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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: China (Religion)

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China (Religion)

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'China (Kulturzustand)'

gemacht worden und auch das jetzige Herrscherhaus hat sie beibehalten (mit je drei Abstufungen). Hierzu kommen noch vier andere Adelsnamen. Der Adel wird teilweise erblich verliehen, ist aber an keinen Grundbesitz geknüpft. Der einzige Kung, von welchem wir sichere Nachrichten haben, ist heutzutage der in Schan-tung ansässige Nachkomme des Kung-tze (Confucius). Schon unter Han-phing-ti im J. 1 n.Chr. war Kung-tze nachträglich zum Kung ernannt und diese Würde ist dann für die ältesten Söhne des Hauses erblich geworden. Nach Edkins beträgt der Grundbesitz mindestens 70–80000 Morgen. Doch sollen der Nachkommen des Kung-tze zwischen 20 und 30000 sein, von denen viele arme Leute sind. Bis auf gewisse äußerliche Ehrenbezeigungen und etwa die oben bezeichneten Vorrechte, welche für das kaiserl. Haus und die Beamten gelten, sind keine weitern mit dem Adel verbunden.

Alle Verhältnisse des socialen und staatlichen Lebens bewegen sich noch gegenwärtig in den starren, unveränderlichen Formen, welche vielleicht Jahrtausende v.Chr. festgesetzt wurden. Diesem Formzwange ist jeder Chinese von seiner Geburt bis zu seinem Tode unterworfen. Für die Aufrechthaltung und pünktliche Inachtnahme des von den ältesten Vorfahren überkommenen Ceremoniells bei allen Ereignissen des privaten und öffentlichen Lebens sorgt das Ministerium des Ritus in Peking. Die Feststellung der Ehe als Staatsinstitut soll schon von Fu-hi, dem ersten Herrscher der halb-mythischen Periode, herrühren und ihm werden mehrere noch jetzt bestehende Gesetzesbestimmungen, wie die, daß kein Mann eine Frau gleichen Familiennamens heiraten darf, zugeschrieben. (Nach den ursprünglichen «100 Sippennamen» Po-sing wird das Volk Po-sing genannt. Auf den Sippennamen sing folgt, wie in Ungarn und Japan, der besondere Name Ming, oder der Rufname Hao.) Die Ehe trägt einen ernsten, strengen Charakter; die Frau ist ihrem Manne zu Unterwürfigkeit, Treue und Gehorsam verpflichtet, aber keineswegs als rechtlose Sklavin desselben, sondern in gesicherter und gesetzlich festgestellter Stellung. Die Kinder beweisen ihren Müttern dieselbe Liebe, Verehrung und denselben Gehorsam wie ihren Vätern. Bleibt die Frau während einer Reihe von Jahren unfruchtbar, so darf der Mann eine oder mehrere Nebenfrauen nehmen, die aber der eigentlichen Frau untergeordnet sind. Die Zahl der Nebenfrauen des Kaisers war häufig eine sehr große. Die Nebenfrau ersten Ranges (Kwei-fe) wird durch die Geburt eines Thronfolgers zur zweiten Kaiserin (Hwang-ho), weitere Rangstufen sind die der Fe und Pin. Zu ihrer Bedienung und Bewachung werden in der Haushaltung des Kaisers, aber ausschließlich nur dort, Eunuchen verwandt, welche zuerst in der Zeit der Tschou in Gebrauch kamen, seitdem fortwährend, nur ab und zu zeitweilig unterdrückt, eine sehr wichtige und einflußreiche Rolle gespielt haben und selbst bei Staatsumwälzungen thätig gewesen sind. Der zuerst 934 n.Chr. aufgekommene Gebrauch, die Füße der Kinder weiblichen Geschlechts durch feste Einwicklungen am Wachstum zu verhindern, fällt bei denjenigen, die gezwungen sind, ihrem Erwerb nachzugehen, fort. Die Mandschu, Mongolen und Tataren haben diesen Gebrauch niemals angenommen, dagegen den Gebrauch der Zöpfe eingeführt. Das Töten und Aussetzen von Kindern weiblichen Geschlechts soll besonders in den großen Seestädten des Südens ↔ öfter vorkommen, wenn die Eltern zu arm sind, um eine größere Anzahl Kinder zu ernähren.

