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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Corpuscula - Corpus juris
vorpusoüla. (lat., d. i. Körperchen), früher
Benennung der weiblichen Geschlechtsorgane der
Gymnospermen; da diese jedoch mit Recht als den
Archegonien bei den Gefäßkryptogamen und Moosen
entsprechend betrachtet werden, so nennt man sie
neuerdings auch Archegonien (s. d. und Gymno-
spermen).
vorpn" üoliotl (lat., wörtlich: Körper des Ver-
brechens), im Strafrecht der Thatbestand (s.d.) eines
Verbrechens, d.i. der Inbegriff der zu diesem erforder-
lichen Handlungen und Wirkungen. Ursprünglich be-
zeichnete der inquisitorische Prozeß bei den sog.ä6iiow
laoti p6rmHQ62ti8 damit die Werkzeuge, durch welche
ein Verbrechen verübt worden ist, die Spuren des-
selben, was man dann zum Inbegriff aller äußerlich
wahrnehmbaren Merkmale eines Deliktes erweiterte.
vorpus 6ootrina.s (lat.), verschiedene im
16. Jahrh, in den evang. Landeskirchen eingeführte
bolische Bücher), wie das 0. Nisnicum oder ?ki-
lippicum von 1559 für Kursachsen, im Melanchthon-
schen Geiste zusammengestellt und in vielen Landes-
kirchen eingeführt, späterhin durch die Konkordien-
formel(s.d.) verdrängt; das pommersche (niedersäch-
sische) 0. von 1561, das Nürnberger von 1573; in
streng luth. Geiste das Hamburger von 1560, das der
Stadt Braunschweig von 1563, das pommersche von
1564, das preußische von 1567, das braunschweig-
wolfenbüttelsche von 1569, das herzoglich sächsische
(0. ^kurinFieuin) von 1570, das kurbrandenburaische
von 1572 und die beiden für Vraunschweig-Lüne-
burg und Vraunschweig-Wolfenbüttel 1576 veran-
stalteten Sammlungen (0. ^Villwlmiimin und 0.
^ulium). Sie verloren seit Einführung des Kon-
kordienbuchs (s.d.)1580in den meisten luth. Landes-
kirchen ihre Geltung.
vorpns voniini (lat.), Fronleichnam (s. d.).
vorpus Vva.n3b1ionin (lat.). Durch den West-
fälischen Frieden (1647) war bestimmt worden, daß
auf dem Reichstag in Religionssachen gesonderte
Beschlußfassung (itio in part68) stattzufinden habe.
Demgemäß konstituierte sich für Religionssachen ein
besonderes Oorpu8 cHtbolioum (oder cHttiolicoi'uin)
unter Vorsitz von Kurmainz, ein besonderes 0. 6.
(oder svkmFelicoi-uin) unter Vorsitz erst von Kur-
sachsen, später, nach dem übertritt von Kursachsen
zur kath. Kirche, von Kurbrandenburg. - Vgl.
Frantz, Das kath. Direktorium des Ooi-puL Nvan-
ßsliooruw (Marb. 1880).
vorpus lnsoriptionnin, s. Epigraphik.
<?orpus Hnrts (lat.) nennt man gewisse Rechts-
sammlungen. 0. ^'. civil i8 heißen vornehmlich die
im 12. Jahrh, unter diesem Namen zusammenge-
faßten Rechtsbücher Iustinians (die Institutionen,
Pandekten, der Codex und die Novellen). Der Kaiser
Iustinianus I. (s. d.) hatte den für seine Zeit groß-
artigen Plan gefaßt, das überlieferte röm. Recht in
einer Gestalt zusammenzufassen, die dessen Hand-
habung erleichterte. So handwerksmäßig dieser
Plan ausgeführt ist, so hat er die weltgeschicht-
liche Bedeutung gehabt, daß die reife Geistesarbeit
der Römer dadurch in eine Form zusammengedrängt
wurde, welche die Überlieferung auf die spätern Ge-
nerationen und Völker in einem Grade sicherte, daß
das röm. Recht als ein geschlossenes Ganze zugleich
Gegenstand eines ausgebreiteten Studiums und der
unmittelbaren Anwendung werden konnte. Iusti-
nian hatte 530 unter dem Vorsitz seines Reichskanz-
lers Tribonian eine Kommission von 16 Juristen
(darunter 4 Professoren) mit dem Auftrag nieder-
gesetzt, aus den Schriften der röm. Juristen ein Gesetz-
buch in 50 Büchern zu verfertigen. Die Arbeit wurde
in drei Jahren mit der die einzelnen Stellen zum
größten Teil aus dem Zusammenhang herausschnei-
denden Papierschere fertig gestellt, sodaß uns wenig-
stens in bis auf kleine Abänderungen (6mdl6MHta
'I'ridouiaiij) wortgetreuen Excerpten ein Teil der
Schriften von 39 röm. Juristen, unter ihnen die
ersten jurist. Denker aller Zeiten: Salvius Iulianus,
Papinianus, Ulpianus, Paulus u.a., mit den
Namen der Urheber und der jurist. Werke, aus denen
sie genommen sind, überliefert werden konnten.
