Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Femelschlagbetrieb'
dem vollständigen Abtrieb des Altholzes, dem die Aufgabe zufällt, den jungen Bestand
eine Zeit lang gegen nachteilige klimatische Einwirtungen zu schützen. Preßler führte
deshalb den sehr bezeichnenden Ausdruck Vorverjüngung in die Litteratur ein, im
Gegensatz zu der beim Kahlschlagbetrieb (s. d.) erfolgenden
Nachverjüngung. Unter den deutschen Waldbäumen eignen sich vorzugsweise Buche und
Tanne für den F., da sie in ihrer ersten Jugend eine Beschattung durch die gelichteten
Althölzer sehr gut vertragen, unter gewissen Verhältnissen sogar wohl beanspruchen.
Werden sehr viele Jahresschläge zusammengefaßt und wird dadurch der
Verjüngungszeitraum sehr lang, so nähert sich der F. in seiner Form sehr dem geregelten
Femelbetrieb (s. d.). Den Ausdruck F. hat zuerst C. Heyer
angewendet, während G. L. Hartig diesen Betrieb
Samenschlagbetrieb, andere ältere Schriftsteller
Dunkelschlagwirtschaft u. s. w. nennen. Die erste
schwache Lichtung erfolgt durch den sog. Vorbereitungsschlag (s. d.),
diesem folgt der
Besamungs- oder Dunkelschlag (s.d.), dann
der Lichtschlag (s. d.), und endlich werden die letzten alten Bäume
allmählich geräumt oder durch einen Räumungsschlag (s. d.) entfernt.
Das Verfahren muß jedoch nach den örtlichen Verhältnissen ein sehr verschiedenes sein.
Der Vorteil des F. besteht in der Gewinnung eines nicht unerheblichen
Lichtungszuwachses an dem allmählich abzutreibenden Altholz, in der Sicherheit der
Verjüngung der Holzarten, die in der ersten Jugend einen Schutz durch die alten Bäume
lieben (Buche, Tanne), und in der leichtern Möglichkeit, gemischte Bestände zu erziehen.
Nachteile sind die Erschwerung und Verteuerung der Fällung sowie der Aufbereitung des
Holzes, namentlich aber des Transportes, daher oft Verminderung des Nutzholzausfalles,
die Beschädigung des Nachwuchses durch die genannten Erntearbeiten, die Abhängigkeit
vom Eintritt eines Samenjahres (s. d.), dessen
Ausbleiben den Wirtschaftsbetrieb ganz erheblich erschwert. Die natürliche Besamung
vermag wohl einen so pflanzenreichen jungen Bestand zu schaffen, daß derselbe die
durch die weitern Erntearbeiten eintretenden Beschädigungen auf gutem Standort leicht
überwindet, nicht so die durch Saat, noch weniger die durch Pflanzung erfolgende
Vorverjüngung. Der F. wird in Süddeutschland viel mehr angewendet als im Norden; gegen
Ende des vorigen und nach Anfang dieses Jahrhunderts war er noch viel verbreiteter als
jetzt.
Femgerichte, Fehme,
Vehme (abgeleitet vom althochdeutschen
veme, Strafe), auch
heilige Fem oder
Feyme,
Freigerichte,
westfälische oder
heimliche Gerichte genannt, die volkstümlichen,
nicht auf den Adel und nicht auf eine Beamtenhierarchie gegründeten königl. Gerichte des
deutschen Mittelalters, die ihre große Bedeutung für ganz Deutschland dadurch erlangten,
daß sie in den Zeiten des Faustrechts und der Selbsthilfe im letzten Viertel des 14. und im
15. Jahrh., wo die ordentlichen Gerichte vielfach versagten, den Verbrecher zu richten und
das Urteil zu vollstrecken wußten. Man hat im Mittelalter ihren Ursprung auf Karl d. Gr.
