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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Existentialsatz - Exkoriation

Existentialsatz, ein Satz, der eine Existenz oder ein Dasein (s. d.) behauptet.

Existenzmimmum, dasjenige Einkommen, welches nach der landesüblichen Anschauung für eine selbständig wirtschaftende Person zu ihrem eigenen Unterhalt und zur Ernährung einer Familie unbedingt notwendig und unentbehrlich erscheint. Die absolute Höhe dieses Minimaleinkommens wird natürlich auf verschiedenen Kulturstufen und in verschiedenen Ländern eine stark wechselnde sein. In jedem gegebenen Falle aber wird seine Bedeutung sich dadurch geltend machen, daß die Arbeiterbevölkerung, falls der übliche Lohn das E. nicht erreicht, verkümmert und durch vermehrte Kindersterblichkeit, Auswanderung u. s. w. allmählich an Zahl abnimmt, bis das verminderte Arbeitsangebot eine Erhöhung des Lohnes bedingt. Nach dem Ricardoschen "ehernen Lohngesetz" würde der Lohn sich auch niemals längere Zeit über dem E. behaupten können, weil er durch die Vermehrung der Bevölkerung wieder herabgedrückt werden müßte. Indes zeigt sich erfahrungsgemäß stets eine sehr mannigfaltige Abstufung der Lohnsätze, und zwar so, daß die Mehrzahl der Arbeiter zu einer gegebenen Zeit und an einem bestimmten Orte in der Regel nicht der untersten, sondern den mittlern Stufen angehört.

Eine praktische Bedeutung hat das E. in der neuern Zeit in der Steuerlehre gewonnen. Während früher die Ansicht vorherrschte, daß jeder selbständig erwerbende Bürger grundsätzlich zu einer wenn auch sehr niedrigen direkten Besteuerung herangezogen werden müsse, wird gegenwärtig ziemlich allgemein zugestanden, daß das E. steuerfrei bleiben soll. Als allgemeiner steuerpolit. Grundsatz kann aber die Steuerfreiheit des E. nicht betrachtet werden. Denn einmal ist es praktisch in den meisten Fällen unmöglich, dieses Minimum festzustellen, das ja nach Ort und Zeit, nach den Preisverhältnissen, der Stärke der Familie u. s. w. außerordentlich schwankend ist, sodaß eine feste Grenze kaum anzugeben ist. Dann aber, selbst abgesehen von dieser praktischen Schwierigkeit, liegt der ganzen Forderung auch ein falscher Gedanke zu Grunde; denn die Leistungen des Staates, wofür die Steuer bezahlt wird, gehören selbst zu den allernotwendigsten Lebensbedürfnissen: der Schutz des Lebens und der Gesundheit, die Rechtspflege, der militär. Schutz u. s. w. Kann somit die Steuerfreiheit des E. nicht als allgemein gültiges Steuerprincip betrachtet werden, so sprechen doch viele Zweckmäßigkeitsgründe dafür, bei der Besteuerung, namentlich der direkten, sehr kleine Einkommen steuerfrei zu lassen, da einmal erfahrungsgemäß die zahlreichen amtlichen Mahnungen und meist fruchtlosen Exekutionen doch die Schwierigkeit der Erhebung beweisen, andererseits auch durch die indirekte Besteuerung in den meisten Ländern auch die kleinen Einkommen zu den Staatslasten herangezogen werden. - Zuerst formuliert wurde die Lehre vom E. durch Jeremias Bentham, dessen Schüler Stuart Mill sie annahm; seitdem ist sie in die Litteratur und Gesetzgebung eingedrungen. Letztere hat die Steuerfreiheit der kleinen Einkommen bald mehr, bald minder anerkannt und läßt sie vorwiegend bei den direkten Staatssteuern gelten. Die brit. Besteuerung läßt das Einkommen unter 150 Pfd. St. steuerfrei. Bei der Einkommen- und Klassensteuer in Deutschland beträgt die Grenze des freien E. 300 M. in Sachsen und Schwarzburg-Sondershausen, 500 M. in Hessen und Baden, 600 M. in Anhalt und den drei Hansestädten, 900 M. in Preußen; der preuß. Steuergesetzentwurf von 1883 wollte sogar bis 1200 M. gehen. Das neue preuß. Einkommensteuergesetz vom 24. Juni 1891 hat eine erhebliche Erweiterung des steuerfreien E. insofern gebracht, als für jedes Familienmitglied unter 14 Jahren der Betrag von 50 M. vom steuerpflichtigm Einkommen des Haushaltsvorstandes, sofern es 3000 M. nicht übersteigt, in Abzug gebracht wird mit der Maßgabe, daß bei Vorhandensein von drei oder mehr Familiengliedern dieser Art eine Ermäßigung um eine Stufe stattfindet. (S. Einkommensteuer.) - Vgl. H. Schmidt, Die Steuerfreiheit des E. (Lpz. 1877); Ad. Wagner, Finanzwissenschaft, 2. Teil (2. Aufl., ebd. 1890), S.402 fg.; Cohn, System der Nationalökonomie, Bd. 2: Finanzwissenschaft (Stuttg.1889); Artikel: Existenzminimum im "Handwörterbuch der Staatswissenschaften", Bd. 3 (Jena 1892).