Religion. Die älteste und ursprüngliche Religion bestand in einem Naturkultus, in welchem der Himmel, chines. Thien, als Sitz der Gottheit, mit letzterer identifiziert wurde und die Himmelskörper, die Elemente sowie alle heil- oder verderbenstiftenden Naturkräfte Gegenstände der Anbetung bildeten. Dieser Naturkultus, zu dem, außer den Chinesen, sich auch alle übrigen Völker des mittlern und östl. Asien bekannten, bis sie zum Buddhismus oder zum Islam übertraten, wurde nach der Überlieferung zuerst von dem halbmythischen Fu-hi zur Reichsreligion erhoben und in bestimmte Formen gebracht, welche sich großenteils bis in die Gegenwart erhalten haben. Der Glaube an die Unsterblichkeit der Seele und an ein Leben nach dem Tode fand in dieser ältesten Religion der Chinesen wenig Raum, wogegen aber schon frühzeitig die göttliche Verehrung und Anbetung der Seelen der Vorfahren und anderer um den Staat und das Gemeinwohl verdienstlicher Personen hinzutraten. Mit dem ausschließlichen Rechte, seine Ahnen zu verehren, verband sich bei den Kaisern dasjenige, den von ihnen anerkannten frühern Herrschern überhaupt an ihren Gräbern Opfer darzubringen, als Zeichen ihrer göttlichen Sendung; hierbei aber wurde ein himmlischer Urahn Schang-ti als «oberster Herrscher» angenommen, dessen Verehrung sich mit der des Himmels vermischte. Der oftmalige Wechsel der Herrscherhäuser läßt jedoch nicht zu, den Namen der Kaiser «Thien-tze» (Sohn des Himmels) so wörtlich zu nehmen, wie es bei den Ten-o (Thien-wang, «Himmelskönigen») Japans der Fall ist. Himmel und Erde wurden nicht bildlich dargestellt, wohl aber die Götter der Berge, der Donnergott u.s.w. Die Stadtgötter stellen um das Gemeinwohl verdiente Menschen vor, die von den Kaisern dazu ernannt werden, wie es den letztern auch zusteht, widerwillige Gottheiten, wie z.B. von Flüssen, zu strafen. Uralt ist die Verehrung der Berge, namentlich die der ebengenannten fünf. – Neben diesem alten Glauben entstanden im 6. Jahrh. v.Chr. fast gleichzeitig: die Lehre vom Tao, deren vielfach mißverstandener Stifter unter dem Beinamen Lao-tze (s. d.) von seinen vorgeblichen Anhängern vergöttert worden ist, und die Moralphilosophie des Kung-tze, in europäisierter Form Confucius (s. d.). Der Buddhismus (s. d.), 61 n.Chr. unter der Regierung des Kaisers Ming-ti zuerst eingeführt, verbreitere sich bald, besonders unter den niedern Volksklassen, wurde aber, anstatt auf die Denkweise des Volks einzuwirken, durch das specifisch chines. Element selbst umgestaltet.

Das Christentum gelangte zuerst in der ersten Hälfte des 7. Jahrh. durch die Nestorianer nach C., wie die berühmte Inschrift von Si-ngan-fu in chines. und syr. Sprache bezeugt. Jahrhundertelang war diese Lehre in C. verbreitet worden. Noch die ersten abendländ. Glaubensboten, welche während der Mongolenherrschaft erst das innere Asien, dann C. besuchten, hatten nestorianische Gemeinden angetroffen. 1307 ernannte Papst Clemens V. einen Erzbischof für die christl. Gemeinde in Peking, die aber nur bis 1369 bestand. Die neue Verbreitung des Christentums in C. beginnt erst im 16. Jahrh., nachdem die Portugiesen den Seeweg nach Indien um das Vorgebirge der Guten Hoffnung aufgefunden hatten und 1516 nach C. ge-

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 203.

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