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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Gaupp; Gaur; Gaureiter; Gaurisankar; Gaurus; Gauß

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Gaupp - Gauß

stammende «Baseler Ratsmandat», bezeugt bereits die Existenz eines vollkommen ausgebildeten Gaunertums. Es giebt in 24 Abschnitten eine Darstellung der verschiedenen Gaunerpraktiken, ist später von Sebastian Brant (s. d.) im 63. Kapitel des «Narrenschiffes» berücksichtigt und bildet die Grundlage des um 1495 erschienenen «Liber Vagatorum», dessen Verfasser mit Sicherheit nicht nachzuweisen ist und dem Luther einen so großen Wert beilegte, daß er eine eigene Vorrede dazu schrieb. Aus den wüsten Zuständen im Gefolge des Dreißigjährigen Krieges entwickelte sich das Gaunertum zu einem numerisch und örtlich weit ausgebreiteten Räubertum, dessen Banden das 18. Jahrh. hindurch von der sich allmählich aufraffenden Polizei mit Erfolg bekämpft wurden. Hierher gehören Persönlichkeiten wie Cartouche, Nicol List, Lips Tullian, Bayrischer Hiesel, Schinderhannes, die rhein. Räuberbanden, die Bocksreiter, die Räuberbanden im Spessart u. a., von deren Dasein, Prozeß und blutigem Ende zahlreiche aktenmäßige Darstellungen aus dem vorigen Jahrhundert berichten. Aus der modernen Gaunerwelt ist das gewerbsmäßige, gewaltsame Räubertum verschwunden. An seine Stelle sind zahlreiche andere Specialitäten getreten. Neben dem Diebe mit seinen mannigfachen Unterarten: Taschendieb (Drücker), Ladendieb (Schottenfeller), Schlafstellendieb, Wäschedieb (Flatterfahrer), Einbrecher (Schränker), Hehler, erscheint der Hochstapler (Stabuler des «Liber Vagatorum», von Stab, Stecken), Bauernfänger, Kautionsschwindler, Leichenfledderer (der die auf Promenaden u. s. w. in Schlaf Versunkenen ausplündert) und die Prostitution (s. d.) mit ihrem Zuhälterwesen und Rowdytum, von alters her dem Gaunertum eng verbunden. Die den G. eigentümliche Sprache, das aus mannigfachen Elementen gemischte Rotwelsch (s. d.), ist so alt wie das Gaunertum selbst. – Vgl. Avé-Lallemant, Das deutsche Gaunertum (4 Bde., Lpz. 1858‒62); Die Verbrecherwelt von Berlin von Ω. Σ. in der «Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft», hg. von Liszt und Lilienthal, Bd. 4‒6 (Berl. 1884‒86).

Gaupp, Ernst Theodor, Rechtsgelehrter, geb. 31. Mai 1796 zu Klein-Gaffron bei Raudten in Niederschlesien, nahm am Befreiungskampfe teil und studierte dann zu Breslau, Göttingen und Berlin die Rechte. Er habilitierte sich 1820 zu Breslau, wurde 1821 außerord., 1826 ord. Professor, 1832 auch Mitglied des Oberlandesgerichts zu Breslau und starb 10. Juni 1859. Er schrieb: «Über deutsche Städtebegründung, Stadtverfassung und Weichbild im Mittelalter» (Jena 1825), «Das alte Magdeburgische und Hallische Recht» (Bresl. 1826), «Das schles. Landrecht» (Lpz. 1828), «Germanistische Abhandlungen» (Mannh. 1853), «Miscellen des deutschen Rechts» (Bresl. 1830), und veröffentlichte Ausgaben und Erläuterungen der Lex Frisionum (ebd. 1832), des «Alten Gesetzes der Thüringer» (ebd. 1834), der Lex Saxonum in «Recht und Verfassung der alten Sachsen» (ebd. 1837), der Lex Francorum Chamavorum (ebd. 1855), Untersuchungen über «Die german. Ansiedelungen in den Provinzen des röm. Westreiches» (ebd. 1844), die wertvolle Sammlung «Deutscher Stadtrechte des Mittelalters» (2 Bde., ebd. 1851‒52), «Von Femgerichten» (ebd. 1857), «Über die Zukunft des deutschen Rechts» (ebd. 1847), und «Das deutsche Volkstum in den Stammländern der preuß. Monarchie» (ebd. 1849).

