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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Delitzsch; Delĭus

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Delitzsch (Franz) - Delius

Kirche St. Petri Pauli, 1404-40 erbaut, ist 1889 gründlich renoviert; außerdem bestehen die Marienkirche, die Hospitalkirche mit alter Kanzel (1380) und eine kleinere kath. Kirche, 1869 erbaut. In dem auf den Trümmern des 1644 durch Torstenson zerstörten, 1690 neuerbauten Schlosse, früher Witwensitz der Sachsen-Merseburgischen Linie, befindet sich jetzt eine Strafanstalt für weibliche Gefangene; das Rathaus ist 1474-97, das königl. Lehrerseminar 1884 erbaut. D. hat ein Realprogymnasium, Schullehrerseminar, höhere Mädchen-, Fortbildungs- und zwei Bürgerschulen; Freimaurerloge, städtisches Krankenhaus, Altersversorgungsanstalt für Bürgerwitwen; eine Zuckerfabrik, je zwei Bierbrauereien und Kirschsaftpressereien, Dampfmühle sowie Fabrikation von Cigarren (13 Fabriken), Spänen (2), Strumpfwaren (2), Schuhwaren und Gewehrpfropfen. - D. ist eine alte wend. Festung, gegründet von dem sorbischen Stamme der Deleczen, und gehörte vom 12. Jahrh. an zu der Mark Landsberg. Mit der Teilung Sachsens (1485) kam es an die Albertinische Linie, die es später dem Hause Sachsen-Merseburg zuteilte. Nach dessen Aussterben 1738 fiel es an Kursachsen und wurde 1815 preußisch. D. ist der Geburtsort des Naturforschers Ehrenberg und des Nationalökonomen Schulze-Delitzsch, dem hier 1891 ein Denkmal errichtet wurde. - Vgl. Lehmann, Chronik der Stadt D. (2 Tle., Delitzsch 1852).

Delitzsch, Franz, luth. Theolog und Hebraist, geb. 23. Febr. 1813 zu Leipzig, studierte daselbst Theologie und orient. Sprachen und habilitierte sich 1842 an der theol. Fakultät, wurde 1846 ord. Professor der Theologie in Rostock, 1855 zu Erlangen, 1867 zu Leipzig, wo er 4. März 1890 starb. D. gehörte der streng luth. Richtung an. Er besaß gründliche Kenntnis der nachbiblischen, rabbinisch-talmudischen Litteratur. Für die Mission unter den Juden gab er seit 1863 die Zeitschrift "Saat auf Hoffnung" heraus und gründete 1880 von neuem das Institutum Judaicum sowie 1886 ein Seminar zur Ausbildung junger Theologen zu Judenmissionaren. Unter D.s Veröffentlichungen sind zu nennen: "Zur Geschichte der jüd. Poesie von Abschluß der heiligen Schriften des alten Bundes bis auf die neueste Zeit" (Lpz. 1836), das sprachvergleichende Werk "Jesurun" (Grimma 1838), "Anekdota zur Geschichte der mittelalterlichen Scholastik unter Juden und Moslemen" (Lpz. 1841), Kommentare zu vielen alttestamentlichen Schriften, namentlich in dem von ihm mit Keil herausgegebenen "Biblischen Kommentar über das Alte Testament", "Das Sakrament des wahren Leibes und Blutes Jesu Christi" (Dresd. 1844; 7. Aufl., Lpz. 1866), "Die biblisch-prophetische Theologie" (Lpz. 1845), "Biblisch-theol. und apologetisch-kritische Studien" (mit Caspari, 2 Bde., Berl. 1845-48), "Vier Bücher von der Kirche" (Dresd. 1847), "Neue Untersuchungen über Entstehung und Anlage der kanonischen Evangelien" (Lpz. 1853), "System der biblischen Psychologie" (ebd. 1855; 2. Aufl. 1861), "Handschriftliche Funde" (2 Hefte, ebd. 1861-62), "Jesus und Hillel" (Erlangen 1867; 3. Aufl. 1879), "Handwerkerleben zur Zeit Jesu" (ebd. 1868; 3. Aufl. 1878), "System der christl. Apologetik" (Lpz. 1869), "Paulus des Apostels Brief an die Römer, aus dem Griechischen ins Hebräische übersetzt und aus Talmud und Midrasch erläutert" (ebd. 1870), "Studien zur Entstehungsgeschichte der Polyglottenbibel des Ximenes" (3 Bde.; ebd. 1871-86), "Ein Tag in Kapernaum" (ebd. 1871; 3. Aufl. 1886), "Durch Krankheit zur Genesung. Eine jerusalemische Geschichte der Herodierzeit" (ebd. 1873), "Rohlings Talmudjude beleuchtet" (7. Aufl., ebd. 1881), "Was A. Rohling beschworen hat und beschwören will" (2. Aufl., ebd. 1883), "Isis, Farbenstudien und Blumenstücke" (ebd. 1888), "Ernste Fragen an die Gebildeten jüd. Nation" (ebd. 1888; 2. Aufl. 1890), "Messianische Weissagungen in geschichtlicher Folge" (ebd. 1890). Nach fast 40jähriger Arbeit erschien 1877 sein Lebenswerk: "Die Bücher des Neuen Bundes aus dem Griechischen ins Hebräische übersetzt" (11. Aufl., ebd. 1889), das unter den Juden weit verbreitet ist. Vgl. Delitzsch und von Hofmann, Theol. Briefe, hg. von Volck (Lpz. 1891). - Sein Sohn Johannes D., geb. 1846, gest. 1876, veröffentlichte "Lehrsystem der röm. Kirche" (Tl. 1, Gotha 1875) und gab die Öhlersche "Symbolik" (Tüb. 1876) heraus. - Dessen Bruder Friedrich D., Assyriolog, geb. 3. Sept. 1850, seit 1877 außerord. Professor in Leipzig, seit 1893 ord. Professor in Breslau, schrieb: "Assyr. Studien" (1. Heft, Lpz. 1874), eine Bearbeitung der "Chaldäischen Genesis" von George Smith (im Verein mit Herm. Delitzsch, ebd. 1876), "Assyr. Lesestücke" (ebd. 1876; 3. Aufl. 1885), "Wo lag das Paradies?" (ebd. 1881), "Die Sprache der Kossäer" (ebd. 1884), "Studien über indogerman.-semit. Wurzelverwandtschaft" (2. Aufl., ebd. 1884), "Prolegomena eines neuen hebr. und aramäischen Wörterbuchs zum Alten Testament" (ebd. 1886), "Assyr. Wörterbuch" (ebd. 1887 fg.), "Assyr. Grammatik" (Berl. 1889), "Beiträge zur Assyriologie und vergleichenden semit. Sprachwissenschaft" (mit P. Haupt, Bd. 1 u. 2, Lpz. 1889-92), "Beiträge zur Entzifferung und Erklärung der kappadokischen Keilinschrifttafeln" (ebd. 1893).

