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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Chloracetyl – Chloralimid

wendung zum Bleichen vegetabilischer Stoffe verdankt, ist teils auf Oxydations-, teils auf Substitutionsvorgänge zurückzuführen. C. ist endlich allem pflanzlichen wie tierischen Leben feindlich; es vernichtet Ansteckungsstoffe, soweit sie organischen Ursprungs sind, und wird daher als eins der wirksamsten Desinfektionsmittel gebraucht. (S. Chlorräucherung.)

In den Verbindungen wirkt C. meist als einwertiges Element, nur in seinen Sauerstoffverbindungen (Chlorige Säure, Chlorsäure, Chlortetroxyd, Unterchlorige Säure, Überchlorsäure) funktioniert es drei-, fünf- und siebenwertig. Die Verbindungen des C. mit den Metallen s. Chlormetalle.

Chloracetȳl, soviel wie Acetylchlorür (s. d.).

Chlorāl und Chloralhydrāt. Beim Studium der bei der Einwirkung von Chlor auf Alkohol sich vollziehenden Prozesse entdeckte Liebig 1832 einen öligen Körper und dessen krystallisierbare Verbindung mit Wasser; erstern nannte er Chloral, letztere Chloralhydrat. Beide wurden von Dumas weiter studiert und ihre Zusammensetzung ermittelt. Die des Chlorals ist C₂HCl₃O oder CCl₃·CHO (Trichloraldehyd), die des Chloralhydrats C₂HCl₃O oder CCl₃·CH(OH)₂. Diese Verbindungen hatten lange Zeit ausschließlich wissenschaftliches Interesse, bis 1869 Liebreich die Entdeckung machte, daß wir in ihnen ein Arzneimittel von großer Wichtigkeit besitzen (s. unten). Seitdem ist dieser früher kaum gekannte Körper zu einem Gegenstande der Industrie geworden und wird gegenwärtig täglich in großen Quantitäten dargestellt. Bei der Fabrikation wird reines, d. h. gewaschenes und mittels Schwefelsäure getrocknetes Chlorgas in rektifizierten Alkohol von 96 bis 97° Tr. so lange eingeleitet, bis dasselbe unabsorbiert durch die Flüssigkeit geht. Unter massenhafter Entwicklung von Chlorwasserstoffsäure und unter Bildung anderer Nebenprodukte ist schließlich der Alkohol in Chloral-Alkoholat verwandelt, wozu beim Arbeiten mit größern Mengen von Alkohol ein während 10‒12 Tagen ununterbrochenes Einleiten von Chlor erforderlich ist. Das Chloral-Alkoholat wird nun in einen Destillierapparat mit Rückflußkühler gebracht, mit konzentrierter Schwefelsäure versetzt und zunächst anhaltend erwärmt, wobei noch viel Chlorwasserstoffsäure, die in der Flüssigkeit gelöst war, entweicht, während das durch die Schwefelsäure abgeschiedene Chloral in den Apparat zurückfließt. Ist alle Salzsäure entfernt, so wird der Dampf in einen gewöhnlichen Kühler geleitet und bei der Destillation des Chlorals die Wärme so reguliert, daß die Temperatur der Flüssigkeit 100° C. nie übersteigt, hierbei geht die Gesamtmenge des Chlorals über, während andere Produkte der Chlorierung als Destillationsrückstand verbleiben. Das so gewonnene Chloral wird, um geringe Mengen von noch vorhandener Säure zu entfernen, mit gepulverter Kreide geschüttelt und rektifiziert. Das Chloral ist eine ölige farblose Flüssigkeit, von eigentümlich scharfem, durchdringendem Geruch, kratzendem Geschmack, siedet bei 94° C., spec. Gewicht 1,502, mischbar und löslich in Wasser, Alkohol, Petroleumäther, Terpentinöl, Schwefelkohlenstoff, fetten Ölen. Es verhält sich in seinen Reaktionen wie ein Aldehyd (s. d.); beim Aufbewahren wandelt es sich in eine feste polymere Verbindung um; durch Oxydation entsteht Trichloressigsäure, beim Erwärmen mit wässerigen Lösungen von Alkalien zerfällt es in Chloroform und in ameisensaures Salz. Mischt man 1 Molekül oder 100 Teile Chloral mit 1 Molekül oder 12,2 Teilen Wasser durch kräftiges Schütteln, so tritt anfangs deutliche Wärmeentwicklung ein, beim Erkalten erstarrt das Ganze zu festem Chloralhydrat. Gießt man die Mischung vor dem Erstarren in flache Schalen, so bildet das Chloralhydrat nach dem Erkalten Platten, die zerschlagen in den Handel gebracht werden. Die Erstarrung des Chloralhydrats ist immer mit Krystallisation verbunden, welche beginnt, sobald die Temperatur der Flüssigkeit etwa 35° C. beträgt. Beachtet man diesen Zeitpunkt und gießt man den flüssig gebliebenen Anteil ab, sobald sich eine hinreichend starke Krystallschicht gebildet hat, so gelingt es, schön ausgebildete Krystalle zu erhalten. Das Chloralhydrat schmilzt zwischen 56 und 58° C., bei höherer Temperatur spaltet es sich in Chloral und Wasser, welche zusammen bei 94° übergehen. In der Technik benutzt man Chloralhydrat zur Darstellung eines sehr reinen Chloroforms. 1 kg Chloralhydrat kostet im Großhandel 4‒6 M.