zurückgeführt, der sie begründet haben soll, um den Rückfall der gewaltsam zum
Christentum bekehrten Sachsen zu überwachen. Das gehört natürlich in das Reich der
Fabel; aber mit Karl d. Gr. kann man sie insofern in ↔ Verbindung bringen,
als sie auf der karoling. Gerichtsverfassung beruhen. Es sind die alten Grafengerichte,
welche sich in Westfalen erhielten, wo die Grafen den Blutbann unmittelbar vom König
empfingen. Aus welchen Ursachen das Recht zur Verleihung des Blutbanns, welches in
den meisten Territorien allmählich auf die Landesherren übergegangen war, in Westfalen
dem Kaiser erhalten blieb, läßt sich nicht mit Sicherbeit feststellen. Freigerichte hießen die
F., weil die Grafengerichte in Westfalen, nicht wie die ostfälischen, Gerichte über Adlige
wurden, sondern Gerichte über freie Bauern, die sich hier besonders zahlreich erhalten
hatten, blieben. Die Grafen (Richter) wurden hier zu
Freigrafen dadurch, daß sie dem König den
Richtereid leisteten und von ihm mit dem Blutbann belehnt wurden. Die Stellung von königl.
Gerichten verblieb den F., auch nachdem seit Wenzel (1382) der Erzbischof von Köln als
Statthalter der heimlichen Gerichte den Freigrafen im
Namen des Königs den Blutbann verleihen durfte; ein Oberaufsichtsrecht über die F. hatte
er schon früher erlangt. Er war als Herzog von Westfalen oberster Stuhlherr.
Stuhlherr war jeder Inhaber einer Freigrafschaft; ein
solcher Bezirk umfaßte eine Anzahl von Freistühlen. Der Stuhlherr hatte die Freigrafen auf
Lebenszeit zu ernennen. Freistuhl hieß der Ort, wo
das Gericht gehegt wurde, gewöhnlich ein Hügel oder eine im Freien gelegene Stätte.
Einer der berühmtesten Freistühle war der von Dortmund. Der Freigraf führte den Vorsitz,
die Freischöffen fanden und vollstreckten das Urteil,
stellten auch die Ladungen zu und hatten die Pflicht, Verbrechen zu rügen, d. h. dem
Femgericht anzuzeigen. Die Freischöffen hießen
Wissende. Sie mußten frei, ehelich geborene
Christen und unbescholten sein und durch einen Eid geloben, «die heilige Fem halten zu
helfen und zu verhehlen vor Weib und Kind, vor Vater und Mutter, vorSchwester und
Bruder, vor Feuer und Wind, vor allem, was die Sonne bescheint und Regen benetzt,
vor allem, was zwischen Himmel und Erde ist». Ursprünglich sollten Wissende nur auf der
Roten Erde, d. i. in Westfalen, aufgenommen werden. Allmählich breitete sich der Kreis
der Freischöffen über ganz Deutschland aus. In allen Gegenden waren sie seit dem 14.
Jahrh. in außerordentlich großer Zahl vorhanden. In den Städten und in den fürstl. Räten
saßen Wissende, ja Fürsten selbst ließen sich in den Freischöffenbund aufnehmen. Die
Freischöffen besaßen nicht nur großen Einfluß, sondern sie hatten auch eine bessere
Stellung im Verfahren der F., wenn sie angeklagt waren. Da die F. als königl. Gerichte ihre
Zuständigkeit bei verweigerter Rechtshilfe auf das ganze Reich erstreckten, so trug es
nicht wenig zu ihrem Ansehen und ihrer Macht bei, daß allerorten Wissende bereit waren,
Verbrecher dem Arme der F. zu überliefern und das Urteil an den Schuldigen zu
vollstrecken. In den traurigen Zeiten des Faustrechts bildeten daher die F. einen Hort zur
Unterdrückung der Rechtsunsicherheit. Selbst mächtige Fürsten fürchteten ihre Macht und
beugten sich ihrem Spruche. Die F. haben durch den Schrecken, welchen sie verbreiteten,
einigen Schutz gegen Gewaltthätigkeit gewährt, sind aber später selbst ausgeartet und
haben ihre schrankenlose Gewalt mißbraucht. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrh.
ertönten viele Klagen hierüber und 1461 errichteten mehrere deutsche Fürsten und Städte,
denen auch die schweiz. Eidgenossenschaft beigetreten war, unter
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 659.