Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

100

Deutsch-Französischer Krieg von 1870 und 1871

sionen kommandierten. Die Folge davon war, daß die deutsche Kavallerie während des ganzen Krieges großen Unternehmungsgeist zeigte, während die französische an ihre Armeekorps gefesselt war und selbständige Unternehmungen überhaupt nicht vornahm. Zwar stellten auch die Franzosen drei selbständige Kavalleriedivisionen auf, indessen mehr in dem Sinne einer Reservekavallerie für die Schlacht.

I. Die Kämpfe im Elsaß und in Lothringen. Ende Juli standen sich die Heere schlagfertig gegenüber, nachdem die Feindseligkeiten schon am 19. durch kleine Vorpostengefechte begonnen hatten. Die Franzosen waren über die Stärke des Feindes an der Grenze nur wenig unterrichtet. Sie glaubten schon in den ersten Tagen bedeutende Massen vor sich zu haben und gaben die beabsichtigte Offensive auf. Man gedachte zunächst den Angriff des deutschen Heers in einer starken Stellung zu erwarten und rechnete auf den Sieg wegen der bessern Bewaffnung der Infanterie und der sehr überschätzten Wirkung der Mitrailleusen. Am 28. Juli verließ Napoleon mit seinem 14jährigen Sohne Paris und begab sich nach Metz, um den Oberbefehl zu übernehmen. Er erließ eine Proklamation an die Armee, die einiges Befremden erregte, denn sie verkündigte einen langen und mühevollen Krieg gegen eine der besten Armeen Europas. Doch folgte gleich die Beruhigung: "Aber andere Armeen schon, welche ebenso tüchtig waren, konnten eurer Tapferkeit nicht widerstehen", und die hochtönenden Phrasen: "Das Weltall hat seine Augen auf euch gerichtet, von unserm Erfolge hängt das Schicksal der Freiheit und Civilisation ab" bildeten den Schluß. Einen erhebenden Eindruck machte dagegen die Proklamation des Königs Wilhelm an sein Volk und seine Armee: "Mein Volk weiß mit mir, daß Friedensbruch und Feindschaft wahrhaftig nicht auf unserer Seite sind, aber herausgefordert, sind wir entschlossen, gleich unsern Vätern und in fester Zuversicht den Kampf zu bestehen zur Errettung des Vaterlandes." Diese Ansprache wurde am Tage der Abreise von Berlin 31. Juli erlassen, die an die Armee 2. Aug. von Mainz aus, wo der König zunächst sein Hauptquartier nahm, während Prinz Friedrich Karl das seinige von da nach Kaiserslautern verlegte. Ebenfalls 2. Aug. setzte Kaiser Napoleon die militär. Komödie in Scene, mit einem ganzen Armeekorps (Frossard) von 3 Divisionen die kleine Besatzung von Saarbrücken, kaum 1300 Mann stark, anzugreifen und zu vertreiben, woraus franz. Berichte einen großartigen Sieg über eine bedeutende Truppenzahl machten. Die Preußen, 3 Füsiliercompagnien des 40. Regiments, 2 Geschütze und 3 Schwadronen des 7. Ulanenregiments, zogen sich nach dreistündigem Gefecht über die Saarbrücke nach dem angrenzenden St. Johann zurück und wurden hier nicht weiter belästigt; die Franzosen besetzten Saarbrücken nicht, sondern besuchten es nur aus ihrem Lager, das sie auf den Höhen vor der Stadt nahmen. Der Kaiser kehrte nach Metz zurück.

