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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Coligny (Odet de)
Reise 1546 vervollständigte seine Bildung. Unter
Heinrich II. erhob ihn die Gunst Montmorencys rasch
in hohe Stellen, aber sie brachte ihn zugleich in den
höfischen Gegensatz zur Guiseschen Familie hinein.
Er half, seit 1547 Generaloberst des franz. Fuh-
volks, 1550 Boulogne, 1552 Metz für Frankreich
gewinnen; als vertretender und wirklicher Statt-
halter der Picardie kämpfte er seitdem gegen Karl V.
und half 1554 den Sieg bei Renty erringen. Seit
1552 bekleidete er das Amt eines Admirals von
Frankreich, das mehr militär. und polit. Befug-
nisse als Beziehungen zum Seewesen in sich schloß.
Generaloberst wurde an seiner Statt sein ihm eng
verbundener Bruder Francois, der auch als erster
eine entschieden prot. Richtung in das Haus über-
trug; C.s Wirksamkeit lebte in seinen vielgerühmten
"Ordonnanzen", von sittlicher Strenge erfüllten
Vorschriften soldatischer Zucht, fort. Anfang 1556
schloß C. mit den Kaiserlichen den Waffenstillstand
von Vaucelles ab; doch die Guisen vermochten den
König zur Neuaufnahme des Krieges, den nun (5.
selbst auf Befehl des Königs wieder eröffnen mußte.
Er verteidigte Aug. 1557 das schlecht gerüstete
St. Quentin, vor dessen Mauern sein Obeim ge-
schlagen und gefangen wurde, heldenmütig gegen
Philipp II., wurde aber schließlich gefangen und
lebte 1^/2 Jahre in span. Haft. Diese ernste und
stille Zeit führte seine zur Mystik neigende und
pflichtstrenge Seele dem Calvinismus näher, Zu dem
er sich, 1559 losgekauft, auch offen bekannte. Unter
^ranz' II. kurzer, ganz von den Guisen gefübrter
legierung trat C., obwohl von gewaltsamem Wider-
stände noch entfernt, offen als Wortführer der Huge-
notten hervor; durch des Königs plötzliches Ende aus
eigener Lebensgefahr gerettet, suchte er nun (1561)
die Leitung der franz. Angelegenheiten in seine Hand
zu bringen. Er blieb königstreu, strebte danach, den
König für den neuen Glauben zu gewinnen, letztern
so zum legitimen zu erheben und Frankreich an die
Spitze der prot. Weltbewegung gegen Spanien-
Habsburg zu stellen. Auch auf kolonialem Gebiete,
wo er für Frankreich Eroberungen, vielleicht gleich-
zeitig als Zufluchtsstätten der Reformierten, zu ge-
winnen strebte, drängte den Admiral sein Amt selbst
in Gegensatz zu Spanien. 1561 bemübte sich C., die
Regentin Katharina von Medici, die ibm weit ent-
gegenkam, herüberzuziehen; er erwirkte Duldung für
seine Glaubensgenossen und strebte zum Bruch mit
Philipp II. Spanisch - Guisefcher Widerstand ver-
drängte ihn Febr. 1562 vom Hofe; es heißt, daß seine
Gattin Charlotte de Laval (verheiratet 1547, gest.
1568) ihn zum Losschlagen vorwärts trieb, aber
erst, als die Katholiken den Bürgerkrieg (März 1562)
selber eröffnet hatten. In diefem war C. neben und
über Ludwig von Conde' die Seele der hugenotti-
schen Partei; er blieb nach Conoe'Z Gefangennahme
bei Dreur (Dezember) der alleinige Führer und orga-
nisierte die geschlagenen Protestanten vou neuem.
Die Ermordung Franz von Guises vor Orleans
Febr. 1563 endete den Krieg. An dem Morde trifft
ilm keine unmittelbare Verantwortung. Wider C.s
Wunsch schloß Conde' (März) den Frieden von Am-
boise; C. wurde von den Guisen mit Prozessen heim-
gesucht, mußte in vier Friedensjahren seine Partei
gegen kath. Feindseligkeit und gegen die verdäch-
tige Politik der Königin (s. Vayonner Zusammen-
kunft) decken, wurde 1567 durch die Sorge vor An-
schlägen Katharinas und der Spamer, durch die
Leidenschaft seiner Anhänger, zu neuem Bürger-
kriege gedrängt, der, mit deutscher Hilfe geführt,
durch einen trügerischen Frieden 1568 abgeschlossen,
noch 1568, nach einem vergeblichen Versuche Ka-
tharinas , C. und Conds zu überrumpeln (Attentat
von Noyers), von neuem losbrach. Wieder mit
deutschem, engl. und geusischem Beistände leitete C.