Existieren (lat.), bestehen, vorhanden sein, leben.

Exit (lat.), geht ab; Plural: Exeunt (s. d.).

Exitus (lat.), Ausgang, Ende.

Ex jure (lat.), von Rechts wegen.

Exkaiser, s. Ex.

Exkapitulieren (neulat.), Entlassung aus dem Kriegsdienste nachsuchen oder erhalten; Exkapitulant, ein um die Entlassung Nachsuchender.

Exkavieren (lat.), aushöhlen, ausgraben; Exkavation, Aushöhlung, Höhle; Exkavation der Sehnerven, s. Glaukom; Exkavator, Aushöhler, Maschine zu Erdarbeiten, s. Grabemaschine.

Exklamieren (lat.), ausrufen, schreien; davon das Substantiv Exklamation.

Exklave, s. Enklaven.

Exkludieren (lat.), ausschließen, absondern.

Exklusion (lat.), Ausschließung; in studentischer Sprache die entehrende Ausschließung aus einer Verbindung (wegen Ehrenwortbruches, Kriminalverbrechen, Feigheit u. a.). In der Regel wird hinzugesetzt c. i. (cum infamia). Der Exkludierte ist zeitlebens satisfaktionsunfähig, und seine Gesellschaft wird auch im bürgerlichen Leben von den Standesgenossen gemieden. Die Offizierkorps erkennen die von angesehenen Verbindungen verhängte E. an, indem sie Exkludierte niemals zu Reserveoffizieren wählen.

Exklusiv (lat.), ausschließend; exklusive Gesellschaft, eine solche, welche alle nicht Ebenbürtigen ausschließt; exklusive, ausgeschlossen, mit Ausschluß von...; Exklusivität, Ausschließlichkeit, vornehme Abgeschlossenheit.

Exkolieren (lat.), anbauen, ausbilden, vervollkommnen; durchseihen.

Exkommunikation (lat.), Kirchenbann; exkommunizieren, in den Bann thun, aus der Kirchengemeinschaft ausschließen (s. Kirchenbann).

Exkönig, s. Ex.

Exkoriation (lat.), Hautabschürfung, jeder oberflächliche Substanzverlust der Haut, durch welchen die letztere ihres schützenden hornartig festen Epidermisüberzugs beraubt und somit das blutgefäß- und nervenreiche Gewebe der Lederhaut bloßgelegt wird. Die E. entsteht entweder durch mechan. Schädlichkeiten, wie durch Quetschung oder anhaltendes Kratzen und Reiben der Haut oder durch einwirkende chem. und physik. Reize (Verbrennung, Blasenpflaster) oder im Verlaufe verschiedener Hautkrankheiten, welche mit Blasenbildung und Abhebung der Epidermis einhergehen (wie das Ekzem,