als eigene Generalkapitanie eingerichtet und erfreute sich eines verhältnismäßig hohen Grades von Selbständigkeit. Die Vorgänge in Spanien zu Anfang des 19. Jahrh. erregten in C. ebenso wie in den übrigen span. Kolonien in Südamerika das Streben nach Unabhängigkeit. (S. Südamerika.) 1810 trat in Santiago eine Junta zusammen, die 18. Sept. den Marquis de la Plata, einen Chilenen, zum Präsidenten wählte. Ein Versuch des span. Obersten Figuerra, diesen zu stürzen, 1. April 1811, mißlang, kostete aber das erste Blut und brachte die Revolution zum Ausbruch. Der am 9. Sept. 1811 zum erstenmal zusammengetretene Kongreß hatte noch im Namen des Königs von Spanien gehandelt, aber Sept. 1812 vertrieben die drei Brüder José Miguel, Juan José und Luis Carrera den Kongreß und verkündeten in der Absicht, ein neues Reich für sich zu begründen, C.s Unabhängigkeit. Abascal, Vicekönig von Peru, sendete im Juni 1813 den General Pareja von Lima nach Südchile, der jedoch nichts auszurichten vermochte. Eine neue Revolution beseitigte die Junta und legte die Diktatur in die Hände des Obersten Lastra, der durch den Vertrag vom 5. Mai 1814 die konstitutionelle Regierung Spaniens anerkannte und C. ihr unterordnete, aber Widerstand durch die Carrera erfuhr. Der Bürgerkrieg brach aus und bahnte den von Peru unter General Osorio angekommenen span. Truppen den Weg. Der chilen. Anführer O’Higgins wurde bei Rancagua 2. Okt. 1814 geschlagen, entkam aber mit vielen Truppen über die Anden nach Mendoza, während in C. die span. Herrschaft von neuem begründet wurde. In den La-Plata-Staaten, die schon ihre Selbständigkeit erkämpft hatten, erkannte man die von C. aus drohende Gefahr und unterstützte die ausgewanderten Chilenen, die unter General San-Martin sich zu einem Heere organisierten. Es gelang diesem, Febr. 1817, mit 4000 Mann durch einen kühnen Marsch innerhalb 8 Tagen einen Weg von 370 bis 450 km über die ganz unbewohnten, 4000 m hohen Cordilleren zurückzulegen. Die am Fuße des Gebirges unter Maroto zusammengezogenen Spanier erlitten 12. Febr. unfern Chacabuco eine Niederlage und überließen die Hauptstadt den Siegern. Im April wurde General O’Higgins zum Oberdirektor des Staates gewählt, und dieser erließ 1. Jan. 1818 die förmliche Unabhängigkeitserklärung der Republik. Osorio schlug zwar 19. März 1818 die Patrioten, verlor aber die Schlacht am Maipu 5. April. Diese befreite das eigentliche C. für immer von den Spaniern. Lord Cochrane nahm als Admiral der Republik im Jan. 1820 Valdivia, General Freyre 1826 die Insel

^[Artikel, die man unter C vermißt, sind unter K aufzusuchen.]