diesen Krieg, mit La Rochelle als Stützpunkt, bis
1570; März 1569 siel Condö bei Iarnac; im Namen
Heinrichs von Navarra und Heinrichs von Sonds
blieb C. wiederum alleiniger Führer. Bei Mon-
contour (Okt. 1569) nochmals geschlagen, hielt er
durch die sittliche Kraft seiner selbstlosen Energie
sein Heer aufrecht; ein kühner Neiterzug durch Süd-
und Südostfrankreich zeigte seine Unbesiegbarkeit',
im Aug. 1570 gewährte die Negierung Katharinas
zu St. Germain einen sichernden Frieden.
Noch hielt sich C. in La Röchelte; er heiratete da-
mals (1571) zum zweitenmale. Eine Abkehr Katha-
rinas von der span. Gefolgschaft öffnete den Prote-
stanten weite Aussichten. Nach Vorverhandlungen
schloß sich C., Sept. 1571, zu Vlois dem Hofe Katha-
rinas an. Sein Einfluß stieg bald, die Verbindung
mit den Protestanten in ganz Europa, die Wendung
gegen Philipp II. wurde offenkundig; C. nahm die
Stellung eines leitenden Ministers ein. In den
Niederlanden brach 1572 der Aufstand gegen Alba
neu hervor, Hugenotten nahmen an ihm teil, C.
suchte den König für die Sache zu begeistern; er riß
Karls IX. Natur aus ihrer Gedrücktheit auf. Katha-
rina wollte den Krieg nicht und fürchtete für ihre bis-
her u nbedingte Herrschaft über den Sohn. Da brachte
eine Niederlage der Hugenotten und Geusen Alba
gegenüber die Frage so weit, daß man sich entschei-
den mußte; einige Tage lang schien C. Sieger, dann
entschied doch Katharina und die Stimme vorsich-
tiger oder parteiischer Diplomaten gegen den kühnen
Plan. Da, während der Feierlichkeiten zu Heinrichs
von Navarra Hochzeit, 22. Aug., ließ Katharina auf
C., als den Träger all dieser Bedrohnisse, schießen;
da er nur verwundet wurde und der Groll seiner
Parteigenossen doppelt stark vorbrechen mußte, be-
schloß sie den Mord ihrer aller, die sie in Paris
beisammen batte: C. wurde in der Frühe des 24. Aug.
das erste Opfer der Bartholomäusnacht (f.d.). Seine
Partei hat nach ihm und ohne ihn an die Protestan-
tisierung ganz Frankreichs nicht wieder denken kön-
nen. Seine span. Pläne hat Heinrich IV. wieder auf-
genommen. - Vgl. C.s Di8C0UI-8 8UI- 16 816A6 66
8aiiii>Hu6iitin (hg. von Buchon, 1836). Briefe bei
Delaborde, O3.8P. äs 0. (3 Bde., Par. 1879-82);
Tessier, I.'Hmii'g.i 0. (1872); Bersier, C. vor den Re-
ligionskriegen (deutsch, Bas. 1885); Marcks, G. von
C. und seine Zeit, Bd. 1 (Stuttg. 1892). Den Brief-
wechsel seiner Tochter Louise, Prinzessin von Ora-
nien, gab Marchegay 1887 heraus.
Coligny (spr. kollinjih), Ödet de, genannt der
Kardinal von Chatillon, Bruder des vorigen, geb.
10. Juli 1517, widmete sich der geistlichen Laufbahn,
wurde schon 1533 Kardinal, Bischof von Beauvais,
trat, nachdem er die neuern Richtungen der Litte-
ratur längst begünstigt hatte, später zur reform.
Lehre über und wurde vom Papst Pius IV. exkom-
muniziert. Er heiratete nun und nahm an den Kriegen
der Hugenotten, insbesondere als geschätzter Diplo-
mat, eifrig teil, führte aber dennoch seine geistlichen
Titel fort. Nach dem Neuausbruche von 1568 zur
Flucht nach England genötigt, diente er dort der
prot. Sache; er war infolge der Amnestie von 1570
im Begriff zurückzukehren, als er 21. März 1571,
Artikel, die man unter E vermißt, sind unter K aufzusuchen.
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