Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Gladstone'
großes Aufsehen erregte und in mehrere fremde Sprachen übersetzt wurde. Gleichzeitig übersetzte er auch Farinis
«Stato romano» u. d. T. «History of the Roman state»
(4 Bde., Lond. 1851–54). Das konservative Ministerium Derby fand ihn 1852 bereits in den Reihen seiner Gegner. Er bekämpfte
vornehmlich das Budget Disraelis (s. Beaconsfield) und plante
selbst als Schatzkanzler in dem Koalitionsministerium Aberdeen (seit Dez. 1852) finanzielle Reformen, namentlich eine allmähliche
Verminderung der engl. Staatsschuld. Dem Orientkrieg war er abgeneigt und trat schon vor dem endgültigen Sturz des Ministeriums
29. Jan. 1855 zurück. In seiner Muße verfaßte er seine
«Studies on Homer and the Homeric age» (3 Bde., Oxf. 1858); politisch näherte er sich der
Manchesterpartei, ließ sich aber Winter 1858–59 von dem konservativen Ministerium als Kommissar nach den Ionischen Inseln
schicken, deren Abtretung an Griechenland er befürwortete. Unter Palmerston Juni 1859 wieder zum Schatzkanzler ernannt, ging er
mit Erfolg in seinen Finanzreformen vor, konnte stets mit Steuerermäßigungen vor das Parlament treten und verfocht aufs eifrigste
eine Erweiterung des Wahlrechts, die von nun an einer der Grundgedanken seiner Politik wurde. Sein Eintreten für eine Reform der
irischen Bischofskirche kostete ihm schließlich seinen Parlamentssitz für Oxford. Nach dem Tode Palmerstons (18. Okt. 1865)
wurde er als Schatzkanzler und Führer des Unterhauses in dem Kabinett Russell die eigentlich leitende Persönlichkeit. Er hatte vor
allem die Aufgabe, die Parlamentsreformbill im Unterhaus zu vertreten, jedoch kam diese durch den Abfall einer liberalen Gruppe
(s. Adullamiten) zu Fall, und das liberale Ministerium mußte die Durchführung seiner Pläne einem konservativen
Kabinett Derby-Disraeli überlassen. In der Opposition gegen dieses schob G. die irische Frage in den Vordergrund, die von nun an
die beherrschende Idee in seiner Politik wurde. Die nächste Neuwahl von 1868 brachte den Sturz der Konservativen, und 8. Sept.
wurde G. beauftragt, ein neues Ministerium zu bilden. Zunächst setzte er die schon in der Opposition von ihm geforderte
Entstaatlichung der irischen Kirche durch, ließ 1870 ein irisches Landgesetz folgen, führte Reformen im Volkserziehungswesen ein,
eine Reorganisation des engl. Heers durch Beschränkung des Kaufs der Offiziersstellen und 1872 die geheime Abstimmung bei
Parlamentswahlen. In seiner äußern Politik zeigte er sich zurückhaltend und ist von friedensseliger Schwäche nicht freizusprechen.