Anfang August traten die drei deutschen Armeen den Vormarsch an. Der Grundgedanke für die Heeresleitung Moltkes 1866: "Getrennt marschieren und vereint schlagen", trat auch bei dem Kriegsplane von 1870 wieder hervor. Nachdem der Feind es verabsäumt hatte, den rechten Flügel der deutschen Armeen mit überlegenen Kräften zurückzuwerfen und in das Rheinland einzudringen, mußte er in seinem Centrum an der Mosel mit vereinter Heereskraft angegriffen, dort durchbrochen und damit die kürzeste Operationslinie nach Paris gewonnen werden. Dazu war aber nach dem Aufmarsche der drei Armeen eine strategische Rechtsschwenkung gegen die Mosellinie nötig, und die Dritte Armee, die dabei den weitesten Weg hatte, mußte den Vormarsch zuerst beginnen, um den rechten franz. Flügel gegen die Mitte zu drängen. Am 4. Aug. frühmorgens brach die Armee aus ihren Lagern zwischen Landau und dem Rhein auf und marschierte gegen den Grenzfluß, die Lauter. Als die bayr. Vorhut sich Weißenburg näherte, wurde sie beschossen; sie ging sogleich zum Angriff der Stadt über, und so kam es bei dem ernstlichen Widerstande der Division Douay zu dem blutigen Treffen bei Weißenburg (s. d.), das nach fünfstündigem Kampfe mit der Erstürmung der starken feindlichen Stellung auf dem Geisberge und dem Rückzuge der Franzosen endigte. Indessen unterblieb eine Verfolgung der beinahe vernichteten franz. Division Douay, sodaß man über den Verbleib der geschlagenen Franzosen im deutschen Hauptquartier zuverlässiges nicht wußte. Das Werdersche Korps hatte Lauterburg unbesetzt gefunden. Sämtliche deutsche Truppen der Dritten Armee biwakierten auf den Höhen südlich der Lauter auf franz. Gebiete. Mac-Mahon hätte nach der Niederlage seiner vorgeschobenen Division wissen können, daß ihm eine ganze Armee gegenüberstand; er konnte 5. Aug. unbelästigt links abmarschieren, um sich der franz. Hauptmacht zu nähern, nahm aber bei Wörth Stellung und ließ es auf eine Schlacht ankommen. Am 5. Aug. rückte die Dritte deutsche Armee bis Sulz vor, wobei die Korps aufschlossen und das 5. Korps seine Vorposten weiter vorschob, sodaß diese die französischen bei Wörth bemerkten. Der Kronprinz von Preußen beschloß 6. Aug., seine Korps zur Schlacht zu versammeln und 7. Aug. anzugreifen. Die große Initiative der untern Führer vereitelte indessen diese Absicht. Bei Tagesanbruch des 6. Aug. waren die Armeekorps bereits im Marsch, um die befohlenen Stellungen einzunehmen, die Vorhut des 2. bayr. Korps kam bei Görsdorf, nordwestlich von Wörth, an und drang gegen die linke feindliche Flanke vor. Bald begann das Artilleriefeuer und ein lebhaftes Schützengefecht: mit ihm die Schlacht bei Wörth (s. d.). Um 4 Uhr nachmittags war die Schlacht gewonnen. Der Rückzug der geschlagenen Franzosen artete in Flucht aus, deren Hauptstrom nach dem Vogesenpasse von Zabern (Saverne) flutete, um von da nach Nancy zu gelangen. Die deutsche Kavallerie verfolgte nach Beendigung der Schlacht nur mit wenigen Schwadronen, da die 4. Kavalleriedivision nicht rechtzeitig auf das Schlachtfeld herangezogen worden war. Dennoch fielen diesen wenigen Schwadronen noch zahlreiche Gefangene und mehrere Geschütze in die Hände. Am folgenden Tage versuchten 30 deutsche Schwadronen, die Verfolgung der geschlagenen franz. Heeresabteilung aufzunehmen. Leider schlugen 26 Schwadronen eine falsche Richtung ein, nämlich auf Niederbronn. Erst sehr spät wurde der Irrtum bemerkt und nun über Ingweiler vorgegangen. Die deutsche Reiterei hatte unter diesen Umständen sehr bedeutende Strapazen und konnte erst gegen Abend die Fühlung mit dem Gros der Trümmer Mac-Mahons aufnehmen. Am Abend ging jedoch auf Grund falscher Nachrichten die deutsche Reitermasse wieder zurück und verlor