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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Fleischer (Handwerker)

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Fleischer (Handwerker)

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Fleischbrühe'

den andern Zuthaten, womit man die F. gewöhnlich würzt, so erhält man auf diese Weise die beste F., die sich aus einer gegebenen Fleischmenge überhaupt bereiten läßt. Die mit etwas gebranntem Zucker oder braungebrannten Zwiebeln gefärbte F. wird allgemein für weit stärker gehalten als die ungefärbte, wenn auch beide Sorten eine ganz gleiche Zusammensetzung haben. Läßt man das Fleisch mit Wasser längere Zeit kochen oder die F. kochend verdampfen, so nimmt sie nach einiger Konzentration von selbst eine bräunliche Farbe und einen feinen Bratengeschmack an. Dampft man sie im Wasserbade oder womöglich in einer noch niedrigern Temperatur unter Anwendung von Vakuumpfannen bis zur Extraktkonsistenz ein, so erhält man das Fleischextrakt (s. d.), das man jetzt oft anwendet, um durch Lösen desselben in siedendem Wasser, dem man etwas Kochsalz zusetzt, eine starke und wohlschmeckende F. herzustellen. Dieses Fleischextrakt läßt sich mit den in England und Frankreich bereiteten sog. Suppen- oder Bouillontafeln nicht vergleichen, denn diese sind nicht aus Fleisch, sondern durch Auskochen von Knochen und Kalbsfüßen bereitet und bestehen aus mehr oder weniger reinem Leim, der sich von dem gewöhnlichen Knochenleim fast nur durch seinen hohen Preis unterscheidet. Nicht zu verwechseln mit den Knochenbouillontafeln sind die in Rußland dargestellten echten Bouillontafeln, die alle wesentlichen Bestandteile des Fleischextrakts enthalten.

Über den Nahrungswert der F. giebt man sich vielfach irrigen Vorstellungen hin. Verführt durch die belebende und erfrischende Wirkung derselben, hält man sie für ein wirkliches Nahrungsmittel. Dies ist sie jedoch nur in sehr beschränktem Sinne insofern, als sie nur noch Spuren von den dem Fleische seinen Hauptwert verleihenden Bestandteilen, den Eiweißstoffen, enthält. Durch ihren Gehalt an den oben genannten Bestandteilen wirkt sie auf das Nervensystem ähnlich wie guter starker Wein, und so wie dieser wirkt sie auf die Nerven des Verdauungsapparats, die Verdauungssekret liefernden Drüsen zur Thätigkeit anregend. Die F. ist daher ein nervenanreizendes, sehr wertvolles Genußmittel, kann aber niemals das Fleisch ersetzen.

Fleischer, in Süddeutschland Metzger, in Niedersachsen Schlächter oder Knochenhauer, seltener (besonders in Österreich) Fleischhauer genannt, derjenige Handwerker, der das sog. Schlachtvieh schlachtet und das in Stücke zerlegte oder zu Wurst u. s. w. verarbeitete Fleisch verkauft.

In den ältesten Zeiten findet man diese Thätigkeit besondern Personen, den Befähigsten des Stammes, den Fürsten und Priestern übertragen. Aus den Veden weiß man, daß bei größern Opferfesten die Brahmanen das Schlachten übernahmen, während für gewöhnlich eine besondere Klasse von Priestern, die sich Schlächter und Zerleger nannten, damit betraut war. Ähnlich war es bei andern orient. Völkerschaften und in dem homerischen Zeitalter. Erst in den spätern Zeiten des klassischen Altertums ist das Schlachten dem Belieben der Privaten überlassen. In Rom gab es in der ersten Epoche der Republik noch keine Metzgerzunft; später entwickelte sich der Stand der Lanii oder Confecturarii, aus dem z. B. der Konsul Terentius Varro hervorging. In der Kaiserzeit gab es drei große amtliche Fleischerinnungen, denen die Aufgabe oblag, Rom mit Fleisch zu versorgen: die der Schweine- (Suarii), ↔ Hammel- (Pecuarii) und Ochsenschlächter (Boarii). Die Mitgliedschaft in ihnen war eine lebenslängliche und erbliche, und der Staat erlaubte keinem den Austritt, sicherte sich vielmehr durch Gesetz die erforderliche Anzahl Metzger. Gleiche Anordnungen galten nach der Trennung des Römischen Reichs für die Fleischerinnung von Byzanz.

