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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Eheliche Abstammung; Eheliches Güterrecht

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Eheliche Abstammung - Eheliches Güterrecht

nach §. 37 die Eheschließung eines Pflegebefohlenen mit seinem Vormund oder dessen Kindern während der Dauer der Vormundschaft unzulässig. Elterliche Genehmigung ist erforderlich bei Söhnen bis zum vollendeten 25., bei Töchtern 24. Lebensjahre. Im einzelnen bieten die Vorschriften des Reichsgesetzes über E. der Interpretation sehr erhebliche Schwierigkeiten. Das kanonische Recht untersagt selbst die Verbindung zwischen Dritt- und Andergeschwisterkind, sodaß die Seitenverwandtschaft noch im vierten Gliede ein Hindernis bildet, und überträgt das gleiche Verbot auch auf die Seitenlinie der Schwägerschaft, obschon das mosaische Recht den Schwager zur Ehe mit der kinderlos verwitweten Schwägerin verpflichtet, um dem verstorbenen Bruder Nachkommenschaft zu erwecken (Leviratsehe). Die Ermächtigung, Ehe in verbotenen Graden der Verwandtschaft oder Schwägerschaft im Wege der Dispensation zu verstatten, ist nach kanonischem Recht dem Papste vorbehalten. Nach evang. Kirchenrecht wird die gleiche Befugnis von den obersten geistlichen Behörden der Landeskirchen, und zwar so weitgehend geübt, daß die Schwägerschaft in der Seitenlinie meist kein Hindernis mehr abgiebt und daß selbst der Oheim die Erlaubnis zur Heirat mit der Nichte erlangt. Daß bei Ehedispensationen im Anschluß an das mittelalterliche System der Indulgenzen eine gewisse Summe, gewöhnlich zu milden Zwecken, erlegt werden muß, hat für das Gefühl etwas Verletzendes, weil dieser Gebrauch den Armen zurücksetzt, und weil, was für Geld erlaubt ist, bei den Mittellosen nicht unsittlich sein kann. Nach deutschem Reichsrecht ist das E. der Verwandtschaft auf den oben bezeichneten geringen Umfang eingeschränkt. Ferner steht die Dispensationsgewalt nur dem Staate zu. Wenn bei einer ungültigen Ehe der eine Teil das der Ehe entgegenstehende Hindernis nicht gekannt hat (Putativehe, matrimonium putativum), so gilt derselbe wenigstens für die Vergangenheit als rechtmäßiger Gatte, und die aus dieser Verbindung hervorgegangenen Kinder sind ehelich. Mit der auch nach kanonischem Rechte zulässigen Auflösung der Ehe aus den vor der Verheiratung vorhandenen Gründen der sog. vernichtenden E. ist nicht zu verwechseln die Scheidung aus nachfolgenden Gründen, welche die kath. Kirche principiell ausschließt. (S. Ehescheidung.) Wiederverheiratung nach Auflösung der ersten Ehe steht dem überlebenden Gatten frei. Doch unterwirft das röm. und gemeine Recht den zur zweiten Ehe schreitenden Gatten für den Fall, daß Kinder aus der ersten Ehe vorhanden sind, manchen Beschränkungen, um die Rechte und das Vermögen der Vorkinder sicherzustellen. (S. Ehe.)

Eheliche Abstammung, s. Vaterschaft.