In der Medizin wird das Chloralhydrat seiner beruhigenden und schlafbringenden Wirkung wegen gegen habituelle Schlaflosigkeit, bei nervösen Aufregungszuständen, Geisteskrankheiten, bei Säuferdelirien, Eklampsie und Tetanus vielfach mit bestem Erfolge benutzt; gewöhnlich genügen 1‒2 g, um einen tiefen, anscheinend normalen, von keinerlei Beschwerden gefolgten Schlaf zu erzeugen. Auf die Haut wirkt das Chloralhydrat ätzend und kann Blasenbildung zur Folge haben; äußerlich wird es bei der Diphtheritis, bei Geschwüren, Stinknase, Haarkrankheiten u. s. w. angewendet. Fortgesetzter und unmäßiger Chloralgenuß kann zu chronischer Chloralvergiftung (Chloralismus) führen, welche sich durch Verdauungsstörungen, Hauterkrankungen, Gelenkschmerzen, Atemnot und zunehmende Körper- und Geistesschwäche kundgiebt, weshalb vor der mißbräuchlichen Anwendung des Chloralhydrats zu Schlummertränken, welche namentlich in England und Nordamerika beliebt ist, nicht eindringlich genug gewarnt werden kann. Neuerdings hat man auch Chloralamid (s. d.) und Chloralimid (s. d.) zu demselben Zweck angewendet. – Vgl. Liebreich, Das Chloralhydrat, ein neues Hypnotikum und dessen Anwendung in der Medizin (3. Aufl., Berl. 1871).

Chlorālamīd (Chloralformamid) entsteht durch Addition bei der Einwirkung von Chloral auf Formamid und hat folgende Zusammensetzung: ^[img]. Es bildet farblose, schwach bitter schmeckende Krystalle, die sich in Wasser, leichter in Alkohol lösen, bei 115° C. schmelzen und beim Destillieren in Chloralhydrat und Formamid zerfallen. Auch durch Alkalien erfolgt diese Spaltung, weshalb sich das C. im Blute sehr bald in Chloralhydrat und ameisensaures Ammoniak zersetzt. In Einzelgaben von 2 bis 3 g bewirkt das C. einen tiefen erquickenden Schlaf; vor dem Chloralhydrat hat es den Vorzug voraus, daß es die Herzthätigkeit und den Blutdruck nicht alteriert und die Verdauung nicht schädigt. 1 kg C. kostet im Großhandel 25 M. (Vgl. Chloralimid.)

Chlorālformamīd, s. Chloralamid.

Chlorālhydrāt, s. Chloral und Chloralhydrat.

Chlorālimīd, ein neu eingeführtes hypnotisch wirkendes Arzneimittel, welches das Chloralamid (s. d.) in seiner Wirksamkeit noch übertreffen soll. Das C. besitzt die Formel: CCl₃-CH=NH und

^[Artikel, die man unter C vermißt, sind unter K aufzusuchen.]