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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Chinarinde

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Chinarinde'

Arzneibuche aufgenommene Cortex Chinae succirubrae. Während die erstern flache oder wenig gebogene, rotbraune, mit dicker Borke, die viel Längsrisse zeigt, besetzte Stücke bilden, sind die kultivierten roten Rinden, Röhren und Halbröhren mit graubräunlicher bis graulich weißer Korkschicht und braunroter Bastschicht. Graue und braune C. sind die Rinden jüngerer Aste und Zweige südamerik. und anderer Herkunft. Stammpflanzen derselben sind Cinchona officinalis L. (Kronenchina von Loxa), Cinchona nitida und micrantha R. u. Pav. (Huanuco- und Guayaquil-Rinden); es sind federkiel- bis fingerdicke Röhren von graubrauner, längs- und querrissiger Außenfläche, oft noch mit weißlichem Kork bedeckt, und hellzimmetfarbener Innenfläche. Zu den gelben C. – Ast- und Stammrinden, denen die obere Borkenschicht fehlt, die also aus Bast bestehen – zählen die Cinchona calisaya Wedd. (s. Tafel: Rubiinen, Fig. 2, Königschinarinde von Südperu und Bolivien), ferner die columb. Rinden der östl. Abhänge der mittlern Cordilleren, von Cinchona lancifolia Mutis (Carthagenarinde) und Cinchona cordifolia Mutis (Maracaiborinde) abstammend. Das Deutsche Arzneibuch von 1890 hat die Einzelbenennungen der offizinellen C. abgeschafft und nur die Rinde von Cinchona succirubra aufgeführt, deren Gehalt an Alkaloid mindestens 5 Proz. betragen muß. Die in den J. 1880–83 an den Markt gelangte sog. Cuprearinde ist eine chininhaltige Rinde der den Cinchonaceen nahe verwandten Gattung Remijia, an den Ostabhängen der Cordilleren im columb. Staat Santander seiner Zeit entdeckt. Sie gilt bis jetzt als einziges Beispiel des Vorkommens von Chinin in andern Pflanzengattungen.

Wirksame Bestandteile der C. sind eine Anzahl Chinaalkaloide oder Chinabasen (s. d.), unter denen das Chinin (zu 1–10 Proz. darin enthalten) das wichtigste ist. Außerdem kommen darin vor die Chinasäure (s. d.) zu 5–9 Proz., die Chinagerbsäure (s. d.), der Chinovabitter (s.d.) und das Chinarot (s. d.).

Die C. als Arznei betrachtet, sind das kräftigste von allen gewürzhaft-bittern und zusammenziehenden, sog. tonischen Mitteln. Die zusammenziehende und fäulniswidrige Wirkung beruht auf ihrem Gehalt an Chinagerbsäure, während die specifisch fiebervertreibende Kraft, welche sie gegen Wechselfieber und Malaria zeigt, sowie zum Teil ihre stärkende Eigenschaft, derentwegen sie bei durch Krankheit, namentlich infolge von Blut- und Säfteverlust (z. B. Typhus, Blutarmut und Bleichsucht) entkräfteten Personen mit oft so großem Erfolge angewandt wird, den Chinabasen zukommt. Eine üble Nebeneigenschaft dieses kräftigen Heilmittels ist, daß es bei fortgesetztem Gebrauch die Verdauung stört und Übelkeit und Magendrücken veranlaßt. Jedoch bewirken dies weniger die Alkaloide als die Substanz der Rinde. Deshalb war die Entdeckung des Chinins (s. d.) von außerordentlicher Wichtigkeit. Äußerlich wurde früher die C. bei bösartigen Geschwüren, bei brandigen Wunden u.s.w. vielfach angewendet. Auch bereitet man aus ihr verschiedene Essenzen, Extrakte, Tinkturen u.s.w.

Zu den Surrogaten der C., die sich indessen in den meisten Fällen nicht bewährt haben, gehören in erster Reihe: die unechten C., welche der Mehrzahl nach von verschiedenen tropischen Bäumen aus der Familie der Rubiaceen abstammen, z.B. die ↔ Para-China von einer in Brasilien wachsenden Ladenbergia, die China alba granatensis von Ladenbergia macrocarpa Klotzsch, die China nova von Ladenbergia oblongifolia Karst., die China rubra brasiliensis von Ladenbergia Riedeliania Kl., die China caribica oder jamaicensis von Exostemma caribaeum W., die China Sanctae Luciae von Exostemma floribundum W. auf den Antillen u.a.m. Alle diese unechten C. ermangeln der in den echten vorkommenden Basen, haben meist einen stärkern, widerlich bittern und kaum gewürzhaften Geschmack und vermögen die echte C. ebensowenig zu ersetzen als mehrere andere, besonders während der Kontinentalsperre empfohlene Surrogate, wie z.B. die Weiden-, Kastanien-, die Eichenrinde und deren charakteristische Bestandteile (Salicin, Quercin u.s.w.). Gleiches gilt von den als Surrogat für das Chinin vorgeschlagenen Alkaloiden, nämlich dem Ilicin, Phloridzin, Aricin, Buchsin u.a.m. Auch den synthetisch hergestellten Arzneimitteln, dem Antipyrin (s. d.), Antifebrin (s. d.) u.a., kommt wohl die temperaturherabsetzende, aber nicht die specifische Wirkung bei Wechselfieber und Malaria zu; sie sind außerdem frei von tonischer Wirkung.

Während früher naturgemäß Südamerika das einzige Exportland für C. war, haben sich die Verhältnisse jetzt vollständig geändert. Noch 1879–80 kamen nach London und Amsterdam, den Haupt-Handelsplätzen für C.:

vonColumbia6 000 000Pfd.
"Peru und Bolivia1 000 000"
"Indien und Ceylon1 172 000"
"Java70 088"
"Jamaika21 140"

Dagegen führte 1885 Ceylon allein 15300000 Pfd. aus. In den letzten Jahren ist allerdings die Produktion Ceylons sehr zurückgegangen, dagegen hat diejenige Javas mit jedem Jahre zugenommen und betrug 1891/92: 8874857 Pfd. Von Bolivia, Centralamerika, Columbia und Ecuador wurden 1889 nur noch 2182300 Pfd. zugeführt.

Der Gesamtbestand der Chinabäume auf Java betrug 1890: 40 Mill., die ein Quantum von 40 Mill. kg Rinde oder 1200000 kg Chinin repräsentieren.

Von den Medizinalrinden abgesehen, wurden 1889 in den hauptsächlichsten Rindendistrikten produziert:

aufCeylon105 000kg
"Java96 733"
inBritisch-Indien26 000"
"andern Ländern18 000"

schwefelsaures Chinin, in den Rinden berechnet, während der Chininkonsum in demselben Jahre nur auf 205000 kg geschätzt wird.

Die Anwendung der C. als Heil-, besonders fiebervertreibendes Mittel ist in Südamerika jedenfalls uralt, denn Quina oder «China» bedeutete in der Sprache der Inkas eine fiebervertreibende, Quina-Quina eine besonders heilkräftige Rinde. 1636 wurde die Gräfin Chinchon, Gemahlin des damaligen Vicekönigs von Peru, durch den Gebrauch des Rindenpulvers geheilt. Durch ihre Vermittelung und unter Beihilfe der Jesuiten kam das Pulver als «Gräfinpulver», «Jesuitenpulver» nach Spanien, während es in England 1671 durch einen Arzt Talbot eingeführt wurde. In Italien führte es der Kardinal Juan de Lugo ein, und nach ihm nannte man das Pulver auch «Kardinalpulver».

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 218.

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