Delĭus, Nikolaus, Shakespeare-Kritiker, geb. 19. Sept. 1813 zu Bremen, trieb zu Bonn und Berlin sprachwissenschaftliche Studien, habilitierte sich 1841 zu Berlin und 1846, nachdem er 1844-45 Mitredacteur der "Weser-Zeitung" gewesen, in Bonn, wo er über Sanskrit sowie roman. und engl. Litteratur las, 1855 außerord. und 1867 ord. Professor wurde. Seit 1880 lebte D., ganz von der Lehrthätigkeit zurückgezogen, nur noch vorübergehend in Bonn, wo er 18. Nov. 1888 starb. D.’ erste wissenschaftliche Arbeit war: "Radices pracriticae" (Bonn 1839). Durch seine Schriften über Shakespeare hat D. die Kritik und Erklärung von dessen Werken in ganz neue Bahnen gelenkt. Der großen kritischen Ausgabe der "Werke" Shakespeares (7 Bde., Elberf. 1854-61; Nachträge 1865; 5. Aufl. in 2 Bdn., mit ausführlicher kritischer Vorrede, 1882) und kleinern Arbeiten in Zeitschriften stehen zur Seite: die Ausgabe des "Macbeth" mit Varianten, Anmerkungen und Übersetzung (Brem. 1841), "Die Tiecksche Shakspere-Kritik" (Bonn 1846), "Der Mythus von William Shakspere" (ebd. 1851), "Über das engl. Theaterwesen zu Shaksperes Zeit" (Brem. 1853), "Pseudo-Shaksperesche Dramen" (5 Hefte oder 2 Bde., Elberf. 1856-74), "Shakspere-Lexikon" (Bonn 1852), "Colliers alte handschriftliche Emendationen zum Shakspere gewürdigt" (ebd. 1853), die erste gegen Colliers Irrtümer gerichtete Polemik in Deutschland, und endlich seine Beiträge zu dem "Jahrbuch der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft", gesammelt in seinen "Abhandlungen zu Shakspere" (I, Elberf. 1878; II, ebd. 1887; Gesamtausg. Berl. 1889). Wertvolle Studien zur Kunde der roman.