Auf den Fronhöfen des Mittelalters scheint es Schlächterinnungen nicht gegeben zu haben, sondern das Schlachten scheint von Knechten, die bald mit dieser, bald mit jener Thätigkeit beschäftigt waren, besorgt worden zu sein. In den Städten bestanden Zünfte, und niemand durfte das Fleischerhandwerk ausüben, ohne einer solchen anzugehören. Zur Erleichterung des Gewerbes bauten viele Städte, in der Regel an einem Flusse, gemeinsame Schlachthäuser. Für den Handel mit Fleisch erließen die Obrigkeiten genaue Vorschriften. Vor allen Dingen galten Fleischtaxen (s. d.). Zur Herbeiführung größern Wettbewerbes ließ man außerhalb der Zunft «Freischlächter» zu, mit den gleichen Anteilsbefugnissen wie die Innungsschlächter, und «freie Fleischmärkte», in der Regel wöchentlich einmal, zuweilen auch zweimal. Wo Juden wohnten, fand man im Hinblick auf die Ritualgesetze besondere jüd. Schlächter, die aber nur an ihre Glaubensgenossen Fleisch verkaufen durften.

Seit Anfang des 19. Jahrh. wurde das Fleischergewerbe allmählich freigegeben. In Preußen hob die Verordnung vom 24. Okt. 1808 den Zunftzwang und die Verkaufsmonopole der Schlächter in Ost- und Westpreußen sowie Litauen auf und beseitigte die Fleischtaxen, aber 1849 wurde die Fleischerei wieder für zünftig erklärt. Erst auf Grund der Gewerbeordnung von 1869 darf jeder im Deutschen Reiche ohne Befähigungsnachweis, Meisterprüfung oder obrigkeitliche Erlaubnis das Gewerbe eines Schlächters ausüben. Hauptsächlich infolge der Einrichtung von «Schlachtviehhöfen» in den größern Städten, zunächst aus sanitätspolizeilichen Gründen, hat sich dort eine Arbeitsteilung zwischen Schlächtern und Detailhändlern dahin entwickelt, daß letztere Fleisch in größern Stücken von erstern übernehmen und an das Publikum im eigenen Laden oder in den städtischen Markthallen verkaufen. Für minderwertige, aber nicht gesundheitsschädliche Ware, bestehen häufig sog. Freibänke. (Vgl. auch Fleisch und Fleischbeschau.) Unter den Ladenverkäufern findet nicht selten eine Sonderung nach den Fleischgattungen statt, z. B. Ochsen-, Jungvieh-, Schweineschlächtereien (in Österreich Selchereien) u. s. w. Dazu kommt noch der Verkauf von feinern Fleisch- und Wurstwaren in den sog. Delikateßhandlungen.

Nach der Berufsstatistik von 1882 waren 81713 Fleischereibetriebe vorhanden, darunter 62747 Hauptbetriebe, welche 116783 männliche und 6960 weibliche Personen beschäftigten. Von allen gewerbthätigen Personen des Reichs waren 1,68 Proz. im Fleischergewerbe thätig. Von den Hauptbetrieben beschäftigten 62105 weniger als je 5 Gehilfen, und es kamen auf je 100 Fleischermeister nur 96 Gehilfen. 98,52 Proz. aller Betriebe waren im Eigentum von Einzelpersonen. Diese Zahlen zeigen am besten den Charakter des Gewerbes als Kleinbetrieb.

Der neuern Innungsbewegung haben sich die F. lebhaft angeschlossen. Seit 1885 besteht der Allgemeine Fleischerverband, ein Bund von 840 Innungen von 21000 Mitgliedern. Würt-

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 887.