Trotz der äußerlich neutralen Haltung im Deutsch-Französischen Kriege bewies er deutliche Sympathien für Frankreich. Die
Zugeständnisse, die er 1871 in der Pontusfrage an Rußland zu machen sich gezwungen sah, und seine Haltung gegenüber
Amerika in der Alabamafrage (s. d.) schuf ihm zahlreiche Gegner, ebenso wie sein rastloser Reformeifer, der
unruhig nach allen Seiten umhergriff. Am 11. März 1873 erlitt er mit einem Gesetz über die irischen Universitäten eine Niederlage,
blieb aber, da Disraeli sich weigerte, die Nachfolge anzutreten, im Amte und stellte ein neues Ministerium zusammen. Die von ihm
Jan. 1874 ausgeschriebenen Neuwahlen brachten eine überwiegende konservative Mehrheit, und G. trat nicht nur 16. Febr. 1874
von seinem Amte zurück, sondern erschien überhaupt jetzt selten im Parlament und legte Ende des Jahres sogar die Führung der
Partei nieder. ↔
Neben den großen Arbeiten seines Amtes hatte er Muße zu wissenschaftlicher Thätigkeit gefunden. 1868 war von ihm erschienen:
«A chapter of autobiography», 1869 über das griech. Altertum:
«Juventus mundi, the Gods and men of the heroic age». Nach seinem Rücktritt schrieb er:
«Homeric synchronism. An inquiry into the time and place of Homer» (Lond. 1876; deutsch,
Jena 1877), gab seine kleinen Schriften u. d. T. «Gleanings of past years 1843–78» (7 Bde.,
Lond. 1879) heraus und schrieb zu Schliemanns «Mycenae» eine Vorrede (ebd. 1878). Mit der
Broschüre: «The Vatican decrees in their bearing on civil allegiance» (1874) zog er gegen die
päpstl. Unfehlbarkeit und den Ultramontanismus ins Feld, und auf die vielfachen Gegenschriften erwiderte er mit:
«Vaticanism, an answer to replies and reproofs» (1875); gesammelt erschienen diese
kirchlichen Streitschriften als «Rome and the newest fashions in religion» (Lond. 1875;
deutsch, Nördl. 1876). Ebenso trat er der Orientpolitik Lord Beaconsfields und dem Bestreben, die Türkei zu erhalten, entgegen in
«Bulgarian horrors and the question of the East» (Lond. 1876), dem bald darauf
«Lessons in massacre; or the conduct of the Turkish government in and about Bulgaria since May 1876»
(ebd. 1877) folgte. Auch seine
«Political speeches delivered in Scotland Nov. and December 1879» (Edinb. 1880), die er auf
einem großen agitatorischen Wahlfeldzuge hielt, richten sich vornehmlich gegen Beaconsfields ganze imperialistische Politik und
trugen in hervorragendem Maße zu der unverhofften Niederlage der Konservativen April 1880 bei. Da Hartington und Granville, die
liberalen Führer der letzten Jahre, die angebotene Kabinettsbildung ablehnten, so übernahm G. 23. April 1880 wieder als
Schatzkanzler die Leitung der Regierung und die Führung des Unterhauses. Den Hauptinhalt seines zweiten Ministeriums bildeten
die drei großen Fragen einer neuen Parlamentsreform, die Regelung der Verhältnisse in Ägypten und die irischen Zustände. Die
Landliga (s. d.), die sich 1879 gebildet hatte, erzielte mit ihrer Agitation
ungeheure Erfolge; G. suchte ihr mit Reformmaßregeln, zugleich aber mit Strenge entgegenzutreten. Die Session von 1884
brachte eine neue parlamentarische Reformbill, die durch Erweiterung des Stimmrechts die Wählerzahl um etwa 2 Mill. vermehrte;
daran schloß sich 1885 ein Gesetz über die Neuverteilung der Parlamentssitze, das die alte engl. Vertretungsform nach dem
Muster der kontinentalen Wahlbezirke umgestaltete. Die schwächste Seite von G.s Verwaltung war seine auswärtige Politik, und
diese war es auch, die ihn zu Fall brachte. Die beschämende Niederlage, welche die engl. Truppen durch die Boers erlitten, und
der folgende, nicht sehr rühmliche Friede, die Beschießung Alexandrias nach Arabi Paschas Aufstand
(s. Ägypten, Bd. 1, S. 251), die ungenügenden
Truppensendungen zur Unterdrückung der mahdistischen Bewegung und namentlich die Preisgebung Gordons in Chartum erregten
eine große Mißstimmung gegen G., sodaß er 9. Juni 1885 bei einer unbedeutenden Frage über die Getränkesteuer eine
Niederlage erlitt und Lord Salisbury die Führung der Geschäfte überlassen mußte. Nach einem ungünstigen Ausfall der Neuwahlen
legte dieser jedoch schon 26. Jan. 1886 sein Amt wieder nieder, und G. trat von neuem an seine Stelle. In seinem nun folgenden
dritten kurzen Ministerium stellte er seine neue Home-Rule-Bill in den
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 32.