Gaupp, Gustav, Maler, geb. 19. Sept. 1844 zu Markgröningen in Württemberg, bildete sich in Stuttgart, später in London und Wien zum Lithographen aus. Seit Anfang der siebziger Jahre vertauschte er die Lithographie mit der Malerei und begab sich zu dem Zwecke an die Akademie in München, wo er 1873 Schüler von Piloty wurde. 1877 ging G. zu Studienzwecken nach Italien; 1880‒82 war er in Hamburg, 1882‒84 in London mit Porträtieren beschäftigt. Seit 1884 ist G. in Stuttgart im Porträt- und Genrefach thätig. Sein bekanntestes Gemälde ist die Plünderung eines Klosters durch Landsknechte (1876; Straßburger Galerie); ferner sind zu nennen: Die Quelle (dekoratives Bild im Pringsheimschen Palais zu Berlin) und Schlimme Botschaft.

Gaur, s. Ochs.

Gaur oder Lakhnauti (ursprünglich vielleicht Lakschmanājatī), ungeheure Ruinen- und alte Hauptstadt von Bengalen, unter 24° 52’ nördl. Br. und 88° 10’ östl. L. von Greenwich, an der Bhagirathi, einem Gangesarm, gelegen. Die noch vorhandenen, immer mehr verfallenden Überbleibsel zeichnen sich aus durch Schönheit und Großartigkeit der Architektur wie durch die Vorzüglichkeit des Baumaterials und durch die Sorgfalt, welche auf den äußern Schmuck verwendet wurde. Besonders bemerkenswert sind die Ruinen einer Moschee, deren Außenmauern mit schwarzem Marmor eingefaßt sind, mehrere große künstliche Teiche und in der Stadtmauer zwei hohe Festungsthore.

Gaureiter, in Süddeutschland der Besitzer eines Deckhengstes, der von Ort zu Ort im Lande umherreitet, um Stuten bäuerlicher Besitzer, meist gegen ein bescheidenes Deckgeld, belegen zu lassen.

Gaurisankar oder Mount-Everest, der höchste bekannte Berg der Erde, liegt unter 27° 59’ nördl. Br. und 86° 55’ östl. L., in der südl. Hauptkette des Himalaja in Asien, an der Nordgrenze von Nepal und erreicht 8840 m Höhe. Er führt seinen zweiten Namen nach dem Ingenieur Everest (s. d.).

Gaurus, jetzt Monte-Barbaro, im Altertum Name einer Bergkette in Campanien zwischen Cumä und Neapel, von vulkanischem Charakter. An diesem Berge erfocht der Konsul Valerius Corvus 343 v. Chr. einen großen Sieg über die Samniten.

Gauß, Karl Friedr., Mathematiker, geb. 30. April 1777 in Braunschweig, kam 1792 in das Collegium Carolinum, und wurde, nachdem er seit 1795 zu Göttingen studiert und seit 1798 zu Braunschweig und Helmstedt privatisiert hatte, 1807 zum Professor und Direktor der Sternwarte zu Göttingen ernannt. Er starb daselbst 23. Febr. 1855. Seine Bronzestatue (von Schaper) zu Braunschweig wurde 27. Juni 1880 enthüllt. Bereits in seiner Doktordissertation 1799 zeigte G. seinen Scharfsinn, indem er die frühern Bemühungen, den Hauptsatz der Algebra, wonach jede algebraische Gleichung n ten Grades n reelle oder komplexe Wurzeln habe, zu beweisen, einer scharfen Kritik unterwarf und selbst einen neuen, strengen Beweis desselben lieferte. Eine Umarbeitung dieser Abhandlung gab er in einer 1849 in der Gesellschaft der Wissenschaften gehaltenen Vorlesung, welche in deren «Abhandlungen» (Bd. 4, Gött. 1850) abgedruckt wurde. Noch glänzender entwickelte er seine Kräfte in den schon 1795 begonnenen und vier Jahre im Druck hingezogenen «Disquisitiones arithmeticae» (Lpz. 1801; deutsch als «Untersuchungen über höhere Arithmetik», hg.