Eheliches Güterrecht. Haben die Eheleute durch Ehevertrag (s. d.) bestimmt, durch welche Normen ihre Vermögensverhältnisse geregelt werden sollen, so ist, soweit das Gesetz diese Regelung zuläßt, der Ehevertrag maßgebend. Sonst regelt das Gesetz oder das Gewohnheitsrecht. Die gesetzlichen ehelichen Güterrechte sind in Deutschland sehr verschieden. Sie beruhen entweder auf dem Princip der Gütertrennung oder auf dem größerer oder geringerer Gütereinheit. Das erstere entsprach der röm. Auffassung der Ehe, das letztere entspricht der deutschen Auffassung, welche ihren schönsten Ausdruck in dem Satze des Sachsenspiegels gefunden hat: "Mann und Weib haben kein gezweites Gut bei ihrem Leben." Am weitesten durchgeführt ist das letztere Princip in der im spätern Mittelalter entstandenen allgemeinen Gütergemeinschaft (s. Gütergemeinschaft), für ideale Ehegatten ein ideales, für die Gläubiger des Ehemanns das bequemste, für die begüterte Ehefrau beim Unglück oder Leichtsinn des Ehemanns das gefährlichste Recht, weil sie ohne eigenes Verschulden alles verlieren kann. Beschränkter ist die Gemeinschaftlichkeit des beiderseitigen Vermögens durchgeführt, wenn sich dieselbe nur auf die fahrende Habe beschränkt (Mobiliargemeinschaft) oder wenn sie nur Errungenschaftsgemeinschaft (s. d.) ist. Das System der Mobiliargemeinschaft, wie es namentlich durch den Code civil ausgebildet ist, welcher aber auch die in der Ehe nicht durch Schenkung oder Erbfolge erworbenen Grundstücke in die Gemeinschaft fallen läßt, vermeidet den Nachteil, daß der zugeheiratete oder später ererbte Grundbesitz eines Ehegatten zufolge der Eingehung der Ehe in eine andere Familie übergeht. Sie entspricht aber nicht den heutigen wirtschaftlichen Verhältnissen, bei denen der bewegliche Besitz den unbeweglichen weit an Wert überragt und der Übergang von einem zum andern so leicht gemacht ist, und wird ungerecht, wenn der eine Ehegatte nur bewegliches, der andere überwiegend unbewegliches Vermögen hat. Sehr ansprechend ist die Errungenschaftsgemeinschaft, welche den Erwerb in der Ehe gemeinschaftliches Eigentum der Eheleute werden läßt, zumal wenn der Ehemann, welcher die Verwaltung allein führt, auch der Ehefrau gegenüber allein für den Verlust beizutragen hat, sodaß diese von ihrem eingebrachten Gut nichts zu opfern hat, wenn in der Ehe zugesetzt, statt erworben wird, wie das Recht in Württemberg, Kurhessen und in den Gebieten des franz. Rechts geordnet ist. Aber dieses System führt zu sehr komplizierten Verhältnissen für die Auseinanderrechnung von dem gemeinschaftlichen Gute und vom Sondergut, namentlich auch bezüglich der beiderseitigen Schulden. Der Deutsche Entwurf hat deshalb das System der Verwaltungsgemeinschaft (s. d.) als dasjenige in Aussicht genommen, welches für die Neugestaltung des bürgerlichen Rechts in Deutschland das einheitliche Güterrecht des deutschen Volks werden soll. Die Eigentumsverhältnisse der Güter bleiben getrennt, aber der Ehemann ist Nutznießer und Verwalter des gesamten Frauenguts. Daß auch dabei die Ehefrau ebenso schlecht fahren kann wie die Gläubiger des Ehemanns, ist leicht einzusehen. Deshalb ist es zu verstehen, daß von dem Allgemeinen Deutschen Frauenverein und einer Anzahl von Zweigvereinen desselben Petitionen an den Deutschen Reichstag ergangen sind auf eine Umgestaltung des ehelichen Güterrechts im Sinne der Gütertrennung. (S. Dotalsystem.) Die Lebenserfahrung der sehr praktischen Römer fand darin, daß die Ehefrau über ihr eigenes Vermögen frei verfügen könne, daß sie nur dem Ehemanne für die Lasten der Ehe einen Teil ihres Vermögens überwies, den sie oder ihre Erben nach Auflösung der Ehe zurückforderten, eine Gewähr für eine würdige Gestaltung des ehelichen Verhältnisses. Ob aber die allgemeine Einführung eines solchen Systems bei den bestehenden socialen Verhältnissen nicht den Übelstand zur Folge haben würde, über welchen in dem reich gewordenen Rom so viele Klagen geführt wurden, daß viele Männer nicht heiraten wollten? Man hat berech-^[folgende Seite]