Dieses Sammelwerk sind die berühmten Pandekten
(griech.: Alles ist aufgenommen) oder Digesten
(lat.). Die Bücher sind in Titel eingeteilt, die
einzelnen Stellen werden von den Juristen in der
verkehrten Weise citiert: I.. 93, ß. 3, v. ä6 8o1u-
ti0nidu8 6t 1ik6i-9.ti0Qidu8 (46, 3); statt, wie man
andere Bücher, u. a. die Bibel, citiert: Buch 46,
Titel 3 (mit der Überschrift ä6 8olut. st 1i^.), Stelle 93,
§. 3. Am 16. Dez. 533 wurden diese Digesten "dem
Senat und allen Völkern" als Gesetz verkündet.
Mit ihnen zusammen erlangte Gesetzeskraft ein kur-
zes Lehrbuch, die Institutionen, das Iustinian
zur Einführung in das Studium der Pandekten nach
einem gleichnamigen Werk des röm. Juristen Gajus
hatte ausarbeiten lassen. Nach diesem Muster werden
noch heute unsere Studenten in das Nechtsstudium
eingeführt. Sie hören im ersten Semester Institu-
tionen vor den Pandekten. Den dritten Teil des
0. ^'. bildet der Ooäsx, eine Sammlung kaiserl. Ge-
setze und Entscheidungen in 12 Büchern, der in der
jetzigen Gestalt 534 publiziert wurde. Den vierten
Teil bilden neuere Gesetze Iustinians, die dazu be-
stimmt waren, veraltete Einrichtungen zu beseitigen,
Kontroversen zu entscheiden, notwendig erscheinende
Reformen durchzuführen. Das sind die Novellen.
In den gedruckten Ausgaben des 0. ^'. sind gewöhn-
lich noch angehängt die lidri lsuäorum, d. i. eine
mittelalterliche Sammlung von das Lehnswesen
betreffenden Vorschriften und die Gesetze einiger
römischer und deutscher Kaiser. Die Ausgaben des
6. ^'. civile heißen glossierte, wenn sie die fort-
laufenden Randbemerkungen (Glossen) haben, die
Accursius im ersten Drittel des 13. Jahrh, aus den
Erklärungen der Rechtslehrer zu Bologna zusammen-
gestellt hat. Nur die glossierten Stellen haben in den
Ländern des Gemeinen Rechts Gesetzeskraft, weil die
von den Glossatoren nicht erklärten Stellen in dem
als geltendes Recht in Deutschland und andern
Ländern aufgenommenen 0. ^'. einfach weggelassen
waren. Bis 1525 giebt es nur glossierte, dann
lOOJahre glossierte und unglossierte, seit 1627 (opera
6t 8wäio ^0. ^6liii I^uFä!iu6n8i8) keine glossierten
mehr. Unter den unglossierten ist wichtig die Gotho-
fredische (Genf 1624), oft nachgedruckt, am schönsten
von Simon van Leeuwen (Amsterd. 1663). Unter
den nicht Gothofredischen unglossierten sind hervor-
zuheben: die von Haloander (Meltzer, Nürnb. 1529
-31), von Contius (Lyon 1571), die Göttinger von
Gebauer (und Spangenberg; 1776-97), die von
Gebrüder Kriegel begonnene (von Herrmann und
Osenbrüggen fortgesetzte: Lpz. 1833-43; 17. Aufl.
1887), endlich die erste kritische Ausgabe, die alle
ihre Vorgänger in den Schatten stellt, von Mommsen
und Krüger (2 Bde., Verl. 1868-74; 6. Aufl.,
ebd. 1893 fg.). Eine Verdeutschung lieferten Otto,
Schilling und Sintenis (7 Bde., Lpz. 1830-33).
Artilel. die man unter C vermißt, find unter K aufzusuchen.